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Coronavirus: Auch Neustädter Familie unter Quarantäne in Wuhan 

Wuhan. Das hochansteckende Coronavirus ist im Dezember 2019 in der chinesischen Provinz Hubei mit der Millionenmetropole Wuhan ausgebrochen. An der neuartigen Lungenerkrankung sind binnen kürzester Zeit mehr als 4.500 Menschen erkrankt, über 100 Menschen starben. Seit einigen Tagen hat die chinesische Regierung das betroffene Gebiet komplett abgeriegelt, Millionen Menschen stehen jetzt unter Quarantäne. Auch aus etwa einem Dutzend weiterer Länder wurden Infektionen gemeldet, am heutigen Dienstag wurde nun der erste Fall in Deutschland bestätigt. Inzwischen erwägt nach anderen Ländern auch die Bundesregierung, betroffene Deutsche aus der Krisenregion ausfliegen zu lassen.
 
der reporter steht in Kontakt mit einer betroffenen deutschen Familie aus Neustadt, die sich in Wuhan befindet und die uns im Interview von der Situation vor Ort berichtet.
 
der reporter: Was führt Sie nach China?
Dr. Claas Riedel: Ich arbeite als Anästhesist und Notarzt in der Schön Klinik Neustadt. Neben dieser Tätigkeit widme ich mich zur Zeit noch hobbymäßig der traditionellen chinesischen Medizin. Aktuell sind meine Frau und ich in Elternzeit und wollten die Zeit nutzen, um zum chinesischen Neujahrsfest mit den Kindern die Familie meiner Frau zu besuchen und außerdem die praxisnahe Anwendung der traditionellen chinesischen Medizin auch aus Therapeutensicht zu erleben. Wir sind seit dem 29. Dezember 2019 in China, zunächst waren wir bis zum 3. Januar in Beijing und seitdem in Wuhan.
 
der reporter: Wie haben Sie persönlich die Entwicklungen bezüglich des neuartigen Coronavirus seit Anfang des Jahres erlebt?
Dr. Claas Riedel: Bereits am Tag unserer Ankunft in China berichtete meine Frau mir davon, dass eine SARS-aehnliche Lungenerkrankung auf dem Wuhaner Fischmarkt ausgebrochen ist. Wir haben wir die Infektionszahlen genau beobachtet und die Lage schien sich über den Jahreswechsel zu beruhigen und für zwei Wochen gab es keine Neuinfektionen. So haben wir entschieden doch nach Wuhan zu fahren, denn allzuoft haben wir nicht die Möglichkeit unsere chinesischen Verwandten zu besuchen. Als dann am 19. Januar die Meldungen kamen, dass die Neuinfektionen rasch zunehmen würden, haben wir unseren Flug auf den nächstmöglichen Termin, den 24. Januar, umgebucht. Doch das war zu spät. Die Abriegelung kam völlig überraschend – 22 Stunden bevor unser Flug gehen sollte. Niemand hätte hier gedacht, dass das je passieren würde. So eine Maßnahme in dem Ausmaß hat es auch in China noch nie gegeben. Neben dem Aussetzen des öffentlichen Verkehrs, kamen weitere Maßnahmen rasch. Unter anderem die Abriegelung des Straßen aus der Stadt und strenge Kontrolle der Verkehrswege über den Fluss. Zuletzt folgte das Fahrverbot in der Innenstadt. Bezüglich dieser Maßnahmen war die Vorwarnzeit immer nur sehr kurz.
 
der reporter: Wie ist die Stimmung in dem abgeriegelten Gebiet?
Dr. Claas Riedel: In den Wohngebieten ist es weitestgehend ruhig. In den großen Fieberkliniken sieht die Lage natürlich anders aus. Wenn man dem glaubt, was in den sozialen Medien geteilt wird, müssen dort katastrophale Zustände herrschen. Die Kliniken sind überfüllt und können der Patientenflut nicht gerecht werden. Nicht umsonst hat die chinesische Regierung beschlossen binnen weniger Tage zwei neue Krankenhäuser zu bauen. Ärzte und Krankenschwestern werden bereits im großen Stil aus benachbarten, weniger betroffenen Regionen Chinas eingeflogen.
Abgesehen davon nehmen die Chinesen die Abriegelung aber mit Fassung auf. Die Straßen sind gespenstisch leer. Es ist wirklich leise da draußen. Die meisten Leute bleiben tatsächlich einfach zu Hause und harren aus. Das Verständnis für die Maßnahmen der Regierung ist auf Seiten der chinesischen Bevölkerung groß. Der Kampf gegen das Virus wird als gemeinschaftliche, nationale Aufgabe verstanden. Meine persönlichen Befürchtungen bezüglich Sicherheit und Ordnung haben sich bislang glücklicherweise nicht bewahrheitet.
 
