Seitenlogo
Reporter Eutin

„Projekt pro Insekt“

Rastorf (los). Der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein LBV.SH bekennt Farbe beim „Straßenbegleitgrün“. Dort soll im Rahmen eines Pilotprojekts mit der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein die biologische Vielfalt gefördert werden. Auch dem Rastorfer Kreuz blüht was in 2023. Am 19. Januar haben LBV-Auszubildende Saatgut des Klappertopfs ausgebracht. Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen und LBV.SH-Vizedirektor Frank Quirmbach haben die Aktion begleitet.
Es ist ein zukunftsweisendes Projekt für mehr Biodiversität. Das Aussäen des Klappertopfs am Rastorfer Kreuz als Auftakt landesweiter Aktionen soll Insekten eine Lebensgrundlage am Straßenrand verschaffen. Insgesamt zielt die Ansiedlung der kleinen Pflanze mit den goldgelben Blütenkerzen auf eine Zunahme an Artenvielfalt. „Die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein sorgt mit unserer Hilfe für mehr Hummeln, Bienen und andere nützliche Insekten an den Straßen“, wirbt Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen für die Aktion.
„Insekten-Tankstellen“ am Straßenrand
In 2023 sollen rund 250 Kilogramm Klappertopf in ganz Schleswig-Holstein zwischen List und Lauenburg und von Meldorf bis Fehmarn ausgesät werden. Genutzt werden dafür Flächenbereiche im sogenannten „Straßenbegleitgrün“. Der frühe Aussaattermin im Jahr ist notwendig. Wie bei zahlreichen anderen Spezies erfolgt die Keimung erst durch den winterlichen Kältereiz auf das Saatgut. Dieses entwickelt sich in kleinen Kapseln, die von der abgeblühten Pflanze gebildet werden. Bewegt der Wind die trockenen Samenstände der Wiesenblume, erzeugen sie ein leises Klappern, auf das der Name der Pflanze gründet.
Nahrung finden „neben der Spur“
In Zusammenarbeit mit der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein hat der LBV.SH bereits vor drei Jahren damit begonnen, landesweit die Grünstreifen an ausgewählten Standorten entlang der Straßen insektenfreundlich umzuwandeln. Blühende Arten wurden nicht nur an Autobahnen und Bundesstraßen, sondern auch Landes- und Dorfstraßen sowie Feldwegen angesiedelt. Damit beteiligt sich die Straßenbauverwaltung mit der Stiftung Naturschutz SH an der Förderung der biologischen Vielfalt. Für Madsen, der am Rastorfer Kreuz das Saatgut zusammen mit dem Auszubildenden der Straßenmeisterei Klausdorf (Schwentinental) Till Sander, LBV.SH-Vizedirektor Frank Quirmbach und Ute Ojowski, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Stiftung Naturschutz SH, ausbrachte, ist das gemeinsame Pilot- auch sein Herzensprojekt: „Der Klappertopf tut unheimlich viel für die heimische Biodiversität“, hob er hervor. Schon im Mai 2023 könnten sich am Rastorfer Kreuz die ersten Blüten des Klappertopfs öffnen. Bis September blüht die Pflanze durch. Von Bedeutung ist sein relativ gutes Nektar-, vor allem aber sehr gutes Pollenangebot. Den Eiweiß enthaltenden Pollen nutzen Insekten für sich und ihre Larven als überlebenswichtigen Vorrat. Mit dem Verlust blühender Wildpflanzen in der Natur fehlt es ihnen jedoch an Nahrung. Die Aussaat von Klappertopf soll dem Trend entgegenwirken. Die Blume wird unter anderem von Faltern wie Schmetterlingen als auch Wildbienen, zum Beispiel Acker-, Stein- und Erdhummeln angeflogen. Für die Selbstaussaat und damit neue Generation Klappertopfpflanzen im nachfolgenden Jahr müssen die Samen erst zur Reife kommen und die Mahd einer Wiese auf diesen Zeitpunkt abgestimmt werden (frühestens Ende Juli). Erst wenn die Samenstände trocken werden, sind die Samen ausgereift und (nach winterlicher Kälteeinwirkung) auch keimfähig.
Einsatz mit „Win-Win-Effekt“
Zumeist beherrschen durchsetzungsfähige Gräser die Vegetation an Straßenrändern, Parkplätzen oder Lärmschutzwällen. Der nur einjährige Klappertopf hat langfristig jedoch Einfluss auf die Zusammensetzung der Arten. Denn als Halbschmarotzer entzieht die Pflanze dem Gras Wasser und Nährstoffe. Von der Schwächung des Grases profitieren ihre Nachkommen, die im Frühjahr zu keimen beginnen. Und sogar die Straßenmeisterei: Wo sich das Wachstum der Gräser verlangsamt, muss weniger gemäht werden, was eine Ersparnis an Arbeitseinsatz, Kosten und Energie bedeutet. Voraussetzung ist zunächst die Investition in das Saatgut: Ein Kilogramm Klappertopf-Saaten schlägt nach Angaben des Ministeriums mit über 300 Euro zu Buche. Von der zu erwartenden Etablierung der Pflanze profitieren auch andere Spezies. Der Effekt ist gewünscht: „Der Klappertopf sorgt dafür, dass sich im Straßenbegleitgrün mehr Kräuter, Gräser und Wildblumen ansiedeln können“, erläuterte der stellvertretende LBV.SH-Vizedirektor Frank Quirmbach bei der Aussaataktion. „Mit dieser Aussaat engagieren wir uns für die heimischen Insekten, die dann an den Blühpflanzen mehr Nahrungsquellen neben unseren Straßen finden werden“. Die Umweltexperten des Landesbetriebs hätten das Konzept zur Steigerung der Biologischen Vielfalt mit der Stiftung Naturschutz SH weiterentwickelt und die Nachwuchskräfte gut geschult.
Bereits 2022 haben die 22 Straßenmeistereien des LBV.SH Saatgut der Wildpflanze ausgebracht und diese auf rund 100 Hektar eingesät. Die Fläche entspreche etwa 500 Kilometern Straßenrand, die künftig als „Insekten-Tankstellen“ die Lebensbedingungen verbessern sollen. „Ein Projekt mit bundesweiter Strahlkraft: Wir verwandeln die Straßenränder Stück für Stück in bunte Biotope“, unterstrich Ute Ojowski, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Stiftung Naturschutz SH. Dabei dürfe das riesige Potenzial der Straßenbegleitgrünflächen nicht unterschätzt werden. „Sie haben zusammen genommen in etwa die Flächengröße aller Naturschutzgebiete in Schleswig-Holstein.“
Das gemeinsame Naturschutz-Projekt von Stiftung, dem LBV.SH und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat ein Volumen von rund 1,5 Millionen Euro und wird vom Bundesamt für Naturschutz gefördert. Die LBV.SH betreut 7.600 Straßenkilometer in Schleswig-Holstein, wo das „Projekt pro Insekt“ Stück für Stück umgesetzt werden soll. Das Straßenbetriebsdienstpersonal und die künftigen Straßenwärter wie auch Till Sander von der Straßenmeisterei Klausdorf wurden über die insektenfreundliche Pflege der Flächen einschließlich des Mähens informiert, geschult und vorbereitet.


Weitere Nachrichten aus Plön/Preetz

UNTERNEHMEN DER REGION

Meistgelesen