

In den zwölf Nächten zwischen Weihnachten und Dreikönig mischen sich alte Vorstellungen, religiöse Elemente und volkstümliche Überlieferungen. Manche sehen darin einen uralten Brauch, andere rein esoterische Tradition. Sicher ist jedoch: Die sogenannten Raunächte erfahren heute besondere Aufmerksamkeit.
In Buchhandlungen häufen sich Ratgeber, auf Instagram kursieren Räucheranleitungen und viele Menschen interessieren sich erneut für diese besondere Zeit im Jahreslauf.
Eine besondere Zeit zwischen den Jahren
Viele empfinden die Tage nach Weihnachten als eine Phase des Innehaltens. Das alte Jahr liegt gefühlt hinter uns, das neue hat noch nicht begonnen. Dieses Empfinden hat eine lange Geschichte. Schon früher wurden die längsten Nächte des Jahres als Schwellenzeit wahrgenommen. Wintersonnenwende, Julfest, Heiligabend und die Heiligen Drei Könige liegen dicht beieinander und wurden traditionell als Übergang von Dunkelheit zu neuem Licht verstanden.
Regeln und Orakel
In ländlichen Regionen verbanden sich mit den Raunächten zahlreiche Regeln. Keine Wäsche waschen, keine Haare schneiden, Ordnung halten. Vieles davon beruhte auf Aberglauben und sollte Unheil abwenden, manches stärkte schlicht die Aufmerksamkeit füreinander im Haus.
Gleichzeitig wurden Bräuche entwickelt, die einen Blick in die Zukunft ermöglichen sollten. Im Erzgebirge bestreute man Zwiebelschalen mit Salz, um daraus das Wetter des kommenden Jahres zu deuten. Bis heute halten sich Orakel, etwa beim Wachsgießen oder Bleigießen zu Silvester. Selbst das traditionelle Böllern in der Neujahrsnacht geht ursprünglich auf Versuche zurück, dunkle Kräfte fernzuhalten.
Rituale im digitalen Zeitalter
Während früher in den Häusern geräuchert wurde, hat die Spiritualität inzwischen auch digitale Räume erreicht. Auf Social Media finden sich Anleitungen zum Räuchern mit Johanniskraut oder Alant. Sehr verbreitet ist das Ritual der dreizehn Wünsche. Dafür werden Wünsche für das kommende Jahr auf Zettel geschrieben. Zwölf davon werden während der Raunächte verbrannt, der dreizehnte bleibt als Aufgabe für einen selbst.
Aberglaube oder Psychologie
Viele dieser Rituale wirken esoterisch, doch Psychologen erkennen darin durchaus eine hilfreiche Wirkung. Wer sich mit eigenen Zielen beschäftigt, richtet seinen Blick bewusst nach vorn. Auch wenn Wünsche symbolisch „dem Universum überlassen“ werden, arbeitet man häufig unbewusst an ihrer Umsetzung. Die Raunächte ermöglichen zudem das Gefühl, etwas geklärt zu haben und bewusst in das neue Jahr zu gehen.
Mehr Sinn als Mythos
Ob alte Tradition, spirituelles Ritual oder moderner Trend: Die Raunächte erfüllen offenbar ein Bedürfnis nach Ruhe, Orientierung und nach einem Übergang, der bewusst gestaltet wird. In einer Zeit, in der der Alltag selten Pausen lässt, bieten die Nächte zwischen Weihnachten und Dreikönig die Gelegenheit, kurz innezuhalten und mit Klarheit in das neue Jahr zu starten. (gm)