der reporter: Wie läuft der Informationsfluss?
Dr. Claas Riedel: Entgegen anders lautender Meldungen westlicher Medien, müssen wir sagen, dass wir durchaus zufrieden sind, was die Information an die Menschen hier angeht. Und das war eigentlich von Anfang an so. Es wird sehr offen über Infektion, Ursprung und Zahlen gesprochen. Die Informationen beziehen wir aus dem Internet, vor allem aus den sozialen Medien und dem Fernsehen. Das Ganze lässt sich quasi in Echtzeit nachvollziehen. Letztendlich sind wir da über die neuesten Meldungen deutlich vor den westlichen Medien informiert, Ein bisschen ärgerlich ist jedoch, dass viele der Annahmen über die Übertragung, das Infektionsrisiko während der Inkubationszeit, die Ansteckungen von Kindern u.s.w. allesamt falsch waren.
 
der reporter: Stehen Sie in Kontakt zum Auswärtigen Amt wegen einer möglichen Rückholaktion?
Dr. Claas Riedel: Die Kontaktaufnahme durch die Botschaft in Peking erfolgte sehr schnell nach der Abriegelung der Stadt. Alles, was man machen musste, war sich in die Krisenvorsorgeliste (ELEFAND) des auswärtigen Amtes einzutragen. Man ist dort sehr einfühlsam mit uns umgegangen und fragt dort auch regelmäßig nach unserem Wohlergehen und hat uns mit anderen Deutschen in der Stadt vernetzt. Das Gefühl, dass sich um einen gekümmert wird, hat enorme Erleichterung gebracht.
 
der reporter: Gibt es Problem mit der Versorgung?
Dr. Claas Riedel: Das waren meine schlimmsten Befuerchtungen, als ich von der Abriegelung erfahren habe. Das hat die chinesiche Regierung aber momentan relativ gut unter Kontrolle. Die meisten Geschäfte sind zwar geschlossen, große Supermarktketten und Apotheken sind aber per Regierungserlass geöffnet und werden entsprechend versorgt. Sogar der Müll wird noch regelmäßig abgeholt. Die Preise für Lebensmittel sollen, ebenfalls per Regierungserlass geregelt, stabil bleiben.
 
der reporter: Wie geht die Familie mit der Situation um?
Dr. Claas Riedel: Unsere deutsche Familie sorgt sich natürlich schon sehr. Am schlimmsten ist dort das Gefuehl nichts tun zu können. Wir telefonieren mehrfach täglich, so können alle sehen, dass es uns den Umständen entsprechend gut geht,
Die engste chinesische Familie freut sich vor allem darüber, dass wir in dieser Krise zusammen sind und nicht irgendwo anders in China festgesetzt sind.
 
der reporter: Wie schützt sich die Familie vor dem Virus?
Dr. Claas Riedel: Vorwiegend durch Isolation. Die Übertragungswege sind für mich als Mediziner ja klar. Wir haben schon Tage vor der Abriegelung keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr in Anspruch genommen und nicht mehr auf den Märkten eingekauft, wo auch Tiere verkauft wurden. Zudem ist spätestens seit der Abriegelung, das Tragen eines Mund-Nasenschutzes vorgeschrieben. Auf Zuwiderhandlung stehen empfindliche Strafen. Wir haben das Verlassen der Wohnung auf das Allernötigste reduziert und entsprechende Vorbereitungen dafür bereits zu Beginn der Abriegelung getroffen.
 
der reporter: Wir danken Ihnen für das Interview und drücken die Daumen, dass Sie bald zurück nach Hause können.


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