Volle Kraft voraus - Netzwerker bündeln Kräfte für den Klimaschutz
Kreis Plön (los). Die schlechte Nachricht zuerst: „Viele sagen mir: ,Es ist eh zu spät‘ “, sagt Jutta Briel vom gemeinnützigen Heikendorfer Verein „Aktionsforum für Nachhaltigkeit“. „Aber wir sind weit davon entfernt – Aufgeben ist absolut keine Option!“
„Wir“, das sind auch Joachim Ennen von der Initiative Klimaschutz Laboe e.V. sowie Wolfgang-Dieter Glanz vom Preetzer Aktionsforum Nachhaltigkeit und Klimaschutz, kurz PANK, das ein breites Netzwerk mit vielen Schnittstellen beschreibt. Und das ist die gute Nachricht: Alle drei Kreis-Plöner haben sich einem Wissenstransfer mit Vorstößen in alle relevanten Richtungen verschrieben. Und so sieht ihre Netzwerkarbeit aus:
Seit einigen Monaten haben sie als Kooperation ihre Kräfte zu bündeln begonnen. Die Idee der Gruppen: Mehr Synergien - mehr Hebelwirkung beim Anstoßen guter Projekte und mehr Reichweite in der Fläche. Jeder solle sich angesprochen fühlen, in das Thema einzutauchen, laden Briel, Ennen und Glanz ein. Zum einen „macht dazulernen Spaß“, sagt Wolfgang-Dieter Glanz, da es so viele Bereiche des täglichen Lebens berührt und interessant und vielschichtig aufgeschlüsselt werden kann. Zum anderen ist es mit einer großen Community viel wirksamer, den Bohrer an dicken Brettern anzusetzen, macht er deutlich. Und nicht zuletzt gehe es auch darum, „untereinander Kompetenzen auszuleihen“, fügt Jutta Briel hinzu. So diene der Austausch miteinander auch der Schöpfung oder dem Aufgreifen neuer Ideen, die zu den lokalen Bedingungen an den verschiedenen Orten im Kreis Plön gut passen.
Joachim Ennen hat es sich zur Aufgabe gemacht, zu „schauen, wo es gute Initiativen gibt“, so zum Beispiel auf Unternehmen mit sinnvollen neuen Verpackungskonzepten wie das einer kleinen Laboer Kaffeerösterei. Als weiteres Beispiel nennt er ein Mehrwegsystem für Weinflaschen, die somit nicht im Container landen. „Wir greifen die Initiativen solcher Unternehmen auf, um sie durch Publikation zu stärken“, sagt er. Der Hebel muss allerdings noch tiefer angesetzt werden, macht er deutlich: „Wir müssen in die Richtung kommen, dass das Mehrwegsystem überwacht wird“, sagt Wolfgang-Dieter Glanz. Denn kaum bekannt scheint zu sein: „Das Mehrwegsystem ist eigentlich verpflichtend!“ Und obwohl die Ordnungsämter der Gemeinden dafür zuständig sind, dümpelt dieses so wichtige Thema Müllvermeidung und (damit zusammenhängend) Ressourcenschonung nur noch träge vor sich hin, ohne das ihm Taten folgten, unterstreicht er. „Das wird nämlich de facto gar nicht überwacht!“
Folglich sei ein Ziel ihrer Kooperation, Firmen über ihre Verpflichtung, Mehrwegsysteme vorzuhalten, anzusprechen. Ebenso müsse die Information durchdringen, dass jeder Kunde Mehrweg-Produkte nachfragen könne. „Nur so kommt es unter die Leute“, sagt Jutta Briel.
„Wir haben in Preetz einen Supermarkt, der an der Frischtheke ein Mehrwegsystem hatte“, erzählt Wolfgang-Dieter Glanz, „das wurde aber nicht nachgefragt – und deshalb eingestellt.“ Seitdem wächst der Plastikberg an Einwegschälchen und -tütchen hier wieder munter weiter. Erkennbar wird auch, dass mehr Wissen auf den unterschiedlichsten Ebenen gefragt ist. Der Verein Theos Wiese, der schon lange auf dem Schulgelände der Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule etabliert und zudem bei PANK dabei ist, zeigt dies engagiert in gärtnerischen, kulinarischen, kalkulatorischen und naturkundlichen Schülerprojekten. „Ich glaube, der schulische Bereich bietet viel Potenzial an die Jugendlichen heranzukommen“, sagt Wolfgang-Dieter Glanz. Nur bei den Wissen vermittelnden Instanzen sehe er zum Teil große Defizite. Beispiel Entenrennen. Nach wie vor seien die gelben Plastikenten für solche Spaßereignisse im Einsatz. Leuchtend gelb und präsent tragen sie jedoch das denkbar schlechteste Zeichen nach außen. Ähnlich negativ: Die Bilanz für Luftballons. Zu ihren CO2 erzeugenden Herstellungsprozessen (samt Transport) muss die spätere Belastung durch Mikroplastik ebenso wie die tödliche Gefahr der Schnüre und Restteilchen für die Tierwelt hinzugerechnet werden. Daran ändern auch die angeblich harmlosen Bio Varianten einiger Luftballonhersteller nichts. Und so stehen einem Spaßmoment unfassbare CO2 Mengen und der Zerfall belastender Kleinstteilchen gegenüber, dazu unerfreuliche Stoffe, die im Körper aufgenommen werden. Die Bildungsarbeit, zum Beispiel auch in Kindergärten, sei deshalb als eine der bedeutenden Aufgaben in ihrer gemeinsamen Kooperation, hebt Wolfgang-Dieter Glanz hervor. Aus gutem Grund: Der Plastikatlas 2019 der Böll Stiftung warnte, vor allem Kinder seien zum Teil stark mit Weichmachern belastet. Sie sind mit Plastik häufig umgeben, zum Beispiel Spielzeug, und seien am Boden spielend mehr Schadstoffen ausgesetzt. Weichmacher entweichen in die Luft und zählten zu den hormonell wirksamen Substanzen. Aber insbesondere Kinder atmeten bezogen auf ihr Körpergewicht mehr Luft ein als Erwachsene. Zudem sei ihr Stoffwechsel höher. Erkrankungen stehen damit in Zusammenhang: Der Plastikatlas 2019 zählt Brustkrebs, Unfruchtbarkeit, verfrühte Pubertät, Fettleibigkeit, Allergien und Diabetes auf... Wie steht es um das Wissen darum?
