Marlies Henke

„Gemeinsam etwas zu erreichen, ist eine schöne Erfahrung“ – Im Gespräch mit Marleen Gosdzinski

Marleen Gosdzinski an ihrem Lieblingsort, der Ostsee am Strandbad.

Marleen Gosdzinski an ihrem Lieblingsort, der Ostsee am Strandbad.

Neustadt. Was bewegt Menschen, sich für andere einzusetzen? Warum opfern sie Zeit und Kraft, um Nachbarn und Mitbürgern zu helfen? Für eine Sache zu kämpfen? In unserer neuen Serie „Aufstehen für Verantwortung“ gehen wir diesen Fragen auf den Grund und stellen einmal im Monat einen engagierten Menschen vor. Heute: Marleen Gosdzinski. Sie ist Schülerin am Küstengymnasium und Präsidentin des Kinder- und Jugendparlamentes in Neustadt. Der reporter hat die 14-Jährige zu ihrem Engagement befragt.
 
der reporter: Wie bist Du zu Deinem Amt gekommen?
Marleen: Mein Vorgänger ist vor einem halben Jahr zurückgetreten und ich wurde für die restliche Amtsperiode bis Ende Mai gewählt.
 
Und wie kamst Du überhaupt auf die Idee, Dich im Kinder- und Jugendparlament zu engagieren?
Marleen: Ich hatte früher mal ein Anliegen an das Kinder- und Jugendparlament weitergeleitet und das wurde dann vergessen. Ich find’s schade, wenn Leute große Versprechungen machen, die sie nicht einhalten können. Oder bei Entscheidungen einfach nur abnicken. Da habe ich mir gesagt: Jetzt ist Schluss, jetzt mach ich das lieber selber. Dann weiß ich auch, ob etwas durchgesetzt werden kann oder nicht.
 
Was kannst Du denn in dieser Position bewirken?
Marleen: Ich glaube tatsächlich, dass wir viele Rechte haben und als Kinder- und Jugendparlament relativ viel bewirken können. Das Anliegen muss natürlich mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben. Aber dafür können wir Anträge stellen oder auch Sachen verhindern. Wenn die Stadt etwas beschließen will, beispielsweise Baupläne für Spielplätze, werden die immer ans Kinder- und Jugendparlament weitergeleitet und müssen so lange geändert werden, bis wir sie durchwinken.
 
Was motiviert Dich zu diesem Engagement?
Marleen: Gemeinsam etwas zu erreichen, ist eine schöne Erfahrung. Ich bin dazugekommen, als unsere neue Skaterbahn fertig war. Auf der Einweihung waren viele glückliche Leute. Es ist einfach total schön, wenn man ein fertiges Endprodukt sieht, bei dem man ein bisschen mitgemacht hat – das motiviert mich. Und dann macht es mir wirklich auch sehr viel Spaß. Die Jugendlichen und Erwachsenen sind alle total nett, mit denen kann ich gut zusammenarbeiten.
 
Was wünscht Du Dir ganz konkret für Neustadt?
Marleen: Wir hatten schon in einem Workshop mit dem Bürgermeister darüber gesprochen, was wir uns für Neustadt wünschen. Ganz oft tauchte dabei ein Wunsch auf, den auch ich vertrete: die Aufwertung des Strandbadbereiches. Wir haben hier so ein schönes Meer, das ist doch etwas Besonderes! Wie gut würde dort zum Beispiel ein Eisladen hinpassen. Im Sommer bin ich gern mit anderen Kindern und Jugendlichen am Strandbad und ich glaube, das würde sehr gut ankommen. Dann könnte das WLAN-Netz in Neustadt noch verbessert werden. Und ich finde auch, das man mehr für die Natur machen muss.
 
An was denkst Du dabei? Wie sieht es etwa mit „Fridays for Future“ aus?
Marleen: Wünschen würde ich mir „Fridays for Future“ für Neustadt schon. Wir haben im Parlament darüber nachgedacht, aber für so eine Demonstration muss man Öffentlichkeitsarbeit betreiben, damit viele Leute kommen. Man braucht für den Zug Genehmigungen und Polizeischutz – das war eine Nummer zu groß für uns zum Organisieren. Aber wir wollen zum Beispiel eine Müllsammelaktion machen und Neustadt ein bisschen sauberer und nachhaltiger gestalten.
 
