Ireen Nussbaum

Perspektivenwechsel beim „Aktionstag zur Barrierefreiheit“ - Neustadt für die Belange von Menschen mit Behinderungen sensibilisiert

Neustadt. Die meisten Menschen möchten alt werden, aber nicht alt sein oder sich alt fühlen. Schließlich stellt das hohe Alter oft die Zeit der geistigen Verluste und körperlichen Einschränkungen dar. Aber gerade in dieser Lebensphase sollte eine barrierefreie Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gegeben sein, um einer sozialen Vereinsamung entgegenzuwirken.
 
„Neustadt verändert sich und befindet sich im demografischen Wandel. Wir als Stadt möchten auf die unterschiedlichen Bedürfnisse alter, geistig oder körperlich beeinträchtigter Menschen, eingehen. Eine Aufgabe, die sich in einer historisch gewachsenen Stadt als komplex erweist. Aus diesem Grund wird im Rahmen geförderter städtebaulicher Maßnahmen ein Konzept für eine verbesserte Barrierefreiheit in der Altstadt, auf der Hafenwestseite und am Bahnhof erarbeitet“, erklärte Bürgermeisterin Dr. Tordis Batscheider am „Aktionstag zur Barrierefreiheit“ vergangenen Dienstag.
 
Das Hamburger Gutachterteam vom Büro „Toller-ort“ untersuchte Wege, Plätze und Zugänge von wichtigen Infrastruktureinrichtungen in Hinblick auf Hindernissen aus der Perspektive unterschiedlicher Menschen, mit und ohne Behinderungen. „Inklusion bedeutet die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für alle Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht oder Nationalität, mit oder ohne Behinderung. Einen Schwerpunkt und eine wesentliche Voraussetzung für gleichberechtigte Teilhabe sowie selbstständige Lebensführung stellt die Barrierefreiheit insbesondere in öffentlichen und öffentlich zugänglichen Räumen für Menschen mit Handicaps dar. Denn barrierefrei heißt für alle Menschen, ohne fremde Hilfe grundsätzlich erreichbar, zugänglich und nutzbar zu sein. Eine 100-prozentige Barrierefreiheit ist jedoch aufgrund vielfältiger, temporärer Gegebenheiten, wie falsch parkender Autos, Mülltonnen oder Kundenstopper nicht möglich. Sowohl bauliche als auch soziale Verhältnisse können zum Teil existenziell ausgrenzende Hindernisse darstellen und Behinderungen verursachen. Um Barrieren abzubauen, müssen viele unterschiedliche Bedürfnisse berücksichtigt werden. Die Zielgruppe „alle“ gibt es nicht. Bei der Ausstattung und Gestaltung von Plätzen, Wegen und Querungen sollten jedoch mindestens zwei Sinne angesprochen werden, zum Beispiel mit einer optischen und taktil erkennbaren Wegeführung“, erläuterte Mone Böcker, Gesellschafterin von „Tollerort“ im Gespräch mit dem reporter.
 
Die Bestandsanalyse stellten Mitarbeiter von „Tollerort“ am Aktionstag vor. Dabei wurde unter anderem der barrierefreie Zugang zum Jobcenter und Sitzmöglichkeiten entlang von Wegeverbindungen positiv erwähnt. Dagegen bedarf es beispielsweise noch Handlungsbedarf bei der unzureichenden Ausstattung an Haltestellen und am Bahnhof sowie bei der unebenen Pflasterung im Haakengraben, bei den schmalen Bürgersteigen in der Rosenstraße, bei den zu kurzen Ampelphasen und der unzureichenden Beschilderung. Das fertige Konzept wird voraussichtlich im November auf der Bauausschusssitzung bekannt gegeben. „Ziel des Konzeptes ist es, Lösungen für den Abbau von Hindernissen und eine gute Aufenthaltsqualität für Jung und Alt, für alle Menschen mit den verschiedensten Bedürfnissen zu schaffen und alltägliche Ziele in der Innenstadt gut erreichbar zu zugänglich zu gestalten“, so die Bürgermeisterin.
 
Auch die Bürger hatten bei dieser Veranstaltung die Möglichkeit selbst zu beurteilen, wie barrierefrei die Alltagswege in der Altstadt sind und wo der größte Handlungsbedarf besteht.
 
Zudem nutzte Leiterin des Stadtbauamtes Antje Weise diesen Rahmen, um eine Interessenbekundung für den geplanten Neubau von 30 barrierefreien öffentlich geförderten Wohnungen mit Balkonen und Aufzügen (Sozialwohnungen) in der Oldenburger Straße 34 durchzuführen. „Dieses Wohnprojekt besteht aus zwei Häusern nach dem sogenannten Kieler Modell mit je 15 Wohneinheiten und richtet sich gleichermaßen an Singles wie auch Familien oder Senioren mit geringem Einkommen. Die Fertigstellung ist für das kommende Jahr geplant“, betonte Bürgermeisterin Dr. Tordis Batscheider. (inu)


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