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Reporter Eutin

Die ältesten Flaschen von Plön... ... sind echte Museumsschätze

Plön (los). „Plopp“, „Prost!“- und „Ah!“. Der typische Dreiklang im Norden erklingt meist da, wo man entspannt vor sich hin „flenst“. Und das passiert vornehmlich in der warmen Jahreszeit. Verknüpft mit diesen oder ähnlichen Geräuschen hat der Gerstensaft seine Fangemeinde erobert und im Orbit der Bierfreunde sogar Weltgeschichte geschrieben. Und somit auch im Plöner Kreismuseum mit norddeutscher Glassammlung einen Platz erhalten - nicht des Inhalts, sondern der Flaschen wegen. Aber so ganz ist das thematisch ja ohnehin nicht zu trennen, und somit rückt die Bierflasche als Museumsschatz einmal „ganzheitlich“ betrachtet in den Blickpunkt.
Just hat sich der Jahrestag für ein bestimmtes Flaschendesign gejährt: „Am 1. Mai 1880 verkündete nämlich die Flensburger Actienbrauerei, sie werde künftig nur noch braune Bierflaschen mit dem Firmenstempel FABG in Umlauf bringen“, erzählt Museumsleiterin Julia Meyer. Ein Grund zum Zuprosten: Denn diese Siegelflasche ging als „älteste bekannte Aktienbrauereiflasche in die Sammlergeschichte ein“.
Erst fünf Jahre zuvor – also 1875 – waren die ersten Flaschenbiere der Actienbrauerei neu in den Handel gekommen, „auch in weißen Flaschen, die mit Korken verschlossen waren“, weiß die Kunsthistorikerin. Bezogen worden seien diese noch von der Glasfabrik Rönneberg, die sich in Flensburg in der Apenrader Straße befand. „Hinsichtlich der Qualität bezüglich Form, Farbe und Größe hat es jedoch Kritik gegeben“, erzählt sie. Mit Blick auf die Bierqualität wird deutlich, dass ein dunkel gehaltenes Glas, das wenig Licht durchlässt, für die Hersteller ein wichtiges Kriterium ist. Und darum sei die weitere Zusammenarbeit mit einem Flaschenhersteller in Dresden ab da erfolgt.
Für die nötige Kühlung des Biers, die nicht minder den Geschmack beeinflusst, wurde viel Aufwand betrieben, vor allem im warmem Sommer. Notgedrungen, „denn Kühltechnik wie heute war noch nicht erfunden worden“, erklärt Julia Meyer. Umso wichtiger sei die Einrichtung von Eislagern gewesen (Einrichtungen dieser Art waren in Plön noch in der Nachkriegszeit in Gebrauch). Dort wurden Vorräte mit natürlichem Eis gebunkert. Im kleinen Stil taten es auch bürgerliche Haushalte, die dafür eigene Eiskeller auf ihrem Grundstück nutzten.
Eine witterungsabhängige Vorratshaltung. Die Flensburger Biermacher konnten sich dieses Eis „zum Beispiel aus Teichen in der Umgebung“ besorgen, berichtet Meyer. Das klappte auch, zumindest in kalten Wintern. Herrschte aufgrund zu milder Temperaturen Mangel, „wurde Eis wo es noch verfügbar war aufgekauft und später sogar aus Norwegen auf dem Seeweg eingeführt“, erzählt sie. Man ließ sich in der fortschreitenden Industrialisierung jedoch einiges einfallen: Schon ein Jahr nach Festlegung des Flens-Flaschen-Prototyps, also 1882 sei eine „moderne“ Eismaschine für das beliebte Getränk angeschafft worden. Und diese erwies sich sogar als erstaunlich leistungsfähig. „Die Maschine soll stündlich 500 Kilogramm erzeugt haben können.“ Damit bewegten sich die Macher ganz am Puls der Zeit: Die von Carl Linde 1871 erfundene Kältemaschine war gerade erst 1877 erstmals in einer Brauerei eingesetzt worden.
Man ging an der Förde sogar noch einen Schritt weiter mit den technischen Fortschritten in dieser Zeit: So sei bald darauf noch eine Flaschenspülmaschine angeschafft worden, ergänzt Julia Meyer.
Findige Tüftler erfanden dann auch noch den Bügelverschluss für die Bierflaschen. Auch andere Brauereien wie die „Actienbrauerei zur Eiche Kiel“ verwendeten diese Verschlüsse. Seit 1888 ertönt demnach das beim Öffnen erzeugte verführerische „Plopp“. Klein, aber oho: Gerade dieses kleine Detail, das der Wiederverwertung des Verschlusses wie auch der Flaschen dient, zudem das kleckerfreie Transportieren der angebrochenen Flasche ermöglicht und ein Eindringen unvorsichtiger Insekten verhindert, gilt als technische Meisterleistung und ist im Gegensatz zum einmal verwendbaren Kronkorken, der 1890 erfunden wurde, ein hochkomplexes Etwas. „Zuvor waren wie beim Wein die Flaschen noch mit Korken geschlossen worden“, erzählt Julia Meyer, die als einen der ältesten Funde eine solche Bierflasche aus dem Bothkamper See (bei Kirchbarkau) im Archiv aufbewahrt. Diese antike Buddel war um 1800 leergetrunken worden.
Im 18. Jahrhundert sind Flaschen erstmals mit Hilfe einer Form manuell hergestellt worden, während die Glasmacher die Gefäße zuvor noch von der Glasbläserpfeife hatten blasen müssen. Die Methode ist um 1730 erstmals angewendet worden.
Der bislang älteste Bierflaschen-Fund, der 1953 an der englischen Küste geborgen wurde, soll in der Zeit vor 1720 hergestellt worden sein. Wie verbreitet diese Kunst damals schon war, lässt sich schwer einschätzen.
