Auf der Suche nach Hinterbliebenen

Reporter Eutin 698

Eutin (hr). Im zweiten Weltkrieg wurden Millionen von persönlichen Gegenständen von KZ-Häftlingen beschlagnahmt. Viele dieser sogenannten Effekten werden inzwischen von den Arolsen Archives aufbewahrt, deren Ziel es ist, die Angehörigen der Opfer ausfindig zu machen und die Effekten zurückzugeben. Mit der Freiluft-Wanderausstellung #StolenMemories wollen sie auf ihre Arbeit aufmerksam machen und hoffen auf Unterstützung bei der Suche nach Angehörigen. Gefördert wird die Ausstellung im Rahmen der Fördermaßnahme „Kultur in ländlichen Räumen“ und wird in 20 Orten in ganz Deutschland zu besichtigen sein.
 

1984 gründeten die Aliierten den International Tracing Service (ITS), der vor allem im Krieg getrennte Familien wieder zusammenführen sollte. Als Sitz der Organisation wurde Bad Arolsen in Hessen gewählt, eine kleine Stadt zwischen den Besetzungszonen, in der die Infrastruktur noch gut erhalten war. „Lange Zeit waren wir nur bei den im Krieg Verfolgten bekannt“, erzählt Anke Münster, Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Arolsen Archives. In den 1960er Jahren wurden dann die Beschlagnahmten Effekten aus verschiedenen Konzentrationslagern, darunter Dachau, Buchenwald und Neuengamme, an das ITS übergeben, mit der Auflage, diese sofern möglich an die Angehörigen der Opfer zurückzugeben. 2019 benannte sich der International Tracing Service in „Arolsen Archives. International Center on Nazi Persecution“ um: „Wir wollten, dass aus dem Namen klarer hervorgeht, was wir eigentlich machen“, so Münster.
 

Noch immer können die Arolsen Archives rund 100 Effekten jährlich zurückgeben. „Vor kurzem war ich dabei, als wir einen Abschiedsbrief, den ein KZ-Häftling nicht mehr abschicken konnte, nach 70 Jahren an die Familie übergeben konnten - das war ein sehr emotionaler Moment“, sagt Münster.
Die Wanderausstellung #StolenMemories, die noch bis zum 07. Oktober auf dem Berliner Platz in Eutin besichtigt werden kann, ist unterteilt in die Kategorien „gefunden“ und „gesucht“: Auf der einen Seite des aufklappbaren Übersee-Containers, in dem die Ausstellung zu Hause ist, sind Bilder und Geschichten von Effekten, die bereits an die Angehörigen ihrer ehemaligen Besitzer vermittelt wurden, auf der anderen Seite von solchen, die noch immer auf ihre Rückgabe warten. Die einzelnen Namen und Effekten sind mit QR-Codes versehen, durch die mit der entsprechenden App Videos zu den Personen abgerufen werden können. Bislang ist die App nur für Android verfügbar, die Videos können aber auch direkt auf der Homepage der Arolsen Archives abgerufen werden. „Wir hoffen, durch das digitale Angebot auch besonders jüngere Menschen auf das Thema aufmerksam zu machen“, erklärt Münster.
 

Bürgervorsteher Dieter Holst, der die Ausstellung eröffnete, freut sich, dass die Arolsen Archives sich dafür entschieden haben, auch in Eutin auszustellen: „Es ist wichtig, dass wir uns damit auseinandersetzen, was damals passiert ist und ich glaube, dass man durch diese emotionalen Geschichten die Menschen auch wirklich erreichen kann.“ Besonders freue er sich über das Interesse der Eutiner Schulen, die das Angebot begeistert annahmen und bereits Klassenausflüge in die Ausstellung planten. „Es ist wichtig, gerade auch junge Menschen in das Thema einzuführen“, so Holst.
Für die Arolsen Archives war besonders die Nähe zu Hamburg reizvoll, um mit der Ausstellung in Eutin zu halten: „Wir haben noch viele Effekten aus dem KZ Neuengamme, außerdem sind zwei Menschen, die wir hier in der Ausstellung haben und deren Angehörige wir noch suchen, beim Untergang der Cap Arcona gestorben“, sagt Münster. Die Chance, hier in der Region noch Angehörige zu finden und Effekten zu vermitteln ist also gar nicht so gering.
Die Idee, sich mit Eutin als Station für #StolenMemories zu bewerben, hatte Stadtvertreterin Christiane Balzer, die sich als Fachbereichsleiterin für Allgemeinbildung an der Polizeischule in Eutin dafür einsetzte, dass die Schule als erste Polizeischule zur „Schule ohne Rassismuss, Schule mit Courage“ ernannt wurde. „Ich bin froh, dass die Stadt so schnell dafür zu begeistern war und die Ausstellung jetzt hier stattfinden kann“, so Balzer. Am 2. Oktober wird sie die Ausstellung mit dem ersten Jahrgang der Polizeischule in Begleitung der Landtagsvizepräsidentin Aminata Touré und Bürgermeister Carsten Behnk besuchen.