„Unsere Zusammenarbeit hat begonnen“, sagt Wolfgang-Dieter Glanz, „auch die Vernetzung auf Kreis- und Gemeindeebene.“ Derzeit sei alles noch im Fluß. „Aber dass wir gemeinsam auftreten beim Kreis und eingeladen werden ist ein Erfolg“, stellt er heraus. „Wir sind einbezogen in den Energiepolitischen Dialog der Klimaschutzagentur.“ Da geht es zum Beispiel um leitungsgebundene Wärmesysteme und wo sie anwendbar wären. Und sind regenerative Quellen am Ende auch preiswert nutzbar? „Das hat ja auch eine soziale Dimension.“ Je länger ein Leitungsnetz, „desto teurer wird es“ - auch bezüglich Instandhaltung; kein Material hält ewig. Dennoch sind die Möglichkeiten vielversprechend: Wärme aus der Kieler Förde etwa. Glanz plädiert deshalb dafür, den Gesetzesrahmen für Wärme (per Pumpe) aus Gewässern zu verbessern. Zugleich müssten noch Lösungen entwickelt werden, beim Ansaugen die Kleinstlebewesen zu schonen, „damit die Tiere davonkommen“. Weit die Nase vorn habe in dieser Entwicklung bereits Neustadt in Holstein. „Es ist die erste und einzige Wärmepumpe in Deutschland, die mit Meerwasser arbeitet“, hebt Jutta Briel hervor. Es sei auch unter Sicherheitsaspekten mit kleinem Risiko behaftet, fügt sie mit Bezug auf die immer häufigeren Angriffe auf Kritische Infrastrukturen in Deutschland hervor, seit Russland die Ukraine am 24. Februar 2022 angegriffen hat. Bei so kleinen Netzen sei dies aber mit zu wenig Wirkung verbunden, als dass sie den Angreifern als lohnenswertes Ziel erscheinen dürften. Deshalb kann die Meerwassernutzung für Fernwärme als „Leuchtturmprojekt“ eine Option sein, meint Joachim Ennen, „daraus versuchen wir zu lernen.“ Diese Herausforderung sieht er bezüglich Klimaschutz aber auch bei öffentlichen Verkehrsmitteln. „Viele Laboer sind für den Weg zur Arbeit nach Kiel auf das Fahrrad umgestiegen“, erzählt er. Möglich mache das die Dietrichsdorfer Fähre alias „Studentenfähre“, da sich einige Fakultäten auf dem Ostufer der Kieler Förde befinden. „Die kostet einen Euro pro Person – das Fahrrad kommt so mit.“ Besser noch: „Das Deutschlandticket schließt die Fähren mit ein“, fügt Jutta Briel hinzu.
Das hört sich fortschrittlich an, doch Ennen, Glanz und Briel sehen mehr Bedarf. „Wir sind dran, dass sich der Förde Transfer weiter entwickelt“, unterstreicht Joachim Ennen. Personalmangel bei der Schifffahrtsgesellschaft verhindere ein breiteres Angebot an Fahrten. Deshalb hoffen sie auf mehr Zusammenarbeit des Kreises Plön mit der Stadt Kiel. Keine Autofahrt – keine CO2-Emissionen. „Wir können das nicht allein, sondern nur auf Kreisebene lösen“, sagt Jutta Briel „Eigentlich sind sie ja verpflichtet zu kooperieren, zwischen Kiel und Kreis Plön“, wirft Wolfgang-Dieter Glanz ein, „im Interesse der Umwelt und der Menschen.“ Das Problem: Beide kommunalen Gebietskörperschaften seien defizitär – knapp bei Kasse. „Daher gucken sie, was sie gesetzmäßig zu erfüllen haben“, erklärt er. „Sie blicken aber nicht darauf, was zukünftig erforderlich ist – und was auf lange Sicht Geld einsparen würde.“
