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Petra Remshardt

„Fangt an Tradition zu leben“ - Vaterländische Rede von Albert Haase

Neustadt. "Als ich vor 30 Jahren als Vertreter der nachfolgenden Generation die vaterländische Rede halten durfte, wich ich bewusst von den Themen über unser Vaterland ab.
 
Mein Thema war: Wie entwickelt sich die Gilde zum Ende des 20. Jahrhunderts, welche Veränderungen und Angebote werden für junge Bewerber gemacht? Wie Sie sehen, ein Thema, welches auch noch heute von Bedeutung ist.
 
Würde ich den Inhalten der letzten vaterländischen Reden folgen, müsste ich die aktuellen Themen in Deutschland, Europa und der Welt wie: Syrien, Türkei, Griechenland, Paris, Brüssel, Köln oder Putlos zum Inhalt machen. Das habe ich für mich ausgeschlossen!
 
Mein Thema entspringt dem Grußwort unseres Propstes Süssenbach aus dem letzten Jahr. Er führte aus, dass er bei dem Begriff „Schützengilde“ nicht nur an das Schießen, sondern vordringlich an das „Beschützen“ und Bewahren denkt.“ Ja, die Gilden war ursprünglich bürgerliche Schutzgemeinschaften. Es ging dabei zum Beispiel um den kriegerischen Schutz, Abwehr gegen Hochwasser, Feuer und Krankheiten. Diese Aufgaben sind heute von den dazu gehörenden Einrichtungen abgenommen.
 
Welche Aufgaben sind nach wie vor von den Gilden zu bewahren, zu beschützen? Schützenbruder Heinrich Evers würde sofort den Erhalt und Förderung der Plattdeutschen Sprache reklamieren, Schützenbruder Rolf Borchert würde das Liedgut, Durchführung und Pflege benennen und die Schützenbrüder Eckert Groth, Uwe Muchow, Claus zum Felde und Heinz Kassner haben sich der Ordnung und Sichtbarmachung der alten Fotos und Schriften angenommen. Sie alle haben für ihren Einsatz unseren Dank und Applaus verdient.
 
Mir bleibt als Silberwart und Siegelbewahrer der Silberschatz, die Fahnen, Laden und andere gildebezogene Gegenstände. Nicht unerwähnt möchte ich die Restaurierung unserer ältesten Fahne von 1840 nennen, die als wichtiger Beitrag für eine Ausstellung im „zeiTTor“ im nächsten Jahr dienst. Hier haben die Gildebrüder Uwe Muchow und Eckert Groth sowie der Vorstand gemeinsam einen wertvollen Beitrag zur Traditionspflege geleistet. Nachzulesen in unserer Festzeitschrift, Seite 10.
 
Bewahren heißt für mich nicht „Verwahren“ und „Wegschließen“! Tradition zu bewahren bedeutet für mich auch den Umgang und Pflege des Überlieferten zu händeln. Hierzu können wir alle einen Beitrag leisten. Nach meinen heutigen Kenntnissen verfügt unsere Gilde über einen Silberbecher-Schatz, der seinesgleichen in Schleswig-Holstein sucht. Unsere ältesten Becher sind circa 1500 datiert und somit über 500 Jahre alt. Im Gegensatz zu weiteren Bechern sind sie in reiner Handarbeit von Silberschmiedemeister gefertigt. Einen besonderen Wert stellen auch die Gravuren dar. Die Becher der Neuzeit sind mit Zuhilfenahme von Maschinen entstanden. Nicht zu vergessen sind die Entwicklung und Fertigung der dazu notwendigen Handwerkszeuge und somit ein Entgegenwirken des Verschwindens handwerklicher Berufe.
 
Unser König, Detlef Scheel, hat sich bei seinem Königsschild etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Somit hat er einen wichtigen Beitrag zur lebendigen Traditionspflege der Nachwelt geschenkt. In Zusammenarbeit mit dem Silberschmied entstand eines der schönsten Königsschilder in reiner Handarbeit. Wie sehr er sich damit beschäftigt hat, ist darin nachzuvollziehen, dass er uns die Bedeutung des Bäckerwappens und den geschichtlichen Hintergrund mitgeliefert hat. Siehe Seite 6 der Festzeitschrift.
 
Wenn wir stolz auf unseren Schatz sein dürfen, dann sollten wir es auch damit bekunden, dass wir die „Becher“ nicht nur als Dekoration, sondern als praktisches Trinkgefäß benutzen! So habe ich auch meine Aufgabe als Silberwart verstanden. Früher bestand diese nur auf das Verwahren und Putzen! So möchte ich auch alle Schützenbrüder auffordern, die von ihnen erworbenen Silbergewinne, also die Löffel, in die tägliche Nutzung zu nehmen. Hier wird dann auch praktische Gilde-Tradition stolz ins Leben geführt.
 
Auch der Vorstand ist sich der Verpflichtung der Traditionspflege sehr bewusst! Aufmerksame Beobachter haben sicherlich schon bemerkt, dass auf der Gewinntafel die Königskelle fehlt. 1733, also vor nicht ganz 300 Jahren bekam der König einen Silberbecher in 12 Lot, nachzulesen in einer Veröffentlichung von unserem Ehrenvorsitzenden Johann-Hugo Koch. Dieses Geschenk ist jetzt wieder in Form eines versilberten und innen vergoldeten Trinkbechers zurückgekehrt. Wenn das nicht lebendige Traditionspflege ist!
 
Wir wünschen uns, dass der neue König ihn jeden Tag benutzt und bei besonderen Anlässen seinen Ehrengast daraus trinken lässt. Aus dem Becher schmeckt nicht nur das Bier, Wein oder Sekt, sondern auch Wasser und Milch köstlich!
 
Heute Morgen haben wir beim Empfang auf dem Rathaus etlichen Gästen diese Traditionspflege ermöglicht und heute beim Frühstück stehen wieder diese silbernen Kostbarkeiten bereit, genutzt zu werden! Seien Sie mutig und traditionsbewusst!
 
So, nun beende ich meine Ausführung über das Bewahren und Leben von und in Tradition. Ich hoffe, dass mein Appell Sie gleich erreicht!
 
In aufwendiger Inanspruchnahme von Zeit ist jetzt eine beginnende Dokumentation entstanden, die den Werdegang unserer vaterländischen Reden beinhaltet. Wir sind wohl die einzige Gilde in Schleswig-Holstein, die eine solche Rede bei ihrem Vogelschießen kennt. Sicherlich wird sie demnächst allen Interessierten, besonders auch den Gilden in Schleswig-Holstein, auf unserer Internet-Seite zugängig sein. Hier gilt unser Dank dem Schützenbruder und Firmeninhaber des Baltikum-Verlages Uwe Muchow!
 
Nach dem Applaus und Überreichung an den Vorstand wollen wir die angekündigte Traditionspflege praktizieren, in dem wir aus den Silberbechern und andere aus Gläsern auf das Wohl der Gilde und unserer Heimatstadt Neustadt trinken."


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