Reporter Eutin

Späte Würdigung für Arthur Götting

Preetz (vg). Ein kleiner, etwa 200 Meter langer Abschnitt der Güterstraße in Preetz heißt seit dem 7. Juli nun „Arthur-Götting-Straße“. Die Umbenennung hatte die Ratsversammlung auf Vorschlag der CDU-Fraktion beschlossen. Damit soll an den 1899 in der Schusterstadt geborenen, bedeutenden Künstler erinnert werden. Stadtpräsident Hans-Jürgen Gärtner und Bürgermeister Tim Brockmann enthüllten das Straßenschild jetzt offiziell.

„Die Frage im Vorfeld war, ob dieses Straßenstück angemessen genug für eine Würdigung des Künstlers ist. Selbstverständlich hätten wir auch noch Jahre warten können, bis neue Straßennamen zu vergeben wären“, meint der Bürgermeister. Für die Entscheidung spricht, die zügige Umsetzung, dass für Anlieger keine Kosten anfallen – weil es keine Anlieger gibt – und dass das Elternhaus in diesem Bereich steht – in der Gasstraße 28. Schräg gegenüber am Eingang des alten Stadtwerkegebäudes findet sich ein Schlussstein mit Preetz-Wappen, den Arthur Götting gestaltet hat. Ein weiteres noch erhaltenes Kunstwerk ist der von Götting aus Sandstein gefertigte Grabstein für seine Eltern, der auf dem alten Friedhof steht.

Einer fehlte bei der Enthüllung des Schildes: Ideengeber Andreas Borchert. Der Heimatforscher hatte 2024 eine umfangreiche Biografie über Arthur Götting in den „Preetzer Blättern“ veröffentlicht – er hatte ein Jahr lang über Götting recherchiert. „Ich hatte jede Woche daran gesessen, umfangreichen Schriftverkehr gehabt, oft keine Antwort bekommen, viele Rückschläge und Enttäuschungen erlebt und dabei gelernt, dass es nur verstreute Mosaiksteinchen mit Infos über Aurthur Götting gibt“, erinnert sich Borchert.

Er freut sich, dass sein Vorschlag umgesetzt wurde. Was ihn allerdings Frust bereitet, ist die Kommunikation mit der Stadt. Über die Enthüllung des Straßenschildes war er nicht informiert – geschweige denn eingeladen. Nicht die feine englische Art, meint Borchert. Er wünscht sich jetzt, dass noch mit einem kleinen Zusatzschild kurz auf die Bedeutung der Person eingegangen wird. Trotz alledem: Wichtig ist ihm vor allem, dass er helfen konnte, diesen Preetzer Künstler, dem in der Zeit des Nationalsozialismus übel mitgespielt wurde, zu rehabilitieren.

„Götting war ein unwahrscheinlicher Mensch und Künstler“, erzählt Borchert. In seinem Elternhaus, damals noch eine insbesondere von Innungen geschätzte Gaststätte, hatte der hochausgebildete Universalkünstler die ersten 30 Jahre seines Lebens verbracht. Er studierte zehn Jahre in Kiel und Berlin und wurde in allen Kunstrichtungen geschult – „ich weiß nicht, was er nicht studiert hat, aber er hat alles mit Abschluss bestanden“, zieht Borchert den Hut vor so viel Talent. „Erstaunlich war, dass Arthur Götting im Alter nur 21 Jahren sich mit dem Entwurf der Notgeldscheine für Norddorf auf Amrum, Leer in Ostfriesland und für Preetz hervortat. Die Kommunen hatten bei der Kunst- und Gewerbeschule in Kiel nach Unterstützung für die Notgeld-Gestaltung angefragt. Ihnen wurde dieser begabte Student empfohlen“, berichtet Borchert. Motive waren unter anderem markante Gebäude der jeweiligen Stadt und typische Sprüche. Die Qualität dieser Arbeiten versinnbildlicht ein Lob des heutigen Leerer Bürgermeisters: „Er schrieb mir, Götting habe die Seele von Leer mit seinen Bildern erfasst“, erzählt Borchert.

Beschrieben wird der Künstler seinerzeit als introvertiert und zurückhaltend, aber freundlich, wenn’s drauf an kam. Er sei stets „vollschwanger mit Kunstideen herumgelaufen“, wusste ein Kollege einmal zu berichten. Ab 1929 war Götting als Kunst- und Werklehrer in Eckernförde tätig – und er heiratet. Ehefrau Klara, ebenfalls Kunstlehrerin, ist Jüdin, ein Umstand, der in der Nazi-Zeit zu Repressionen führt, denen Götting jedoch nicht auswich. Weil er Haltung bewies und sich nicht von seiner Frau trennte, wurde er im November 1937 auf Betreiben des damaligen Eckernförder Bürgermeisters Helmut Lemke – „ein Ober-Nazi und nach dem Krieg Ministerpräsident von Schleswig-Holstein“, so Borchert – vom Kultusministerium in den Ruhestand versetzt. Dennoch schätzten die Stadtväter seine Kunst und hatten ihn noch 1936 mit dem Entwurf für den bekannten Gefion-Brunnen und der Gestaltung des Goldenen Buches der Stadt beauftragt.

„Anfang Dezember 1937 zieht das Ehepaar für zwei Wochen in Arthurs Elternhaus nach Preetz. Hier haben Ortspolizisten zweimal versucht, Klara ,abzuholen’. Preetzer Bürger wussten durch Spitzel, dass dies passieren sollte und haben sich vor die Haustür gestellt und die Verhaftung der jüdischen Ehefrau verhindert“, berichtet Borchert. Das Ehepaar ging daraufhin nach Göttingen, wo es im Haus der Schwiegermutter Unterschlupf fand. Bald wurde das Haus zwangsenteignet, die Schwiegermutter nach Theresienstadt deportiert und dort 1943 ermordet. Die Eheleute durften im Keller wohnen bleiben, die anderen Zimmer wurden mit Juden belegt, die nach und nach ins KZ kamen. Arthur Götting musste in der Rüstungsindustrie arbeiten, beschützte seine Frau aber so gut, dass sie die NS-Herrschaft unbeschadet überlebte. Die Eheleute blieben 42 Jahre verheiratet.

„In der Nachkriegszeit hat sich Arthur Götting vergeblich bemüht, wieder im Schuldienst Fuß zu fassen. Als Künstler ist er nicht mehr richtig auf die Beine gekommen. Er hat Kurse an der Volkshochschule gegeben und auch mal eine Keramikwerkstatt betrieben“, so Borchert. Der Maler, Grafiker, Bildhauer und Zeichenlehrer starb 1975 in Göttingen. Andreas Borcherts Biografie über Arthur Götting wurde in der Ausgabe I/2024 der vom Stadtarchiv herausgegebenen „Preetzer Blätter“ veröffentlicht und damit ein vergessenes, ein mahnendes Stück Preetzer und deutscher Geschichte ans Tageslicht befördert.


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