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Petra Remshardt

Die wichtigsten Fragen zur Bundestagswahl

Tempolimit in Europa, fast überall, in einigen Ländern gibt es übrigens nachts oder im Winter andere Limits als tagsüber oder im Sommer.

Tempolimit in Europa, fast überall, in einigen Ländern gibt es übrigens nachts oder im Winter andere Limits als tagsüber oder im Sommer.

Bild: (Quellen: ADAC, Mobilitätsmagazin, Umwelt Bundesamt)

Was sind die großen Themen, welche Lösungen gibt es? Gemeinsam mit dem Recherchezentrum Correctiv beantwortet der reporter in einer siebenteiligen Serie bis zum 26. September die wichtigsten Fragen zur Wahl - kompakt und verständlich. Diese Woche: Verkehr
Warum kann es nicht so bleiben, wie es ist?
Der Verkehr verursacht fast 20 Prozent der Treibhausgase in Deutschland, vor allem auf den Straßen. Wer das Klima schützen will, muss also über neue Transportarten nachdenken.
Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein und dann nur noch so viel Treibhausgase produzieren, wie die Natur aufnehmen kann. Um das zu schaffen, müsste auch der Verbrauch von Benzin und Diesel stark zurückgehen. Die EU-Kommission plant sogar, ab 2035 den Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotoren ganz zu verbieten. Noch müssen aber die Mitgliedsstaaten zustimmen.
Der Europäische Gerichtshof hat Deutschland außerdem vor kurzem verurteilt, weil in vielen Städten jahrelang viel mehr Stickoxide in der Luft waren als erlaubt. Die Schadstoffe entstehen, wenn in Motoren Benzin und Diesel verbrannt wird. Auf Menschen wirken sie wie ein Reizgas, das zu Atembeschwerden und Lungenschädigungen führen kann. Stickoxide können auch Flüsse, Seen und das Grundwasser belasten und den Boden versauern.
Was müsste sich ändern?
Klar ist, der Anteil der Verbrennungsmotoren muss sinken. Besonders im Güterverkehr ist das eine Herausforderung. Denn knapp drei Viertel davon werden mit Lastwagen bewegt. Und die laufen in den allermeisten Fällen noch immer mit Dieselmotoren. In verschiedenen Pilotprojekten werden deshalb unter anderem Lastwagen mit elektrischer Batterie oder spezielle LKW-Oberleitungen auf Autobahnen entwickelt. Diese Forschung kann der Bund vor allem finanziell unterstützen. Aber nicht nur die Art der Motoren wird sich ändern. Es könnten auch weniger Autos auf der Straße sein - vor allem in den Städten. Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes reichen in größeren Städten 150 Autos für tausend Einwohner - aktuell sind es im Durchschnitt noch mehr als 500. Überhaupt werden Autos in Deutschland meist nur eine Stunde am Tag bewegt, die restlichen 23 Stunden parken sie. Mit weniger Autos die gleiche Mobilität erhalten, ist aber besonders auf dem Land schwierig. Eine Lösung wären mehr gemeinsam genutzte Autos, zum Beispiel mit elektrischen Carsharing-Angeboten. Auch die Anbindung mit Bus und Bahn müsste besser werden. Bund und Länder haben sich dafür ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Sie wollen die Zahl der Fahrgäste bis 2030 verdoppeln. Eine weitere Möglichkeit sind sogenannte Fahrradautobahnen. Expertinnen halten es für möglich, Millionen Pendler mit Radschnellwegen zum Umstieg zu motivieren. Sie sollen zum Beispiel kleinere Gemeinden mit größeren Städten verbinden. Und sie könnten für Elektro-Fahrräder auch auf dem Land eine Alternative zum Auto werden. Bisher gibt der Bund aber im Vergleich zu Autobahnen nur einen Bruchteil für Radschnellstrecken aus.
Welchen Einfluss hat die Pandemie?
