Marlies Henke

„Das Alter nicht so wichtig nehmen“ – Irene Lucanus feierte 105. Geburtstag

Irene Lucanus nahm am Freitag viele Blumen und Glückwünsche entgegen.

Irene Lucanus nahm am Freitag viele Blumen und Glückwünsche entgegen.

Bild: Marlies Henke

Schönwalde. Als Irene Lucanus am 22. August 1920 in Lübeck das Licht der Welt erblickte, war die Welt noch eine andere. Die Abdankung von Kaiser Wilhelm II. lag gerade mal zwei Jahre zurück. Radiosender und Tonfilme standen noch in den Startlöchern. Und im Ostseebad Travemünde, Irenes Lucanus Heimat, ging es ein wenig beschaulicher zu als heute.

105 Jahre später sitzt die Jubilarin am Fenster zum Garten des Senioren- und Pflegeheims Strunkeit. Die Sonne fällt durch die Bäume. Blumen und ein Zitronenkuchen – liebevoll gebacken von der Backgruppe des Hauses – duften auf dem Tisch neben ihr. Immer wieder kommen Gratulanten vorbei an diesem Freitag, an dem sie ihren 105. Geburtstag feiert. Seit März letzten Jahres wohnt Irene Lucanus hier in einem hellen Einzelzimmer mit Blick auf den Bungsberg. Bis dahin lebte sie alleine zuhause in Travemünde. „Dort konnte ich bummeln, das war eine schöne Zeit“, erzählt sie. Besonders die täglichen Spaziergänge entlang der Promenade und durch den Ort hat sie geliebt. „Das vermisse ich hier schon ein bisschen.“

Doch auch in Schönwalde kommt sie ohne Bewegung nicht aus: Jeden Tag dreht sie ihre Runde im Pommernring. Kein Angebot im Heim bleibt ungenutzt, von der Montagsgymnastik über Gedächtnistraining, Kaffeeklatsch bis zum bunten Vormittag am Samstag. Dabei legt sie großen Wert auf ein gepflegtes Äußeres. „Zum Friseur gehe ich regelmäßig“, betont sie. Hilfsmittel braucht sie kaum. Nur ein Rollator begleitet sie auf ihren Wegen.

Wenn Irene Lucanus aus ihrem langen Leben erzählt, tauchen immer wieder Erinnerungen an die Kriegsjahre auf. Anfang der 40er Jahre, mit 22 Jahren, arbeitete sie in einem Lazarett in Frankreich. „Den Krieg habe ich dort gar nicht so mitbekommen“, sagt sie, „Und trotz allem gab es auch schöne Dinge, wie die Südfrüchte, die es bei uns damals nicht gab.“ Zwei Jahre später kehrte sie mit dem Bus nach Travemünde zurück, wo das Elternhaus durch den Krieg zerstört war. Der Vater baute es Stück für Stück wieder auf.

Auch die Hochzeit mit ihrem Mann fiel in die Kriegszeit. „Bei unserer Trauung im Standesamt ging der Alarm los. Ich habe meine Schuhe ausgezogen und bin auf Strümpfen mit den anderen in den Keller gegangen“, erinnert sie sich und wird nachdenklich.
Ihr Mann und ihr Sohn sind längst verstorben. Doch die Familie bleibt ein wichtiger Teil ihres Lebens. Ihre Enkeltochter und die beiden Urenkelinnen besuchen sie regelmäßig. Und diese gemeinsamen Stunden sind für die 105-Jährige besonders wertvoll.

Auf die Frage nach einem Rezept für ihr hohes Alter lacht Irene Lucanus nur kurz und schüttelt den Kopf. Aber dann verrät sie doch ein paar Gedanken: „Viel Bewegung und das Negative nicht so sehr an sich heranlassen. Und vor allem: das Alter nicht so wichtig nehmen – einfach die Jahre nicht mitzählen.“ (he)


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