Wieso die Schlossaffen gar keine Affen sind

Reporter Eutin 1652
Keine Affen sondern Kynokephaloi: Zwei dieser Hundeköpfigen bewachen seit 1918 das Eutiner Schloss – ihre Vorbilder stammen aus dem alten Ägypten, wo sie als Sinnbilder des Gottes Thot verehrt wurden.

Keine Affen sondern Kynokephaloi: Zwei dieser Hundeköpfigen bewachen seit 1918 das Eutiner Schloss – ihre Vorbilder stammen aus dem alten Ägypten, wo sie als Sinnbilder des Gottes Thot verehrt wurden.

Eutin (ed). Der Lockdown hält an, das Wetter ist nicht so dolle und es wird noch dauern, bis wir wieder etwas erleben, wieder in Museen gehen, Kultur genießen können. Und weil wir eben zum Beispiel nicht ins Schloss gehen können, haben wir uns überlegt: Wir bringen das Schloss zu Ihnen. Dazu haben wir uns mit Historikerin und Schlossführerin Tomke Stiasny getroffen, die alles weiß, was man über das Schloss wissen kann. Sie hat uns die spannendsten, lustigsten, traurigsten, romantischsten und erstaunlichsten Geschichten erzählt – und diese Schlossgeschichten werden wir nun ab sofort Ihnen erzählen, um die Zeit zu überbrücken, um von den Besonderheiten zu berichten, um die eine oder andere Anekdote über Ihr Schloss zu erzählen, die Sie vielleicht noch nicht kennen. Und weil sie jeden empfangen, der das Eutiner Schloss besucht, legen wir gleich mal los mit den berühmten „Affen“, die links und rechts an der Schlossbrücke sitzen.
„Das sind nämlich gar keine Affen“, schmunzelt Tomke Stiasny und schickt uns nach Oldenburg in Oldenburg. „Wir sind Mitte des 19. Jahrhunderts im Schlossgarten in Oldenburg.“ Hier wird gerade ein Palais gebaut, und bei den Bauarbeiten graben die Arbeiter zwei Findlinge aus. Zur gleichen Zeit befindet sich der Hofbildhauer des Herzogs von Oldenburg auf seiner damals so üblichen Künstlerreise nach Rom – wir sind in der Zeit, in der die Begeisterung für alles Antike auf ihrem Höhepunkt ist. Die Zeit der Ausgrabungen beginnt, in London ziehen die Elgin Marbles (jene Marmorskulpturen, die Lord Elgin von Bauten der Akropolis in Athen „entnehmen“ ließ und an das British Museum verkaufte) Bewunderer in Scharen an. Und auch in Rom wird fleißig gegraben – unser Oldenburger Hofbildhauer (dessen Name leider nicht bekannt ist) kommt also zur rechten Zeit, um zu erleben, wie ein ägyptischer Isis-Tempel am Forum Romanum ausgegraben wird. Cleopatra, Königin Ägyptens, hatte ihn bauen lassen, bevor sie nach Rom reiste, um auch dort einen Ort der Anbetung zu haben. „Und die Tempel der Göttin Isis werden auch in Ägypten traditionell von den sogenannten Kynokephaloi bewacht“, sagt Tomke Stiasny. Kynokephalos bedeutet, frei übersetzt aus dem Altgriechischen, Hundeköpfiger – sie sind Sinnbilder des altägyptischen Gottes Thot, die auch in Rom in zweifacher Ausfertigung vor dem Isis-Tempel Cleopatras gefunden wurden. Der Oldenburger Hofbildhauer war – wie fast jeder in dieser Zeit – sehr angetan von den Kynokephaloi, so freute er sich sehr, als er bei seiner Rückkehr nach Oldenburg die beiden Findlinge in der richtigen Größe vorfand. Ihnen entlockte er mit Hammer und Meißel zwei freundlich blickende Hundeköpfige, die ihren Vorbildern, aber eben auch Pavianen sehr ähneln. Sein Dienstherr, der Großherzog von Oldenburg, war begeistert, dass sein persönlicher Hofbildhauer etwas geschaffen hatte, was es sonst nur in der Antike gegeben hatte, und setzte die beiden Hundeköpfigen kurzerhand an den Eingang seines Schlosses in Oldenburg. Hier saßen sie bis zum Jahr 1918, als der Großherzog Friedrich August abdanken und sein Staatsschloss abgeben und räumen musste – weil er aber, wie bereits sein Ahnherr, seine Hundeköpfigen sehr schätzte, ließ er sie einpacken und nahm sie mit nach Eutin. Seither begrüßen die beiden leicht melancholisch wirkenden Hundeköpfigen jeden Besucher, der das Schloss über die Brücke betritt und sind wahrscheinlich eines der beliebtesten Fotomotive in der Stadt – und sorgen für die eine oder andere Grübelei, was genau jetzt ausgerechnet „Affen“ hier vor dem Eutiner Schloss machen. Aber diese Frage immerhin haben wir hiermit beantwortet. Und die „Originale“, die Vorbilder für unsere Schlossaffen, wie sie ein kleines bisschen despektierlich, aber liebevoll genannt werden, sind bis heute im Kapitolinischen Museum in Rom zu bewundern.