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„… schwerbehindert bedeutet nicht leistungsvermindert“

V. l.: Margit Haupt-Koopmann, Leiterin der Regionaldirektion Nord der Bundesagentur für Arbeit und Petra Eylander, Leiterin der Agentur für Arbeit Kiel, Christian Lange, Leiter des JAW Plön-Koppelsberg und Kirsten Voß, Leiterin des Hauptbereiches „Frauen, Männer, Jugend“ der Nordkirche.

V. l.: Margit Haupt-Koopmann, Leiterin der Regionaldirektion Nord der Bundesagentur für Arbeit und Petra Eylander, Leiterin der Agentur für Arbeit Kiel, Christian Lange, Leiter des JAW Plön-Koppelsberg und Kirsten Voß, Leiterin des Hauptbereiches „Frauen, Männer, Jugend“ der Nordkirche.

Plön (los). Für Martin Hennschen aus Preetz ist sein Traumberuf quasi „maßgeschneidert“: Der 29-jährige betreut rund 100 Computer auf dem Plöner Koppelsberg. Als Systemadministrator sorgt er beim Jungendaufbauwerk (JAW) der Nordkirche dafür, dass „der Laden läuft“. Man sieht es ihm auf den ersten Blick nicht an: Martin Hennschen hat einen Schwerbehindertenstatus und gehört damit einer Minderheit an, die es schwer hat, in den Arbeitsmarkt zu kommen. Sie stand im Mittelpunkt der Woche für schwerbehinderte Menschen“ vom 28. November bis zum 2. Dezember. Mit der Aktion hat die Bundesagentur für Arbeit im Sinne des Inklusionsgedankens gezielt dafür geworben, auch Menschen mit einer Behinderung Chancen auf Ausbildung und Festanstellung einzuräumen. Dabei hob die Agentur für Arbeit das JAW Plön-Koppelsberg, mit dem eine enge Kooperation besteht, als Arbeitgeber hervor. Das JAW fungiert nicht nur als Bildungsträger, sondern beschäftigt ganz gezielt Menschen mit schwerer Behinderung und setzt sich für sie ein. In diesem Konsens stellten Margit Haupt-Koopmann, Leiterin der Regionaldirektion Nord der Bundesagentur für Arbeit und Petra Eylander, Leiterin der Agentur für Arbeit Kiel vergangene Woche auf dem Koppelsberg auch die Arbeitsmarktdaten des abgelaufenen Monats für die Region Kiel/Plön sowie Schleswig-Holsteins vor und zeichneten das JAW und die Nordkirche als Träger mit einem Zertifikat für erfolgreiche Inklusion aus, mit dem auch die stetige Unterstützung, Einbindung und Förderung von Menschen mit Behinderung gewürdigt wurde. Von diesem Signal erhoffen sich die Vertreter der Agentur für Arbeit als auch der Bildungsträger eine „Leuchtturmwirkung“, die Landesweit in die Köpfe reicht: Denn Betroffene wie Martin Hennschen sehen sich als Arbeitsuchende einer ganzen Reihe von Vorurteilen ausgesetzt, die Margit Haupt-Koopmann benannte. „Sie gelten als weniger leistungsfähig und seien häufiger krank“, zitierte sie häufige Argumente aus dem Kreis der Arbeitgeber. Und: „Die wird man nie wieder los...“ Somit sei ein „Aufräumen in den Köpfen“ dringend angesagt, denn „schwerbehindert bedeutet nicht leistungsvermindert“. Auch sehe man 85 Prozent ihre Behinderung nicht einmal an, was zum Beispiel auf Diabetiker zutreffe. Viele seien Lebens erfahren, denn „viele Behinderungen kommen erst im Laufe des Lebens“ – entsprechend sei auch ihr Alter höher. Und viele hätten eine abgeschlossene Berufsausbildung und gefragtes Knowhow. „Kein Arbeitgeber muss sich lebenslang binden“, betont Margit Haupt-Koopmann. Möglichkeiten biete etwa die seitens der Agentur unterstützte Beschäftigung zur Probe sowie auch Lohnkostenzuschüsse bis zu fünf Jahren. Der Leiter des JAW Plön-Koppelsberg Christian Lange erklärte, die Einrichtung könne als Arbeitgeber zwar zeigen, wie es geht, verglich aber die Vermittlung in den Arbeitsmarkt mit „Klinken putzen“. 33 Mitarbeiter seien beim JAW angestellt. 10 Prozent des Teams, drei Leute, haben den Status „schwerbehindert“. Die festgelegte Quote für Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitern liege deutlich darunter, bei derzeit 5 Prozent. Zahlreiche Betriebe leisteten lieber Ausgleichszahlungen, anstatt eine Anstellung in Betracht zu ziehen. Dabei werde das vorhandene Potenzial, mit dem auch dem Problem Fachkräftemangel begegnet werden könne, nach Ansicht von Petra Eylander verschmäht. Rund 7200 „unbesetzte“ Pflichtplätze gebe es aktuell landesweit. Martin Hennschen ist seit rund dreieinhalb Jahren beim JAW angestellt, kommt täglich mit der Bahn nach Plön und fährt mit dem Rad vom Bahnhof zu seinem Arbeitsplatz. Ursprünglich habe er eine Ausbildung zum technischen Zeichner gemacht, erzählt er. Danach folgte ein Jahr der Arbeitslosigkeit bevor er an einer Maßnahme der Bundesagentur für Arbeit auf dem Koppelsberg teilnahm, durch die er sich zusätzliche Qualifikationen aneignete. Und schließlich blieb, um etwas ganz anderes zu machen. „Wir merkten, dass er sehr fit in diesem Bereich ist, in dem wir immer Bedarf hatten“, erzählt Christian Lange rückblickend. Aus diesem Grund sei überlegt worden, „hier etwas zu schaffen“. Seitdem arbeitet Martin Hennschen in der Systemadministration, richtet Emailadressen ein, spielt Schulungssoftware auf die PC’s, pflegt die Homepage, bestellt Gerätschaften, verlegt Kabel und macht „ganz normale Wartungsarbeiten“, die hier so anfallen. „Es braucht mehr Zeit, behinderte Kollegen in den Job einzuarbeiten“, sagt Christian Lange. Potenzial gibt es immer und überall. „Man muss ganz genau schauen, wo es passt.“ So sei etwa jemand, der sich wie Martin Hennschen relativ undeutlich artikulieren könne, nicht unbedingt in solchen Stellen gut beschäftigt, in denen es insbesondere auf das Sprechen ankommt. Für die Wartung und Einrichtung der Rechner beim JAW ist das aber auch gar nicht nötig. Man merkt Martin Hennschen an, dass er für seine Arbeit brennt und sich an diesem Ort wohlfühlt. „Das Tollste hier ist der Sozialkontakt und die Abwechslung“, findet er.


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