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„Ich wollte leiten“ Dieter Holst war zehn Jahre lang Bürgervorsteher – heute wird sein Nachfolger gewählt

Dieter Holst

Dieter Holst

Bild: A. Jabs

Eutin (aj). Wenn Dieter Holst als Bürgervorsteher über die Stadtsanierung spricht, wenn er alteingesessenen Betrieben zum Jubiläum gratuliert oder Vereine besucht, dann ist das immer auch eine Begegnung mit der eigenen Biographie. Denn seit 77 Jahren ist diese Stadt sein Zuhause. Gerade fünf Jahre alt war er, als sein Familie nach dem Krieg 1946 nach Eutin zurückkehrte. Man kam zunächst beim Großvater in Fissau unter, Auestraße 1. Wenn er das heute erzählt, erfolgt der Brückenschlag in die Gegenwart prompt: Gegenüber liege der Feddersenhof und schon ist er bei den gescheiterten Plänen für ein Naturparkhaus. Aber zurück zum Lebenslauf, in dem am heutigen Mittwoch ein Schlusspunkt hinter dem Kapitel „Bürgervorsteher“ ansteht. Dieter Holst wird nach zehn Jahren im Amt nicht erneut kandidieren; Anlass, bei einer Tasse Kaffee Rückschau zu halten.

Den nächsten Termin hat er dabei fest im Blick, vor der Tür auf dem Marktplatz ist alles bereit für den Jubiläumsappell des Eutiner Aufklärungsbataillons. Also, fix zurück ins Fissau der späten 40er Jahre. Die Schulzeit beginnt in der Dorfschule, 1951 tauscht die Familie nach einem Umzug das Holzhaus mit Toilette im Stall und Wasser aus der Pumpe gegen eine komfortablere Bleibe. Der Vater arbeitet als Kraftfahrer für C.F. Janus, ist viel unterwegs. Und wenn er da ist, entsteht keine rechte Nähe zum Sohn, nicht untypisch für diese Zeit. Aber Humor hat er und darin liegt dann doch eine Verbindung, eine Gemeinsamkeit. Auf der Voss-Schule ist Holst nur mäßig erfolgreich. Er gibt sich als Rebell, stellt vieles infrage. Gleichzeitig sucht er nach Halt und er erinnert sich genau an den Direktor, der ihn auf dem Schulflur ansprach: „Du siehst immer so traurig aus, hat er gesagt und dann mit mir in Extra-Stunden gelernt, mit Erfolg.“ Eine Episode, die nichts daran ändert, dass Holst bei seinem Abgang bescheinigt wird: „Er verließ die Anstalt, um einen Beruf zu erlernen.“ Heute sagt er: „Schule war nicht so mein Ding.“ Was aber „sein Ding“ ist, danach wird er viele Jahre suchen und diese Suche ist vielleicht der Motor, der ihn auf seinem Weg immer weiter vorangebracht hat.

Holst lässt sich tief in die Karten schauen in diesem Gespräch, er spart nichts aus und hat dennoch die Grenzen wohl gesetzt. Er spricht über sich und seine Stationen als jemand, der beständig über sich nachdenkt und deshalb auch um die Untiefen weiß. Seine Suche führt ihn in die Junge Union, die Familie wählt CDU. 1959 tritt er in die Partei ein. Von 1960 bis 63 absolviert er eine Lehre bei der Kreisverwaltung. Er engagiert sich im Betriebssport, wird Schiedsrichter, ist aktiv im Jugendsport, übernimmt Verantwortung, bringt sich ein. Es kommen die ersten Gelegenheiten, bei denen er vor vielen Menschen sprechen muss – und sich schon mal verzettelt. Eine Lehre aus dieser Zeit lautet: „Es ist gut, wenn man auch mal den Mund hält.“ 1978 wird er zum Stadtvertreter gewählt, im ersten Anlauf war er noch an der Aufstellung gegen einen Mitstreiter gescheitert und hatte die Zeit als Schriftführer genutzt. 1981 steht ein beruflicher Wechsel an: Holst tauscht die Kreisverwaltung gegen das Eutiner Rathaus, ist zuständig für Schule, Jugend, Sport und Soziales, wird Hauptamtsleiter, Amtsrat, Oberamtsrat: „EDV war damals ein großes Thema“, erzählt der Bürgervorsteher. Er erinnert sich gut, an Details, an die Stimmung.

Und der Mensch Dieter Holst? Sucht weiter, stellt sich mancher persönlichen Krise und fragt sich: Wer passt zu mir? Heute weiß er für sich: „Man muss im Leben Auseinandersetzungen durchmachen, um zu erfahren: Wie stehen wir zueinander?“. Er kennt viele Menschen, pflegt viele gute Bekanntschaften, die tiefen Freundschaften aber sind rar gesät. Mit Beginn der Rente 2006 nimmt er das kommunalpolitische Engagement wieder auf, 2013 wird er als Nachfolger von Hans-Joachim Meseck zum Bürgervorsteher gewählt: “Ich wollte immer leiten”, sagt er. Ziel erreicht. In die zehn Jahre, in denen er der Stadtvertretung vorsitzt, fallen mit der Landesgartenschau und der Stadtentwicklung maßgebliche Großprojekte. Er erlebt diese intensiven Phasen in der Doppelfunktion als Mit-Verantwortlicher und Repräsentant. Die letzten Jahre bringen mit der Corona-Pandemie eine besondere Herausforderung. Das Machbare umsetzen, dem Stillstand trotzen, das prägt seinen Umgang mit dieser Krise. Und jetzt ist Schluss.

Was bleibt außer den sichtbaren Ergebnissen? Zunächst einmal Zeit für die Familie. Holst ist verheiratet, hat vier Kinder, zwei Enkel, seine Schwiegermutter ist im Mai 90 Jahre alt geworden. Er wird dazu kommen zu reisen, zu fotografieren und die vielen Fotografien, Super8-Filme, Dias und Videos zu sortieren. Und dann ist es ja nur ein Abschied von der Eutiner Politik, der da heute ansteht. Dieter Holst ist Landes-Vorsitzender der Senioren-Union und als solcher auch auf Bundesebene unterwegs. Ein gefragter Mann, oder wie er mit leisem Grinsen sagt: “Man kümmert sich um mich, das ist erarbeitet!” Was er in seiner langen Laufbahn gelernt hat? “Das sind alles Menschen, man sollte die Ehrfurcht vor den Autoritäten abbauen und sie als Menschen ansprechen.” Kann man das denn mit ihm? Wieder ein Grinsen: “Mittlerweile schon!” Noch ein Foto von ihm, das Rathaus im Hintergrund. Dann nimmt er Platz im Gästebereich des Jubiläumsappells. Gelassen und mit nur einem Hauch von Wehmut. Die Tatsache, dass seine Amtszeit als Bürgervorsteher fast zuende ist, hat er längst durchlebt.


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