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Damit aus Buchstaben Geschichten werden können

Ein gutes Lese-Team: Aliyah und Ingolf Jenß.

Ein gutes Lese-Team: Aliyah und Ingolf Jenß.

Eutin (aj). Am frühen Dienstagnachmittag, wenn in den meisten Klassenräumen der Gustav-Peters-Grundschule an der Blauen Lehmkuhle die Stühle schon hochgestellt sind, haben Aliyah und Ingolf Jenß allwöchentlich einen festen Termin. Dann nämlich tauchen die Neunjährige und ihr Lese-Mentor ein in die Welt der Geschichten: „Das macht Spaß“, sagt Aliyah, denn sie mag Geschichten, wie alle Kinder. Und Ingolf Jenß hilft ihr dabei, das Lesen so zu trainieren, dass sich die Buchstaben bald wie von selbst aneinanderfügen und zu Worten werden. Denn so aufgeweckt und klug Aliyah ist, beim Lesetraining tut ihr Unterstützung gut. Mit Reinhold Jenß hat sie dafür einen erfahrenen Leselernhelfer an ihrer Seite: Seit drei Jahren engagiert sich der Bosauer bei der Mentor-Initiative, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Lese- und Sprachkompetenz von Kindern so zu verbessern, dass die Grundlage für einen sicheren Umgang mit Sprache gegeben ist. In Abstimmung mit den Eltern und Lehrkräften wird ein Kontakt zwischen MentorInnen und Kindern hergestellt, die beim Lesenlernen eine zusätzliche Begleitung gut brauchen können. Mindestens ein halbes Jahr lang wird dann ein- bis zweimal wöchentlich gelesen, die Kontinuität ist maßgeblich für den Lernerfolg: „Am Anfang geht es darum, das Vertrauen der Kinder zu gewinnen“, erklärt Ingolf Jenß. Er betreut gleich zwei Kinder, „damit sich der Weg nach Eutin lohnt“, wie er erklärt. Mit Aliyah vertieft er sich nach der Begrüßung in die Abenteuer von Hexe Lilli. Das Mädchen liest vor, konzentriert und mit dem Finger unter Zeile. Jenß stellt Fragen zum Inhalt, weist auf geduldig auf die richtige Betonung hin, hilft Aliyah dabei, hinter den Buchstaben die Wörter zu erkennen. Zwischendurch schauen sich die beiden die Illustrationen an, sprechen über das Gelesene und zweierlei ist zu spüren: Dass diese Stunde Aliyah viel abverlangt und dass sie ihr viel Freude macht. „Hexe Lilli“ ist ihr Buch, sie hat es für die Lesestunden ausgesucht: „Und manchmal lesen wir in der Kunterbunten Kinderzeitung, das gefällt mir auch“, erzählt sie. Die Zeitung gehört zu den Materialien, die den MentorInnen zur Verfügung gestellt werden.
Im Kreis Ostholstein koordiniert Hans-Peter Birkner die MentorInnen, insgesamt 90 sind es, 25 von ihnen sind Eutin aktiv: „Hier haben wir die Grundschule mit drei Standorten, es gibt einen großen Bedarf. Da könnten wir sehr gut Verstärkung gebrauchen“, so Birkner. Die Schulen werden von Bürgerstiftung Ostholstein entsprechend ausgestattet, die auch die Werbung der Freiwilligen übernimmt. In Eutin, Oldenburg, Neustadt, Schönwalde, Timmendorfer Strand und bald auch in Scharbeutz begleiten Männer und Frauen Kinder als MentorInnen auf dem Weg zum guten Lesen. Pädagogische Erfahrung ist dafür nicht vonnöten. Wer die Verantwortung für einen jungen Menschen verlässlich übernehmen möchte, sich auf die 1:1-Betreuung einlassen kann und selbst gern liest, kann nach einer Einführungsveranstaltung LeselernhelferIn werden.
Ingolf Jenß ist über das Lesen zu seinem Ehrenamt als Mentor gekommen: „Es stand ein Artikel in der Zeitung“, erinnert er sich. Der pensionierte Unternehmensberater weiß aus eigener Erfahrung, wie Lesen den Horizont erweitert: Auf seiner Liste stehen Sachbücher zum Schulsystem genau wie Balladen, ein Herkunftswörterbuch und natürlich Kinderbücher. Es ist eine lebenslange Leidenschaft für den 80jährigen: „Ich habe kein Abitur und wollte immer wissen, was man da gelernt hätte“, meint er augenzwinkernd zur Erklärung. Um diese Begeisterung an Aliyah weiterzugeben, untermalt er schon mal gestenreich die Handlung des Buchs um „Hexe Lilli“ und verrät, wenn es passt, Insiderwissen aus seiner eigenen Kindheit: „Ich konnte als Kind fünf Treppenstufen auf einmal herunterspringen“, erzählt er der Zweitklässlerin und erhält zur Antwort: „Meine Schwester schafft drei!“ Ein Kapitel noch, dann haben die beiden das Buch durch. Und danach? Warten neuen Geschichten.
Wer ein Kind als Mentor beim Lesenlernen unterstützen möchte, kann gern über die Bürgerstiftung Ostholstein Kontakt aufnehmen unter der Telefonnummer 04383 - 9895 oder via Email an mentor@buerger-stiftung-ostholstein.de Besonders groß ist der Bedarf an Freiwilligen in Eutin.


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