

Eutin (aj). Eine Redensart besagt, dass die meisten Journalist*innen die Idee für ein eigenes Buch in der Schublade haben. Nur eine Idee? Und die dann auch noch abgelegt für den passenden Moment, der – wer kennt es nicht – erfahrungsgemäß auf sich warten lässt? Friedhofsverwalter Steffen Wiedemann hat es anders gemacht: Er hat einfach geschrieben, statt zu warten. Das Ergebnis: 200 Seiten, die bieten, was man von einer guten Lektüre erwartet: Originalität, Spannung, Humor, Liebe. Arbeitstitel: „Burnout, Urnen und Marie“. Und worum geht es, wenn ein Friedhofsverwalter einen Roman schreibt? Tatsächlich um den Friedhof und um Adam Förster, den Verwalter, der hier einen Neuanfang versucht. Reichlich zerschrammt ist dieser Fünfziger, er kennt Verlust und Scheitern, aber er ist noch lange nicht fertig mit seinem Leben. In seinem neuen Wirkungskreis sind Kirche und Bestatter gesetzt, Förster beobachtet genau und macht manche spannende Entdeckung. Und als ein echtes, brisantes Geheimnis zu lüften ist, muss er sich nicht allein auf die eigene Kraft verlassen: Er kann auf Marie zählen, die zunächst eine Freundin ist und vielleicht eine Liebe werden kann.
Im April 2022 hat Steffen Wiedemann als Verwalter auf dem Friedhof angefangen, wie hinter seinem Protagonisten liegt auch hinter ihm ein gutes Stück Leben mit Tiefen und Höhen. Die Verantwortung für die Friedhöfe in der Plöner Straße und in Neudorf ist sein Ding. Das empfindet er so und das sehen die Menschen, die kommen, um zu trauern, zu reden, zu spazieren genauso. Viel Neues ist entstanden, seit Wiedemann das kleine Büro bezogen hat und er selbst hat viele neue Erfahrungen gemacht: „Und nach anderthalb Jahren hatte ich so viele skurrile Begebenheiten beisammen, dass ich in einer Rotweinnacht mit meiner Frau entschied: Daraus müsste man einen Roman machen“, erzählt er freimütig.
Es ist seine Direktheit, die dem Roman einen ganz eigenen Ton gibt und darin besteht schon die erste Leistung, die den Lesestoff von anderen Manuskripten unterscheidet. Jeden Abend anderthalb Stunden zu schreiben, diesen Rhythmus hatte Wiedemann sich selbst verordnet und sich daran gehalten: „Mal lief es gut, mal schlecht und manchmal richtig toll“, schildert er. Nach einem Jahr war die Arbeit getan. Und das Ergebnis kann sich nicht nur lesen lassen, es besticht mit Biss und unverblümter Kritik. Die Personen sind natürlich fiktiv, die Geschichte sowieso, aber die Gesellschaftskritik, die dazwischen und in den Zeilen geäußert wird, ist nicht nur Gestaltungsmittel. Zu denjenigen, die der Autor unter die Lupe seines genauen Blickes nimmt, gehört auch sein Arbeitgeber: „Da ist durchaus Kritik an der Kirche im Spiel, ich mache mich über manches Verstaubte schon lustig“, sagt er und es ist ihm wichtig zu ergänzen: „Ich bin aber versöhnlich, weil es gerade hier auf dem Friedhof viele Menschen gibt, die Beistand brauchen. Und das machen die Pastoren gut!“
Steffen Wiedemann ist selbst Kirchenmitglied, trotzdem, nein, genau deshalb nimmt er kein Blatt vor den Mund. Mitreden, mitgestalten, darauf kommt es dem gebürtigen Mecklenburger an. Zu Wendezeiten sei er beeindruckt gewesen von der Kirche und er ist sicher, dass die Institution auch künftig gebraucht wird. Auch deshalb tritt er nicht aus: „Ich kritisiere meinen eigenen Laden, aber ich glaube daran, dass man etwas ändern kann“, betont er. Aber das ist ein anderes Thema, denn mit seinem Buch will er eins: Intelligent unterhalten. „Ich würde mich freuen, wenn die Leute sagen: ‚Das ist eine gute Strandkorb-Lektüre!‘“, sagt er. Zu denen, die an den Stoff glauben, gehört Ulrich Pape-Tischbein. In seinem Podcast für den Offenen Kanal Lübeck war Wiedemann bereits zu Gast, ein kleiner Dokumentarfilm ist geplant. Und wenn sich, zum Beispiel nach einer Lesung, Gespräche und Diskussion ergäben, warum nicht? Dafür aber braucht es zunächst einmal einen Verlag oder Sponsoren, die die Veröffentlichung im Eigenverlag unterstützen. Damit aus dem Manuskript ein richtiges Buch werden kann.