Was wäre denn Dein schlimmstes Zukunftsbild von Neustadt in 10 Jahren?
Marleen: Wenn hier alles überschwemmt wäre. Aber inwiefern und ob das Schmelzen der Gletscher und der Anstieg des Meeresspiegels dann schon Auswirkungen auf Neustadt hat, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Schlimm wäre daher aus meiner Sicht auch, wenn sich nichts ändert. Wenn alles so bleiben würde, wie es ist, dass nämlich viele Leute gar nichts tun für das Klima.
 
Und was wäre Deine schönste Vision?
Marleen: Unsere Schule wird ja jetzt renoviert und ich hoffe, dass dort alles besser digitalisiert wird und es eine Aufwertung gibt. Ich fänd’s toll, wenn es am Strandbad und am Hafen belebter würde. Und – in 10 Jahren wäre ich 24: Wenn Menschen in meinem Alter hier wohnen bleiben wollen, stellt sich die Frage nach bezahlbarem Wohnraum. Den gibt es hier wegen der besonderen Lage am Meer ja relativ wenig.
 
Möchtest Du denn hier bleiben?
Marleen: Ja, schon. Ich kann mir aber auch vorstellen, wegzugehen. Ich möchte gern Lehrerin werden für WiPo, Englisch und Geschichte und ich weiß nicht, ob es so gut ist, an dieselbe Schule zurückzukehren. Vielleicht braucht man da mal frischen Wind. Aber abgesehen vom Beruf, fänd ich es schön, hier wohnen zu bleiben. Die Ostsee ist einfach ein riesiges Argument dafür.
 
Hast Du für Dein Engagement ein Vorbild? Was hältst Du zum Beispiel von Greta Thunberg?
Marleen: Ich bin dafür, dass der Klimawandel gestoppt wird, aber Greta Thunberg vertritt einige Meinungen, die ich so nicht unterschreiben würde. Zum Beispiel, dass Atomkraft ein wichtiger Bestandteil ist, um das Klima zu schützen. Das finde ich gar nicht. Man sollte Atomkraftwerke abschaffen. Ich weiß nicht – ich habe eigentlich gar kein richtiges Vorbild. Mein Vater ist WiPo-Lehrer und war schon immer politisch interessiert. Von ihm habe ich mein Interesse für Politik. Aber ein bekanntes Vorbild fällt mir nicht ein.
 
Was würdest Du Gleichaltrigen sagen, damit sie sich für ihre Mitmenschen oder für eine Sache engagieren? Hast Du vielleicht einen Geheimtipp, wie man den ein oder anderen motivieren könnte?
Marleen: Ich glaube, dass es viele gute Beispiele gibt für das, was wir als Kinder- und Jugendparlament erreicht haben. Es stimmt einfach nicht, dass Du hier nichts erreichen kannst. Das Ding ist aber, wenn die Leute nicht wollen, dann bringt es auch nichts, sie zu motivieren. Wenn man nicht hinter dem steht, was man tut, kommt auch nichts dabei heraus.
 
Trotzdem hättest Du jetzt und hier die Gelegenheit zu einem Aufruf.
Marleen: Wir suchen dringend Nachfolger, die motiviert sind. Wenn sich also Leute für Politik interessieren und gerne etwas bewirken wollen, die noch zu jung sind, um in die „großen“ Ausschüsse zu gehen, sollen sie sich gerne bewerben. Denn wenn es zu wenig Bewerbungen gibt und wir nicht weiterbestehen können, haben Kinder und Jugendliche keine Möglichkeit mehr, sich in Neustadt zu beteiligen. (he)
 
Im September 1997 fand die erste Wahl des Neustädter Kinder- und Jugendparlamentes statt. Seitdem wurden zahlreiche Projekte umgesetzt, wie etwa das Jugendcafé am Kremper Tor, die Wasserrutsche am Strandbad oder die Skaterbahn am Gogenkrog. Weitere Informationen, auch zu der Wahl im Mai gibt es unter www.neustadt-jugend.de sowie bei Andreas Adler unter Tel. 04561/559266 oder aadler@stadt-neustadt.de.


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