Während der Pandemie ist der Verkehr teils deutlich zurückgegangen. Das ist erstmal gut fürs Klima. Für die geplante Verkehrswende ist das Coronavirus aber ein echtes Problem - kurzfristig und möglicherweise langfristig. Denn es sind auch deutlich weniger Fahrgäste in Bussen und Bahnen unterwegs. Zeitweise sanken die Nutzerzahlen um 80 Prozent. Deshalb fehlen in den Kassen nun riesige Summen aus Ticketeinnahmen. Der Bund hilft mit einem milliardenschweren Rettungspaket. Schlimmer könnten aber die langfristigen Folgen sein. Wer sich einmal im Alltag an Alternativen zu Bus und Bahn gewöhnt hat, kommt vielleicht nicht zurück. Das wäre ein großes Problem. Mehr öffentlicher Nahverkehr ist eine zentrale Bedingung, um die Klimaziele zu erreichen.
2020 sind auch 75 Prozent weniger Menschen als vor der Pandemie geflogen. Für das Klima ist das gut, denn Flugzeuge gehören zu den größten Verursachern von CO2. Werden sie auch nach der Pandemie am Boden bleiben? Wohl eher nicht, viele wollen wieder in den Urlaub fliegen. Politiker diskutieren aber, wie Kurzstreckenflüge innerhalb Deutschlands reduziert werden können. Vorschläge sind unter anderem höhere Preise, extra Steuern oder bessere Bahnverbindungen als Alternative.
Sind wir bald im Flugtaxi unterwegs?
Wie wir uns in Zukunft fortbewegen, hängt auch davon ab, wie offen die Bevölkerung für Änderungen ist. Noch nie hatten in Deutschland so viele Menschen ein Auto wie heute. Mehr als 48 Millionen PKW sind es aktuell. Sie haben meist einen Benzinmotor. Autos, die mit Strom oder Gas betrieben werden, sind weiter eher die Ausnahme. Aber ihre Zahl steigt. Auch, weil es beim Kauf eines E-Autos eine staatliche Prämie gibt.
Finanzielle Anreize sind beliebtes Mittel der deutschen Verkehrspolitik. Seit Jahrzehnten fördert der Staat mit Prämien und niedrigen Steuern auf Dienstwagen das Autofahren. Oft ist es auch günstiger, mit dem Auto, statt mit der Bahn zu fahren. Während die Preise für Busse und Bahnen in den letzten 20 Jahren um knapp 80 Prozent gestiegen sind, wurde es nur knapp 40 Prozent teurer, ein Auto zu besitzen.
Es gibt auch überraschende Ideen, um die Verkehrswende zu beschleunigen. Zum Beispiel eine Geldprämie für alle, die kein Auto besitzen. Verschiedene Hersteller planen außerdem in den nächsten Jahren Zulassungen für elektrische Flugtaxis zu beantragen. Die europäische Flugsicherheitsbehörde hält erste Flugtaxis ab 2025 für realistisch. Erstmal werden sie aber, wenn überhaupt, in der Wirtschaft eine Rolle spielen. Als Drohnen könnten sie dann Frachten zwischen Logistikzentren transportieren.
Was kommt in den nächsten Jahren auf uns zu?
Auch wenn wir also selbst erstmal eher nicht in Massen mit Flugtaxis durch die Gegend fliegen werden, steht eine echte Verkehrswende bevor. Die aktuelle Regierung möchte eine Milliarde Euro zusätzlich in veränderten Verkehr investieren. Das Geld soll in mehr Bus- und Bahnverbindungen, mehr Radwege, neue Schnellladestationen für E-Autos und die Digitalisierung des Bahnverkehrs fließen. All diese Planungen sind aber nur vorläufig. Was tatsächlich passieren wird, entscheidet der neue Bundestag nach der Wahl. (red)



*Correctiv ist ein gemeinnütziges Medium und steht für investigativen Journalismus. Die vielfach ausgezeichnete Redaktion deckt systematische Missstände auf, prüft Falschmeldungen im Netz und fördert Medienkompetenz mit eigenen Bildungsangeboten. Sorgfältig recherchierte Informationen stärken öffentliche Debatten und geben Orientierung im Wahlkampf.


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