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Reporter Eutin

„Es ist bis heute ein kleines Wunder”

Eutin (ed). Immer freitags um 12 setzen sich im Gemeindehaus an der Schloss-Straße zwischen 35 und 50 Menschen gemeinsam zu Tisch, die meisten davon haben an allen anderen Tagen der Woche nicht viel miteinander zu tun. Sie kennen sich vielleicht vom Sehen – aber freitags wird gemeinsam gegessen und geschnackt. Es ist der Eutiner Mittagstisch, der seit 18 Jahren all denen eine warme und vor allem gemeinsame Mahlzeit bietet, die sie sich vielleicht nicht leisten können oder die einfach nicht alleine essen wollen, ehrenamtlich und mit viel Herz gekocht von Eutinerinnen, den Kochdamen. Und einmal im Jahr treffen sich alle, die Kochenden und die Bekochten, im Seeschloss am Kellersee, um gemeinsam zu essen – gekocht und serviert wird von hiesigen Restaurants wie dem Uklei-Fährhaus, dem Fissauer Fährhaus, dem Landgasthof Kasch, Küchenchef ist Dehoga-Chef Harry Heinsen.
 

Und mittlerweile ist nicht nur der Mittagstisch eine feste Institution in Eutin. Auch das Weihnachtsessen ist eine echte Tradition geworden, eine, die erfüllt ist vom Geist der Weihnacht, so kitschig das auch klingen mag. Alle sitzen gemeinsam an schön gedeckten Tischen, die Kochdamen und diejenigen, die sie sonst bekochen – und unter ihnen der Mann, der für das alles verantwortlich zeichnet. Propst Matthias Wiechmann ist gekommen, um mitzuerleben, wie „sein“ Mittagstisch 18 Jahre alt wird. Er erzählt, er habe damals mit den HelferInnen der Eutiner Tafel gesprochen, die es bedauert hätten „nur“ Lebensmittel auszugeben. „Sie hatten den Eindruck, dass bei vielen der Bedarf da sei“, so erinnert er sich, „nach einer warmen Mahlzeit in Gemeinschaft. Und da die Tafel das natürlich nicht auch noch leisten konnte, dachten wir, dass die Kirche das vielleicht machen könnte.“
 
Schon nach dem ersten Aufruf im Gemeindebrief hatten sich 15 Frauen und Männer gemeldet, die ehrenamtlich kosten wollten – also wurde die Küche des Gemeindehauses erweitert und ausgebaut und Spenden gesammelt für die Zutaten. „Und schon damals gelang es den Kochdamen und -herren, mit ganz wenig Mitteln ein tolles Gericht zu zaubern.“ Heute sind es 25 ehrenamtliche Frauen, die abwechselnd in festen Teams mit vier bis sieben Mitgliedern jeden Freitag kochen. Die Bereitschaft, für den Mittagstisch zu spenden, sei in der Gemeinde immer noch groß, erzählt der Propst, der vor einigen Jahren in Ruhestand gegangen ist. „Es ist bis heute ein kleines Wunder, dass es diesen Mittagstisch gibt. Und es ist toll, dass die Dehoga ihn unterstützt – dieses Weihnachtsessen ist für viele der Höhepunkt des Jahres.“ Denn nur wenig später, nachdem der Mittagstisch ins Leben gerufen worden war, schaltete sich die Dehoga mit der Idee des Weihnachtsessens ein, die vom Mittagstisch gehört hatten. „Wir haben uns gefragt, was wir mal für die Kochdamen tun können“, erinnert Harry Heinsen sich, „und haben uns gedacht, wir laden einfach mal die zum Essen ein, die sonst immer selber kochen.“ Seither kochen die Eutiner und Malenter Gastronomen immer in der Vorweihnachtszeit für die Kochdamen und ihre Freitagsgäste. Ente gibt es natürlich, mit Apfelrotkohl, Rosenkohl und Herzoginkartoffeln, dazu ein mit Kirschen gefüllter Apfel, davor eine Sielbecker Kraftbrühe samt Einlage, danach Vanilleeis mit Zimtkirschen. Und natürlich Weihnachtsplätzchen zum Kaffee.
 
Ein echtes Weihnachtsessen eben. Und die Kochdamen sind zufrieden damit, wie es gekocht ist – da dürfen sich Harry Heinsen, Klaus Schlichting und ihr Team sich gern auf die Schulter klopfen, denn ihre Ansprüche zu erfüllen, ist nicht ganz einfach. Allesamt sind die Kochdamen gestandene Frauen, viele über 70, einige sogar weit über 80 Jahre jung – die meisten von ihnen kochen schon seit Jahren für den Mittagstisch. Und ganz offensichtlich hält das Kochen jung, denn keiner der Damen sieht man ihr Alter an. Sie sind vergnügt, aufgeschlossen und strahlen. „Es ist ein guter Tag, wenn man zum Kochen fahren kann“, sagt Gudrun Böttcher, und ihre Koch-Teamkolleginnen stimmen ihr zu. „Wir wollten etwas ehrenamtlich tun“, erklärt Ursula Sengpiel, „und das macht uns Spaß. Es erfüllt einen richtig, für die Menschen zu kochen.“ Natürlich sei es anstrengend, für so viele Leute zu kochen, aber das Teamwork sei super.
 
 „Jede weiß, was zu tun ist“, schmunzelt Renate Thode, „wir besprechen uns, was es geben soll, und dann wird gekocht. Fertig.“ In einer Liste tragen alle Kochteams ein, was sie zubereiten wollen, damit jede Woche was anderes auf den Tisch kommt – so gibt es mal Hackbraten, mal Steckrübeneintopf, mal Wurstgulasch oder Senfeier, oft gibt es Gemüseeintöpfe, die sind lecker, gesund und günstig. Mitessen darf wirklich jeder. Petra Schirmer, die freitags immer ihre Mutter in Eutin besucht, ist mittlerweile ein regelmäßiger Gast – sie habe von dem Mittagstisch gehört und sei einfach mal hingegangen. „Ich finde es toll, dass hier jeder herkommen darf“, sagt sie, „die Damen kochen super und die Gesellschaft ist nett, das macht einfach Spaß.“ Willkommen sind beim Mittagstisch wirklich alle – vom durchreisenden Wohnungslosen bis zur reichen Witwe, die nicht allein essen will. Für viele der Freitagsgäste aber sei das warme Essen am Freitag das einzige in der Woche, so Propst Wiechmann, „und warmes Essen ist wichtig, genauso wie nicht allein zu sein.“ Und wichtig ist es auch, Wertschätzung und Dank zu erfahren – wie sie die Dehoga Jahr für Jahr auf besonders liebevolle und köstliche Weise den Kochdamen zukommen lässt.


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