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Alexander Baltz

Für drei Jahre auf der Walz - Felix Lambeck startete am Sonntag in das Abenteuer seines Lebens

Neustadt. Unzählige vorbeifahrende Autofahrer am Ortseingangsschild von Neustadt staunten am vergangenen Sonntagmittag nicht schlecht: Über 30 Personen hatten sich am Kremper Weg versammelt, um gemeinsam den Zimmermann Felix Lambeck zu verabschieden. Familienangehörige, enge Freunde, Nachbarn und jede Menge Handwerks-Kollegen waren gekommen, um bei dem Spektakel dabei zu sein, wenn sich Felix auf Wanderschaft begibt und für drei Jahre nicht in seine Heimat zurückkehren darf.
 
Auf die Walz gehen“ - etwas, das immer weniger Menschen kennen. Und vor allem das Ritual, welches zur Verabschiedung gehört. Dass Menschen früher nach dem Ende ihrer Lehrzeit auf die Walz gingen, um andere Länder, fremde Orte und unterschiedliche Arbeitspraktiken kennenzulernen, war weit verbreitet. Heute allerdings bringen immer weniger Handwerker den Mut auf, die alte Tradition zu leben. „Felix ist der einzige von 19 Junggesellen, der nach der Freisprechung auf die Walz geht. Natürlich hat man Sorgen und ist traurig, aber er wollte es so“, erklärte Vater Thomas Lambeck im Gespräch mit dem reporter. Noch angespannter war am Sonntag Mutter Ulrike Gollan-Lambeck, die zwischendurch mit den Tränen kämpfte. „Wir haben uns schon Tage vorher die Zeit genommen, über alles in Ruhe zu reden. Fest steht, dass wir seine Entscheidung zu akzeptieren haben“, sagte sie gefasst.
 
Ausgerüstet mit Gepäck, Wanderstock, Wanderbuch, einer Salami und fünf Euro Taschengeld musste der 21-jährige Felix erstmal kräftig buddeln. Neben dem Ortseingangsschild von Neustadt sollte er auf Anweisung seines Export-Gesellen Matthias Müller aus Schaffhausen in der Schweiz, der ihn die ersten zwei bis drei Monate auf seiner Wanderschaft begleitet, mit seinem Wanderstab in schweißtreibender Arbeit ein 80 Zentimeter tiefes Loch graben. In dieses wurde frostsicher eine Flasche Schnaps sowie eine Flasche gefüllt mit guten Wünschen der Anwesenden (diese wurden vor Ort auf Zetteln notiert und in die Flasche gegeben) versenkt. Nach seiner Rückkehr in drei Jahren darf Felix alles wieder ausgraben und die Erinnerung an den Tag seines Aufbruchs genießen.
 
Danach musste Felix eine Deutschlandkarte aus dem Kopf zeichnen und wichtige Städte richtig anordnen. Wenig später ging es ans Abschiednehmen, wobei sich jeder der Anwesenden Zeit nahm, persönliche Worte an den Reisenden zu richten.
 
Nun wurde es ernst. Zunächst musste Felix sein Gepäck über das Ortsschild werfen, bevor er auf Selbiges hinaufkletterte - so will es das traditionelle Ritual. Oben sitzend durfte er noch ein Bier trinken, dann musste er sich rückwärts nach hinten fallen lassen, um dort von anderen Wandergesellen aufgefangen zu werden. Kurz blieben dabei seine Füße am Ortsschild hängen - seine Heimatstadt wollte ihn wohl nicht so einfach gehen lassen.
 
Auf der anderen Seite angekommen, durfte sich Felix nicht mehr umdrehen, sondern musste seine Wanderschaft mit dem Blick geradeaus antreten.
 
„Ich bin gespannt und freue mich auf die Walz und auf meine Wiederkehr. Man weiß nicht, was kommt“, so der Junggeselle. Im ersten Jahr wird Felix im deutschsprachigen Raum unterwegs sein, im zweiten in ganz Europa und im dritten Jahr geht es nach Übersee. Erste Ziele sind zunächst Rendsburg und Himmelpforten. Auf der Walz darf man sich zu Fuß oder per Anhalter fortbewegen - für Unterkunft und Fortbewegung darf aber kein Geld ausgegeben werden. Und: Mit exakt fünf Euro in der Tasche muss Felix nach genau drei Jahren und einem Tag wieder zurückkehren.
 
Die Eltern blickten ihrem Sohn noch lange mit dem Fernglas nach, bis Felix hinter der Kurve Richtung Altenkrempe verschwand. (ab)


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