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Petra Remshardt

Musikalische Stolpersteine Jüdisches Kammerorchester Hamburg in concert

Am 5. Mai in der ancora Marina


Neustadt. Gedenken - aber wie? Neustadt auf den Spuren einer Vergangenheit, die das ganze Land betreffen, denn Folgen des Holocausts wirken bis in die heutige Zeit weiter und nehmen sogar zu, während die Zeitzeugen dabei sind, diese Erde zu verlassen. ‚Musikalische Stolpersteine‘ sollen sein, die jüdisches Leben der Nachfolgegeneration einladen, Momente zu teilen, die in KZ ihr jähes Ende nahmen.
Das Jüdische Kammerorchester Hamburg ist am Sonntag, dem 5. Mai in Neustadt zu Gast und nimmt den Faden unser aller Kultur auf. Auf dem Programm stehen das Streichquartett Nr. 3 von Victor Ullmann, das Streichquartett Nr. 8 von Dmitri Schostakowitsch und von Antonio Vivaldi die Vier Jahreszeiten.
Das Jüdische Kammerorchester Hamburg steht unter der Leitung des musikalischen Direktors Pjotr Meshvinski. Die Gastrede zu diesem Konzert hält Prinz Philip Kyrill von Preußen.
Das Konzert in der ancora Marina beginnt um 18 Uhr. Es ist eine Kooperation der Stadt Neustadt mit der Evangelischen Kirchengemeinde Neustadt.
 
Die Musiker des Jüdischen Kammerorchesters sind von den damaligen Entwicklungen bis heute betroffen, sind doch ihre Familien notgedrungen - wenn nicht ermordet, doch emigriert. Von daher ist es ihr Ziel, in jedem ihrer Programme jüdische Komponisten zu Gehör zu bringen, die dem NS-Rassenwahn zum Opfer fielen. Sie der Vergessenheit zu entreißen und ihnen ihre Namen wiederzugeben, soll uns zum musikalischen Stolperstein werden.
Die Chance, damals überhaupt jüdische Kompositionen aus den KZ - soweit dort entstanden - vor der Vernichtung zu bewahren, war schon eine Sache für sich. Das erste Jüdische Kammerorchester Hamburg wurde ein Opfer des NS-Rassenwahns. Im Herbst 1934 gründete der Geiger, Dirigent und Komponist Edvard Moritz das Ensemble mit jüdischen Musikern. Mit ihnen musizierten Solisten wie die Geigerin Herta Kahn, die Sopranistin Ilse Urias, die im April 1939 nach Chile fliehen konnte, der Cellist Jakob Sakom, an den ein Stolperstein vor der Hamburger Laeiszhalle erinnert. Er soll 1941 in einem Wald in Litauen mit Tausenden anderer Juden von der SS erschossen worden sein.
Das Jüdische Kammerorchester Hamburg finanzierte sich damals durch einen Spendenfonds und gab in vier Monaten vier Konzerte. Drei weitere Auftritte konnten nicht mehr realisiert werden. Als die „Reichsmusikkammer“ im August 1935 jüdische Künstler mit Berufsverbot belegte, musste Edvard Moritz, geboren am 23. Juni 1891 in Hamburg, das Orchester auflösen. Im September 1937 konnte er nach New York fliehen, wo er am 30. September 1970 starb.
„Ich habe vor 15 Jahren von dem Jüdischen Kammerorchester Hamburg gehört und wollte es unbedingt wieder gründen“, sagt Pjotr Meshvinski. Die ersten Musiker fand er rasch, es ist die eigene Familie. Ehefrau Natalia Alenitsyna spielt Violine und Viola, der 16-jährige Sohn Emanuel Meshvinski ebenfalls, und Schwägerin Anna Alenitsyna-Herber ist Pianistin. „Jetzt suchen wir weitere Musikerinnen und Musiker für unser Kammerorchester“, sagt Pjotr Meshvinski. Außerdem sucht er Sponsoren und will einen Freundschaftsverein für das Ensemble gründen. „Durch Mitgliedsbeiträge und Spenden sichern wir die Zukunft des Orchesters“, sagt der Cellist.
Pjotr Meshvinski und seine Ehefrau Natalia Alenitsyna studierten in St. Petersburg und am Moskauer Tschaikowsky-Konservatorium. 1991 nutzten sie die Chance, als Kontingentflüchtlinge nach Hamburg zu emigrieren und studierten an den Hamburger und Kölner Musikhochschulen.
In ihren Familien war Musik seit jeher wahrlich tonangebend, und auch sie geben ihre Liebe zur Musik an ihren Sohn weiter. Der 16-jährige Emanuel spielt meisterlich Geige und Bratsche und erhielt für sein exzellentes und durchdachtes Spiel begeisterten Beifall. Bereits als Dreijähriger erhielt er von seiner Mutter Geigen-Unterricht.
„Ich mache bald mein Abitur und will dann Musik studieren“, sagt Emanuel. Ein Geigen-Studium? „Vielleicht, lieber noch Filmmusik, aber das gefällt meinen Eltern nicht so gut“, sagt Emanuel und grinst verschmitzt.
Auch die Förderung von musikbegabten Kindern ist den Meshvinskis ein Anliegen. „Ich möchte mit dem Orchester eine Akademie für begabte Kinder aufbauen“, sagt Pjotr Meshvinski. Doch erst einmal will er mit seiner Familie das Jüdische Kammerorchester Hamburg etablieren.
 
Der Karten sind im Vorverkauf zu bekommen über die Touristinformationen Scharbeutz, Eutin, Timmendorfer Strand, Pelzerhaken und Sierksdorf, alle Pressezentren der Lübecker Nachrichten, der reporter, Neustadt, Druckatelier Schwarz, Neustadt, Konzertagentur Haase, Neustadt. (red)


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