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Reporter Eutin

Weil wir die Kunst brauchen

Eutin (aj). Nur eine Handvoll geladener Gäste, darunter die beiden Preisträgerinnen; Fotografen und schreibende Zunft in gebotenem Abstand im großen Ausstellungsraum verteilt und statt froher Erwartung ein zages Hoffen auf eine Öffnung im Januar: Die Eröffnung der 67. Landesschau des Berufsverbandes Bildender Künstler Schleswig-Holstein war ein wahres Auf und Ab der Gefühle. Auf der einen Seite die schmerzlich und unmittelbar spürbare Lücke, die der Verzicht auf Kulturerlebnisse wie einen Museumsbesuch bedeutet. Auf der anderen Seite die begeisternde Vielfalt und Ausdrucksstärke der 535 gezeigten Arbeiten und mit Katrin Magens und Eugenia Bakurin zwei beeindruckende Künstlerinnen, die für ihre Werke und ihr Wirken im Rahmen der Vernissage ausgezeichnet wurden. „Der verratene Teppich“ heißt die Videoinstallation, die Eugenia Bakurin den Förderpreis der siebenköpfigen Jury für KünstlerInnen unter 35 Jahren einbrachte. Der Titel ist eine Anspielung auf das berühmte Werk „Die verratenen Bilder“ von René Margritte aus dem Jahr 1929, das eine Pfeife zeigt und die Aufschrift trägt „Dies ist keine Pfeife“. Auch der Teppich von Eugenia Bakurin spielt mit der Beziehung von Schein und Sein. Ihr am PC entstandener Wandbehang ist kein Teppich und ist es doch. Die Künstlerin, deren familiäre Wurzeln in Kasachstan liegen, verbindet das traditionelle Handwerk der Teppichmacherei mit moderner künstlerischer Technik: „Ich hatte vor gut einem Jahr die Idee, das zu verknüpfen“, erklärt die junge Frau. In ungezählten Arbeitsstunden brachte sie die typischen Muster und Ornamente am Computer zusammen. Der Teppich aber ist, wie der Titel erahnen lässt, keine bloße digitale Nachbildung. Ihre faszinierende Wirkung entfaltet die Installation in einer zunächst kaum wahrnehmbaren Veränderung. Farben und Formen fließen, der Teppich befindet sich in einer steten Binnen-Bewegung. Gleichzeitig stellt die Neuinterpretation des Wandschmucks, der für Behaglichkeit und Heimeligkeit steht, die Frage, inwieweit sich das Leben und damit nicht zuletzt Gefühle digitalisieren lassen. Ein Aspekt, der in Zeiten stark eingeschränkter Nähe unerwartet aktuell ist. Davon sind natürlich auch die Künstlerinnen und Künstler betroffen: „Der Verlust des Austausches wird uns lange verflogen“, so der Vorsitzende des BBK-SH, Anders Petersen, in seiner Ansprache. „Als Gesellschaft müssen wir, formuliert in Erinnerung an Willy Brandt, mehr Kunst wagen“, so Petersen. Auch der anwesende Staatssekretär für Kultur des Landes, Dr. Oliver Grundei, hoffte, dass das Interesse an der Kunst wachse.
Die Schau im OH-Museum macht in jedem Fall die Relevanz der Kunst anschaulich. Sie lädt gleichermaßen ein, in Malerei, Grafik, Skulptur, Fotografie und Installation zu schwelgen, wie auch punktuell vertiefend in ein Werk einzutauchen. Vielschichtigkeit ist ein Charakteristikum der Arbeiten der Preisträgerin der Landessschau: Die Freude über die Auszeichnung leuchtete in Katrin Magens‘ Gesicht: „Ich war überrascht und sehr erfreut“, sagt die Künstlerin, die Eindrücke, Erlebnisse und Geschehnisse in Tagebüchern sammelt und bewahrt und daraus vorwiegend Holzschnitte und Zeichnungen entstehen lässt. Seit 1996 füllt sie jedes Jahr ein dickes Buch. „Herztage“ heißt der vierfarbige Holzschnitt, mit dem sie in der Landesschau vertreten ist. Davor: Eine Blackbox-Skulptur und damit die Frage: Wie sind Innen und Außen miteinander verwoben? Die Auseinandersetzung mit ihrem Werk überlässt die Künstlerin ganz den Betrachtenden. Dass die Kunstwerke in ihrem Gehalt wirken können, dass aus den vielen Einzelbeiträgen eine Ausstellung wird, ist der sensiblen Hängung geschuldet. Gemeinsam mit Museumsleiterin Dr. Julia Hümme und dem BBK-Mitglied Atif Gülucü war Monika Rathlev dafür verantwortlich. Der Dialog zwischen der Jury-Vorsitzenden, die seit 25 Jahren im BBK-SH Mitglied ist, und dem Mitstreitenden hat im Ergebnis neue Perspektiven und neue Facetten der Werke hervorgebracht. Dass in diesen Austausch nach dem 10. Januar bis zum Ausstellungsende am 31. Januar 2021 ein großes interessiertes Publikum direkt einbezogen werden kann, hoffen alle Beteiligten. Bis es so weit ist, soll die Schau virtuell besucht werden können, kündigte Landrat Reinhard Sager an.


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