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Einwohnerversammlungen im Amt Schrevenborn: Planungen für Flüchtlingsunterkünfte haben begonnen „Sichere Prognosen über Zuweisungen praktisch nicht möglich“

Heikendorf/Mönkeberg/Schönkirchen (mü). „Nach mehr als 200 Zuweisungen von Geflüchteten in 2022 ist eine verlässliche Prognose für dieses und die nächsten Jahre praktisch unmöglich“. Mit dieser Aussage brachte Amtsdirektorin Juliane Bohrer auf einer Einwohnersammlung in Schönkirchen am 03. Juli die kniffelige Rahmenbedingung auf den Punkt, wie Geflüchtete im Amt Schrevenborn künftig untergebracht werden sollen. „Weder der Bund noch das Land haben in den vergangenen Jahre Prognosen veröffentlicht, auf die wir uns stützen könnten“. Daher bliebe gar nichts anderes übrig, als die 58 Personen, die im ersten Halbjahr gekommen seien, als „reine Arbeitsgröße“ für weitere Planungen heranzuziehen. Darauf basierend ließe sich nur abschätzen, dass es bis Jahresende „mindestens noch einmal so viele werden“. Vorstellbar sei aber auch, dass es doppelt so viele werden, oder mehr. „Klar ist jedenfalls, dass wir uns noch länger mit dem Thema auseinandersetzen müssen“. Denn die ehemalige Schule in Heikendorf etwa sei eine reine Übergangslösung, die kurzfristig wegen der großen Zahl Geflüchteter aus der Ukraine eingerichtet werden musste. Die Herausforderung ist Anlass genug, erste Lösungsansätze bei Einwohnerversammlungen auf die Tagesordnung zu setzen. Denn einige Überlegungen zu dauerhaften Wohnmöglichkeiten seien nun so weit, dass in Einwohnerversammlungen die Bürger beteiligt werden sollen. In allen Amtsgemeinden ein und das selbe Thema, das gab es zuletzt 2016. In Schönkirchen genutzt haben das Angebot allerdings nur rund ein Dutzend Einwohner. „Das relativ geringe Interesse heute ist leicht nachvollziehbar“, erläutert Bürgervorsteher Thorsten Stich. „Das ändert sich spätestens dann, wenn die Planungen noch konkreter werden“. Die immerhin so weit fortgeschritten sind, dass geeignete Grundstücke ausgewählt und entsprechende baurechtliche Fragen bereits auf Kreisebene geprüft würden, erläutert die Amtsdirektorin. In Schönkirchen geht es um das Grundstück in der Schönberger Landstraße 29, in Heikendorf um das im Neuheikendorfer Weg 45. Auch über Größe und Bauart der Unterkünfte lägen bereits Vorschläge auf dem Tisch. Vorstellbar seien industriell gefertigte Wohnmodule in Holzbauweise für je 50 Personen in Heikendorf und Schönkirchen, Mobilheime für rund 25 Personen in Mönkeberg. „Das fügt sich auf jeden Fall schöner ein in die Bebauung ein als die sonst vielfach üblichen Wohncontainer“. Bürgermeister Gerd Radisch unterstrich, dass er angesichts des sensiblen Themas sehr froh sei, „dass wir hier in Schönkirchen einen großen sozialen Frieden erleben“, und leitete damit über zu einem weiteren interessanten Gesprächsfaden. „Wir sind so dankbar für die vielen Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, ohne die das alles nicht funktionieren würde“, fasst Amtsdirektorin Juliane Bohrer die Stimmung zusammen. Einer von ihnen ist Carlo Bauer, Gründungsmitglied der 2015 ins Leben gerufenen Flüchtlingshilfe Schönkirchen e.V. Er erörtert einen Aspekt als Folge des Kriegs in der Ukraine. „Da hatten wir Wohnungsangebote, doch die sollten ausdrücklich nur für Flüchtlinge aus der Ukraine sein. Da entsteht schon mal ein Gefühl von Ungerechtigkeit“, was gelegentlich zu Unmut führe bei einigen ehrenamtlich Mitarbeitenden. „Klar, dass das hier in Schönkirchen, wo vorwiegend Flüchtlinge aus anderen Nationalitäten untergebracht sind, nicht gerade die Motivation hebt.“ Fakt sei auch, „dass wir den Leuten hier keine Hoffnung machen können, eine eigene Wohnung zu finden, um aus den vom Amt Schrevenborn gemieteten Unterkünften auszuziehen“. Anzuspüren dagegen war dem 66-jährigen Sozialpädagogen sein leidenschaftliches Engagement für die Arbeit mit Geflüchteten und mag so manchem Kommunalpolitiker und Verwaltungsmitarbeiter aus dem Herzen gesprochen haben: „Wir brauchen unbedingt Leute, die entdecken, dass diese Aufgabe das eigene Leben bereichern kann“.

Anlässlich der Planungen für neue Flüchtlingsunterkünfte im Amt Schrevenborn sprachen wir mit Amtsdirektorin Juliane Bohrer.