Hunderte Flaschen legen im Museum davon Zeugnis ab, wie vielfältig die „Bierlandschaft“ in der Region einmal war, als es noch zahlreiche kleine Brauereien wie zum Beispiel die Preetzer Bergbrauerei gegeben und sich fast jeder Privathaushalt auf die Herstellung verstanden hat. Schriftliche Zeugnisse wie das 1732 begonnene Rechnungsbuch der „löblichen Schützen-Gilde in Plön“ bieten Einblicke in Bier relevante Sitten und Gebräuche in damaliger Zeit. So findet sich auf der Seite 9 unter „Ausgaben“ ein Hinweis auf die Verwendung von Muskat. Diese teure Zutat wurde von den Plönern jedoch nicht zum Würzen von Wein verwendet, wie man analog zum Muskatellersalbei annehmen könnte, sondern von Bier, erzählt Julia Meyer, die dieses Buch im Museumsarchiv aufbewahrt.
Dazu muss man wissen, dass sich die Muskatnuss gerade in der Barockzeit größter Beliebtheit erfreute. In großer Bandbreite fand das kostbare Gewürz in Speisen und Getränken Anwendung, es wurde als Heilmittel gegen alles Mögliche sowie sogar als Liebesdroge angesehen. Der Konsum: Eine Frage des Geldes und Wohlstandes.
Wird die Muskatnuss allerdings in größeren Mengen konsumiert, können durch enthaltene Phenylpropanderivate auch Halluzinationen auftreten. Zudem kann bei Missbrauch die Leber Schaden nehmen.
Abgesehen davon spielte Salbei tatsächlich auch bei der Bierherstellung, nicht nur der von Muskateller-Weinen eine Rolle.
Das Wort Muskat ist gleichbedeutend mit „Moschus“ und macht deutlich, wie hoch der Wohlgeruch der vermeintlichen Nuss sowie ähnlich duftender Pflanzen geschätzt wurde. Das bezeugt zum Beispiel auch die Gattung Muscari, unter der die Arten der Traubenhyazinthe zusammengefasst sind. Eigentlich handelt es sich um den Kern einer Baumfrucht, die tatsächlich eine Beere ist, dabei aber einem hellen Pfirsich ähnelt. Andererseits gilt selbst der Kürbis als Beere, wobei auch unter diesen Pflanzen der Muskatkürbis als besondere Delikatesse gilt.
Generell wurde das Muskatgewürz, obgleich man es schon seit Jahrhunderten kannte, erst im 18. Jahrhundert zum wahren König der Küche, zunächst in Frankreich. Dann landete es quer durch das barocke Europa in den Kochtöpfen. Smart sollen es die Engländer getrieben haben: Sie schleppten offenbar nicht nur ihre eigenen Nüsse, sondern auch schicke Muskatschaber mit sich herum, um nicht womöglich Muskat-frei essen zu müssen (one never knows...). Darüber hinaus kam die gewünschte Prise des Gewürzes auch in den britischen Glühwein – und in heißes Bier.
Der sächsische königliche Hofgärtner George Meister - vielleicht der erste deutsche Spezialist für den Gartenbau in Ostasien – betonte zudem die medizinischen Vorteile bei der Anwendung. Die Nuss, schrieb er 1692 auf, solle „das Gehirn stärken, das Gedächtnis schärfen, den verdorbenen Magen erwärmen und stärken, die Flatus vertreiben, einen guten Atem machen, den Urin abtreiben, die rote Ruhr stopfen, summa, vor allerlei Gebrechen des Haupts, Gehirns, Magens, Leber und die Mutterbeschwerung“.
Vor diesem Hintergrund ist es vielleicht doch nicht so erstaunlich, dass die Plöner Schützen mit der angesagten Mode mithielten und viel Geld für das damals so teuer gehandelte Gewürz ausgaben, um ihr Bier damit zu berieseln – was genau so auch geschehen ist. Bekanntlich entfaltet die Muskatnuss auf diese Weise das beste Aroma.
Damit es mit der Bereitstellung des Gerstensaftes im übrigen zufriedenstellend klappte, wurden Regeln unter anderem auch dafür erlassen.
Im 46. Artikel der „Schützen-Ordnung“, die „im Jahre 1703“, ein Jahr vor dem Tod des Plöner Herzogs und Gildebruders Hans (Johann) Adolf in Druck gegangen ist, wird festgehalten: „Sollen auch alle Jahr zween Schaffers – als einer aus der Stadt und einer vom Hofe – nach dem Alter, wie sie ins Gildebuch eingeschrieben, erwehlet werden, welche fleißig acht zu geben haben, dass es mit dem Bier und sonsten – zu der Gilde besten – alles richtig und wol zugehe. Für solche Mühe sie dann das folgende Jahr mit der Gildemeister-Stelle regaliret werden sollen.“ Es durfte auch nicht irgendeine Hausmarke ausgeschenkt werden. So wird im 47. Punkt noch hervorgehoben: „Weilen auch in Anno 1699, den 30sten Junii, laut der alten Rolle beliebet werden, dass, umb nicht vielerley, sondern gut Bier im Gilde zu haben, solches nur von zween Brauern, als einem aus dem Rathe, und einem aus der Bürgerschafft ... gebrauet und genommen werden soll... Zu(r) ... Festhaltung aller ... Articulen haben nicht allein Bürgermeister und Rath, nebst denen Gilde-Herren, sondern auch die sämtlichen Gilde-Brüder, diese Gilderolle eigenhändig unterschrieben. Geschehen Plön den 27. Junii, Anno 1703.“


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