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Reporter Eutin

Vom fragenden Blick bis zum fröhlichen Tanz

Kiel/ Gaarden (kud). Die Stühle sind alle besetzt. Viele Konzertbesucher wissen noch nicht recht, was sie davon halten sollen, hier zu sein. In der Wohngemeinschaft für an Demenz erkrankte Menschen herrscht leichte Verunsicherung. Viele haben einen Angehörigen dabei. Die Musikgruppe „Godewind“ macht sich derweil startklar und greift zu den Instrumenten. Dann geiht`s los und verändert Gesichter.
Sven Zimmermann, Gitarrist, ist nicht zum ersten Male in der Wohngemeinschaft für an Demenz erkrankte Menschen in Kiel-Gaarden. Er ist auch Fotograph und will eine Fotoreihe machen über das Thema „ Gesichter der Demenz – anders aber glücklich“. So nahm alles seinen Anfang. Jetzt sitzt er hier mit einer Gitarre in der Hand, gemeinsam mit seinen Musikfreunden, die seit 40 Jahren Menschen im gesamten deutschen Norden, aber auch bundesweit mit platt- und hochdeutschen Liedern begeistern. Ihnen gegenüber in der WG der Diakonie: Menschen, die an einer Krankheit leiden, die jeden treffen kann: Demenz.
Die Musiker beginnen mit Klängen, die alle kennen, die vielleicht nicht wissen, wer „Godewind“ ist, deren Lieder aber sehr wohl kennen. Und plötzlich geschieht es: Erkennen und Freude blitzt in den Augen ihrer Zuhörer auf. Die ersten singen zaghaft mit. Ja! Diese Verse kennen sie. Plattdeutsch gehört zu Schleswig-Holstein. Eine wohlige Stimmung macht sich breit. Angehörige schauen verblüfft und genießen.
„Godewind“ nimmt die neue Stimmung auf, stimmt „Dat du min Levesten büst“ an. Bei den Menschen ihnen gegenüber erhellen sich Gesichter, Münder öffnen sich und singen ganz selbstverständlich mit. Das Lied kennen sie, die Worte haben sich in Kindheit und Jugend eingeprägt. „Godewind“ nimmt Fahrt auf. „Da geht noch mehr an Erinnerung.“ Stimmt. Alle Lieder, die diese Gruppe einst bekannt gemacht haben, erscheinen – als Lied oder in einem Medley. Zunehmend strahlendes Lächeln wandert durch die Reihen, Hände finden sich zu herzlichem und dankbarem Applaus. Ingrid Fritsch, Teamleitung, greift sich eine Bewohnerin und beginnt mit ihr zu tanzen. „Godewind“ ist fasziniert und holt alles aus dem Repertoire, das dem Gedächtnis auf die Sprünge hilft. Keine 30 Minuten dauert es, dass zwischen Bewohnern und Angehörigen alte Erinnerungen auftauchen, ein zum Teil lebhafter Austausch beginnt, manchmal „nur“ ein glückliches Lächeln. Weitere Paare landen auf der Tanzfläche. Der Fotograph Zimmermann, seine Gruppe, Angehörige, Erkrankte – sie verbringen einfach nur eine schöne Zeit mit Erinnerungen, die für Menschen, die an Demenz erkrankt sind, so wichtig ist.
In der WG haben kluge Mitarbeiterinnen viel Musik gesammelt von „Godewind“. Sie wissen, dass diese Gruppe viele Menschen durch ihr Erwachsenenleben begleitet hat. Aber: Es ist natürlich immer etwas anderes, denen, die diese Musik in vier Jahrzehnten weitergetragen haben, persönlich gegenüber zu sitzen. Dabei erwacht vieles von „gestern“.
Die „Godewind“-Truppe (Anja Bublitz, Heiko Reese, Shanger Ohl, Sven Zimmermann) lässt sich von der wachsenden Begeisterung anstecken. Dieses Konzert werden die Musiker nicht so shnell vergessen.


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