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Gesche Muchow

Ostholstein als Problemzone des Nordens?

Ostholstein. Mit großem Erstaunen erfuhren die Ostholsteiner kürzlich, dass ihr kleiner feiner Kreis zu den gefährdeten Regionen Deutschlands gehört. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hatte in einer Anfang August veröffentlichten neuen Studie, die Zukunft der Regionen in Deutschland untersucht und dabei auch Ostholstein beziehungsweise die Raumordnungsregion Schleswig-Holstein Ost unter die Lupe genommen. Ergeben hat die Studie, dass es 19 von 96 deutschen Regionen aus wirtschaftlicher, infratsruktureller und demografischer Sicht schlecht geht. Elf „Problemzonen“ liegen in Ostdeutschland, vier Regionen in Nordrhein-Westfalen entlang der Ruhr. Hinzu kommen Bremerhaven, das Saarland, die Westpfalz und - man höre und staune - auch Schleswig-Holstein Ost gehört zu den abgehängten beziehungsweise „gefährdeten“ Regionen.
 
Das Wirtschaftsinstitut überprüfte in der Studie die Entwicklung der Regionen im Zeitraum von 2011 bis 2017.
Liest man die Studie genauer, können die Ostholsteiner aber wohl aufatmen. Zwar stuft das Wirtschaftsinstitut unseren Kreis im Hinblick auf Wirtschaft und Infrastruktur als gefährdet ein, dies kann man aber mehr oder weniger an zwei Gründen festmachen.
 
In wirtschaftlicher Hinsicht führte in erster Linie eine relativ hohe Arbeitslosenquote in der Ausgangssituation (2011) zu den schlechten Beurteilungen. Inzwischen liegt die Arbeitslosenquote im Kreis Ostholstein im Jahresdurchschnitt bei 5,1 Prozent. Zuletzt waren vor 37 Jahren weniger Arbeitslose gemeldet. Und trotz internationaler Unsicherheiten geht das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) für unseren Bezirk von einem moderaten Beschäftigungswachstum und sinkender Arbeitslosigkeit aus. „Wie wir bereits in der Vergangenheit gesehen haben, ist unser regionaler Arbeitsmarkt nicht konjunkturgetrieben und hat weniger Höhen und Tiefen“, erklärt Markus Dusch, Vorsitzender der Geschäftsführung in der Agentur für Arbeit Lübeck, im März 2019. Dem schließt sich auch der Unternehmensverband Ostholstein-Plön an: „Mir ist nicht klar, auf welche Datenbasis sich die Wissenschaftler stützen – mit uns hat niemand gesprochen“, so Werner Süß der Vorstandsvorsitzende und fährt fort: „für unsere Mitgliedsunternehmen trifft diese Einschätzung auch in der Perspektive nicht zu!“
 
Süß nennt in diesem Zusammenhang den stabilen Arbeitsmarkt in Ostholstein – Maßnahmen des Jobcenters Eutin und der Arbeitsagentur Lübeck unterstützen flankierend. Dennoch beklagen Gastronomie, Handwerksbetriebe und produzierendes Gewerbe einen eklatanten Mangel an Arbeitskräften. Um Saisonkräfte geht es dabei nur zweitrangig, weil Unternehmen ihre Mitarbeiter mehr und mehr an sich binden. Unterstützt wird diese Tendenz durch einen steigenden Ganzjahrestourismus. Daneben können insbesondere kleinere Handwerksbetriebe offene Lehrstellen nur mit Mühe oder gar nicht besetzen.
 
Das Bildungsangebot des Kreises Ostholstein ist auch darauf ausgerichtet, möglichst keinen Schulabgänger zu verlieren. Unterstützende Angebote bieten jungen Menschen mit Startschwierigkeiten eine Perspektive.
Geschäftsführer Hannes Wendroth weist ferner darauf hin, dass der Kreis mit der Entwicklungsgesellschaft Ostholstein ein schlagkräftiges Instrument geschaffen hat, auch langfristig notwendige Flächen für die Gewerbeansiedlung zu schaffen und Existenzgründern die „Startblöcke zu justieren“.
 
Für die Infrastrukturschwäche in Ostholstein ist laut der Studie der schleppende Breitbandausbau verantwortlich, während andere Indikatoren wie beispielsweise Ärztedichte oder Immobilienpreise nicht negativ ins Gewicht fielen. Auch hierzu sieht der Unternehmensverband Ostholstein-Plön die Studie als zu kurz gegriffen: „Die angesprochene fehlende Infrastruktur zur Digitalisierung mag für den Augenblick gelten, wird aber bereits zeitnah in die Geschichtsbücher verdammt. Die Programme des Kreises und der Kommunen greifen, die damit verbundenen Arbeiten laufen auf Hochtouren“, so der Verband in einer Stellungname.
 
Abschließend rät Süß den Autoren der Studie: „Planen Sie Ihren nächsten Urlaub in Ostholstein! Sie werden begeistert sein von Land und Leuten – Vielfalt und Aufbruchstimmung.“ (gm)


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