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Reporter Eutin

Neue Ausstellung im Ostholstein-Museum: Mit Messer und Haube

Eutin (aj). Es ist ein weiter Weg vom Selbstverständnis der Ernestine Voß, Ehefrau des Eutiner Dichters und Übersetzers, zum Ich-Gefühl der Persephone, wie sie der Künstler Timo Schulz 2007 mit kühnem Strich ins Bild setzt. Mit der tradierten Vorstellung von der Göttin der Fruchtbarkeit, hat Schulz’ junge Frau nicht viel gemeinsam: Provokation, die Bereitschaft, bis zum Äußersten zu gehen – diese Frau erteilt allen Erwartungen eine Absage.


Und das überdeutlich: Sie erhebt das Messer, drohend über dem schneeweißen Vogel, den sie doch mütterlich im Arm hält. Sie weiß, was man ihr zuschreibt und sie sagt Nein. Und Ernestine Voß? Johann Heinrich Wilhelm Tischbein porträtiert sie in stiller Genügsamkeit als Frau, die den Platz, der ihr zugedacht ist, einnimmt - Haube statt Kurzhaarfrisur. Unter der Haube aber: Ein kluger unverwandter Blick. Es sind diese Unterschiede, die krassen Gegensätzlichkeiten und die Entwicklung, die sich daran ablesen lassen, die die aktuelle Ausstellung im Dachgeschoss des Ostholsteins-Museums in Eutin zu einem reizvollen Spannungsfeld machen: „Frauenbilder” heißt die Schau, die vom heutigen Freitag an zu sehen ist.

Museumsleiterin Dr. Julia Hümme und Kuratorin Sophie Matuszczak haben aus dem hauseigenen Bestand zahlreiche Darstellungen von Frauen ausgewählt. Die Werke umfassen einen Zeitraum von 250 Jahren, vom Spätbarock bis in die Neuzeit und entsprechend offenbart sich ein Wandel: im Rollenverständnis und in der Art der Darstellung. Hümme und Matuszcak nehmen keine Wertungen vor, die Ausstellung ist kein feministisches Statement. In kurzen Texten werden den Betrachtenden Informationen zu einzelnen Werken an die Hand gegeben, gerade genug, um eigene Einordnungen vorzunehmen oder zu hinterfragen. Die Malereien, Zeichnungen, Grafiken, Fotografien und Skulpturen sind in Kojen arrangiert. Eindeutige Zuschreibungen lösen sich spätestens beim zweiten Blick auf, auch wenn die Tendenz klar scheint: Mit den modernen Zeiten wird auch der Spielraum größer für weibliche Lebensentwürfe. Wirklich? Ist die Welt der Louise Wagner, deren ganzer Lebensschmerz aus ihrem Selbstporträt (Mitte 20. Jahrhundert) spricht, so weit entfernt von der der adeligen Damen, die nicht nur ins textile Korsett gezwungen wurden?

Es ist eine Ausstellung, die Fragen stellt und die Antworten nicht mitliefert: „Und es ist ausdrücklich eine Ausstellung, die sich nicht nur an Frauen wendet”, betont Dr. Julia Hümme. Klischees aufzulösen, das vermag die Kunst. Zeigt „Der Kuss” von Peter Behrens (1894) zwei Frauen, ein Hetero-Paar, zwei Männer? Und wer will das eigentlich wissen? Wer sich für Kunstgeschichte interessiert, interessante Persönlichkeiten entdecken will oder dem Wandel des weiblichen Rollenbildes nachspüren will, ist hier richtig. Die Ausstellung läuft bis zum 31. Januar 2024 und ist Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr sowie feiertags von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Informationen zu Führungen gibt es auf www.oh-museum.de


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