Petra Remshardt

Unternehmer balancieren auf dem Hochseil

Ostholstein. Ihre Wahl an die Spitze des Unternehmensverbandes Ostholstein-Plön im März 2020 wird Lydia Bahn so schnell nicht vergessen. Parallel zur Einarbeitung in das neue Amt stellt die Corona-Virus-Pandemie völlig ungewohnte Herausforderungen. Betroffen sind grundsätzlich alle Mitgliedsunternehmen.
Nach dem ersten Ansturm auf notwendige Informationen geht es jetzt häufig ums Überleben. „Insbesondere für unsere Mitglieder aus dem Bereich Tourismus, Hotellerie und Gastronomie kann der verfehlte Saisonbeginn eine existenzielle Bedrohung bedeuten! Der Start in den Frühling ist ausgefallen, für das Ostergeschäft sieht es nicht anders aus“, so Lydia Bahn. Dabei sorgen die nächsten drei Wochen üblicherweise für die ersten großen Einnahmen des Jahres. Das gilt auch für Garten- und Pflanzenmärkte, denen jetzt die Käufer wegbleiben. Die kommenden Monate gelten als entscheidend für das Jahresergebnis. Fehlende Einnahmen sind nicht nachzuholen: ausbleibende Gäste, verwelkte Blumen, drückende Betriebskosten … - die Liste ist lang. Und dabei bleibt Optimismus oft auf der Strecke, stattdessen machen sich massive Existenzängste breit. Davon sind Unternehmer und Selbstständige ebenso betroffen wie ihre Angestellten. Die im Regelfall rasche Bewilligung von Kurzarbeitergeld ist durch die Bundesagentur für Arbeit sichergestellt. Dennoch berichten Mitglieder leider vermehrt von Entlassungen als letztem Ausweg.
Schwierig gestaltet sich zudem die Vergabe von Krediten. „Wir müssen aufpassen, dass der Mittelbau unserer Wirtschaft nicht wegbricht“, so Lydia Bahn. Gemeint sind Arbeitgeber mit einer Größenordnung von 11 bis 249 Beschäftigten, sie benötigen ein maßgeschneidertes Sicherungsnetz. Selbst bei der Bereitschaft, neue Kredite aufzunehmen, bleibt ihnen in der gegenwärtigen Situation kaum Luft zum Atmen. „In der Berichterstattung geht oft unter, dass es sich um Kredite handelt, also um weitere Unternehmensschulden und nicht um echte Hilfen - Liquidität auf Kosten der Zukunftsfähigkeit“, so Geschäftsführer Hannes Wendroth. Wer sich entscheidet, Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen, schränkt seinen finanziellen Spielraum für die nächsten Jahre mitunter massiv ein. Das Geld fehlt dann an anderer Stelle. Im Netzwerk des Unternehmensverbandes sind die Vertreter von Banken und Sparkassen jetzt ebenso gefordert, wie Steuerberater und andere Experten wie die Wirtschaftsmentoren Schleswig-Holstein. „Ohne externe Unterstützung taugt das beste Angebot nichts, der Förderdschungel scheint dem Laien unüberwindbar. Wir helfen beim Durchkommen und zwar mit ganzem Einsatz“, so ein engagierter Banker.
Für das Bau- und Ausbauhandwerk ist gegenwärtig noch eine leicht gehemmte Grundbeschäftigung zu verzeichnen. Bestehende Aufträge werden abgearbeitet. Sorgen machen ausbleibende Folgeinvestitionen - besonders dann, wenn die Gewerbezweige Tourismus, Hotellerie und Gastronomie aufgrund ihrer eigenen Situation als Auftraggeber auf breiter Front wegfallen werden.
Lydia Bahn, die als selbstständige IT-Unternehmerin um die Belange ihrer Mitglieder weiß, lässt sich wie viele andere den Optimismus nicht nehmen. Sie setzt auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt,
das große Engagement der Politiker ebenso wie auf die Solidarität der Verbraucher mit den regionalen Anbietern. „Positives Handeln stärkt uns und unser Immunsystem. Auch wenn wir zwei Meter Abstand halten müssen, dürfen wir andere Menschen weiterhin grüßen, anlächeln und ihnen eine Freude machen“, stellt Lydia Bahn schmunzelnd fest. „Wie das geht? - Ganz einfach: Viele Bauern sind in Not, ihnen fehlen die Erntehelfer. Wer helfen will kann sich unter ‚bauersuchthilfe.de‘ registrieren lassen. Und weil unter der Woche der Job ruft, bleibt vielleicht nur das Angebot für einen Wochenendeinsatz - so habe ich das gemacht!“ (red)


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