Probsteer: Frau Bohrer, welchen Einfluss hat das Amt Schrevenborn auf die Anzahl der Geflüchteten, die aufgenommen werden müssen?
Juliane Bohrer: Gar keinen. Die Zuordnung ist genau geregelt nach einem festen Berechnungsschlüssel, der auf Einwohnerzahlen basiert. Die Zuweisung erfolgt von oben nach unten, vom Bund auf die Länder, von denen wiederum auf die Kreise, die ihrerseits auf die einzelnen Ämter verteilen.
Probsteer: Hat sich der Prozess verändert in den vergangenen Jahren?
Juliane Bohrer: Vom Grundsatz hat sich kaum was gewandelt. Gut ist, dass wir inzwischen etwa vier Wochen Zeit haben, von dem Tag an, wenn wir die Mitteilung des Landkreises erhalten, bis die Menschen tatsächlich bei uns vor der Tür stehen. In zurückliegenden Jahren lagen wir zuweilen bei nur einer Woche.
Probsteer: Der besseren Integration wegen, so die Meinung von Soziologen, sollten Geflüchtete möglichst in kleineren Wohneinheiten untergebracht werden. Warum hat das Amt Schrevenborn in Heikendorf und Mönkeberg dennoch Sammelunterkünfte eingerichtet?
Juliane Bohrer: Vergangenes Jahr galt es, mehr als zweihundert Geflüchtete aufzunehmen, mehrheitlich aus der Ukraine. Da mussten wir kurzfristig eine Lösung finden.
Probsteer: Wieso hat das Amt Schrevenborn inzwischen nicht weitere Wohnungen privat angemietet?
Juliane Bohrer: In unseren Gemeinden stehen wir vor einer besonderen Herausforderung. Gut ist zwar, dass wir wegen der urbanen Struktur mit Wohnungsgesellschaften und Genossenschaften zusammenarbeiten können. Zurzeit sind etwa einhundert Wohnungen angemietet. Doch Wohnraum ist hier außerordentlich begehrt. Wegen der hohen Lebensqualität und der Nähe zur Landeshauptstadt sind die Preise überdurchschnittlich. Erschwerend hinzu kommt, dass wir in unseren Gemeinden viele Zweit- und Ferienwohnungen haben. Wichtig ist, dass wir auf gar keinen Fall den gesamten Markt abschöpfen dürfen.
Probsteer: Mit der Schule in Heikendorf und dem Kindergarten in Mönkeberg stehen zurzeit zwei Gemeinschaftsunterkünfte zur Verfügung. Auf der Einwohnerversammlung haben Sie mitgeteilt, dass derzeit im Amtsgebiet Kapazität für 50 weitere Personen wäre. Warum planen Sie jetzt in allen drei Gemeinden neue Unterkünfte?
Juliane Bohrer: Das hat mehrere Gründe. Zunächst können wir nicht verlässlich vorhersagen, wie viele Menschen überhaupt in den nächsten Jahren zu uns kommen werden. Belastbare Prognosen wären im Moment reine Spekulation. Fakt dagegen ist, dass uns das Thema langfristig beschäftigen wird. Darauf müssen wir reagieren. Die derzeitigen Sammelunterkünfte können nur Übergangslösungen sein. Mit den geplanten Gemeinschaftsunterkünften können wir künftig flexibler reagieren. Zudem stellt das Land Schleswig-Holstein unter bestimmten Bedingen Fördergelder für den Bau von Gemeinschaftsunterkünften bereit und räumt für diesen speziellen Fall baurechtliche Erleichterungen ein. Schließlich, sollten die Zahlen wieder runtergehen, könnten wir sogar angemieteten Wohnraum für den Markt wieder freigeben.
Probsteer: In den sozialen Medien kursieren Gerüchte, dass es immer wieder Probleme mit angemieteten Wohnungen gibt. Können Sie das bestätigen?
Juliane Bohrer: Die Schäden bei angemieteten Wohnungen sind keinesfalls so dramatisch, wie das vielfach dargestellt wird. Natürlich führt ein anderer kultureller Hintergrund hin und wieder zu Schwierigkeiten. Meist geht es um den Umgang mit Rohstoffen, oder die Entsorgung von Müll. Doch beides sind keine typischen Migrationsprobleme, und keineswegs an der Tagesordnung.
Probsteer: Kritische Stimmen behaupten zuweilen, dass geflüchtete Familien die raren Plätze in Kindertagesstätten wegnehmen.
Juliane Bohrer: Richtig ist, dass insbesondere in Heikendorf die Plätze heiß begehrt sind. Daher gibt es jedes Jahr bis zum Beginn des Kindergartenjahres Wartelisten, die wir in der Regel im Jahresverlauf abarbeiten können. Leider lässt sich nicht jeder Wunsch der Eltern bei den Betreuungsangeboten berücksichtigen. Doch grundsätzlich konnten wir bisher jedem Kind im zweiten Lebensjahr ein Angebot machen. Betonen möchte ich, dass bei der Vergabe der Plätze stets die selben Kriterien gelten, egal ob es sich um Kinder aus geflüchteten Familien handelt oder nicht.
Probsteer: Ebenfalls zu hören ist, dass die anfängliche Hilfsbereitschaft nachgelassen hat.
Juliane Bohrer: Das ehrenamtliche Engagement ist seit der Pandemie tatsächlich in diesem Bereich ein wenig zurückgegangen. Daher bin ich bin sehr dankbar für die vielen Menschen, die sich nach wie vor engagieren. Ohne die würde das alles nicht funktionieren. Und erfreulicherweise sind vergangenes Jahr eine ganze Reihe neue hinzugekommen.
Probsteer: In den nächsten Wochen werden Sie gezielt mit Anwohnern sprechen, in Heikendorf etwa mit den Kleingärtnern. Was erwarten Sie?
Juliane Bohrer: Für die Sorgen, die auftauchen können, habe ich großes Verständnis. Und ich kann mir gut vorstellen, dass es auch mögliche Bedenken geben wird, beispielsweise vor zu großen Einrichtungen oder den Einsatz von Containern. Derartige Lösungen wollen wir aber auch als Amt nicht und ich bin mir sicher, dass wir Ausgleich und konstruktive Lösungen finden werden. Speziell für die Situation bei den Kleingärtnern in Heikendorf kann ich schon jetzt ganz klar sagen, dass niemand um seinen Pachtgrund bangen muss. Die Gemeinde Heikendorf hat dies bei den Grundstücksüberlegungen sensibel berücksichtigt.

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