

Th. Wroblewski: Liebe Frau Krebs, können Sie einmal die wichtigsten Stationen Ihres Lebens schildern?
Beate Krebs: Ursprünglich stamme ich nicht aus Oldenburg in Holstein, sondern bin in Güstrow geboren und lebte in meiner Kindheit und Jugend in Bad Doberan. Von Haus aus bin ich christlich erzogen worden. Das mag auch der Grund sein, dass mich die damalige politische Situation in der sowjetischen Besatzungszone unmittelbar nach dem Krieg einengte. Deswegen entschloss ich mich, mich zu meiner Tante nach Hamburg aufzumachen. Hamburg liegt bekanntlich im Westen und stand für mich als 16-jähriges Mädchen stellvertretend für Entfaltung, Entwicklung und Demokratie. Wie meine ländlich strukturierte Großmutter wollte ich auch sein, arbeitsam, wissbegierig und der Zeit immer ein wenig voraus. Mit einem holzangetriebenen LKW bin ich 1949 über Lübeck nach Hamburg gekommen. Ziel war die Alsterdorfer Anstalt, in der meine Tante arbeitete und in der ich als 16-jährige eine Ausbildung zur Schwesternvorschülerin machte. Vorteil dieser Einrichtung war die Möglichkeit dort auch zu wohnen, denn in Hamburg gab es nach dem Krieg ja keinen Wohnraum.
Th. Wroblewski: Wie kamen Sie dann aber von Lübeck nach Lübbersdorf?
Beate Krebs: 1950 bis 1953 schloss sich dann eine ländliche Hauswirtschaftslehre an. Glück hatte ich in dieser Zeit mit meiner Lehrstelle in Lübeck-Wulfsdorf. Bei der Familie Dittmer absolvierte ich nicht nur meine Lehre, sondern wurde auch als Familienmitglied aufgenommen. In der Berufsschulzeit in Lübeck lernte ich während einer Party dann erstmalig meinen späteren Mann kennen, den ich damals gar nicht so sehr beachtete. Nach meiner Lehre zur ländlichen Hauswirtschaftsgehilfin schloss sich eine halbjährige Zusatzausbildung in der ländlichen Hauswirtschaftsschule in Lensahn an. Mein erstes Geld verdiente ich dann als Wirtschaftsgehilfin in Techelwitz. Auf Vermittlung meines damaligen Lehrherrn aus Lübeck-Wulfsdorf schloss sich ein Auslandsjahr in Schweden an. Diese Zeit war wunderbar und diente der Horizonterweiterung. An die besonders freundliche Art der Schweden miteinander umzugehen, erinnere ich mich noch heute. Meine Meisterprüfung legte ich während meiner dann anschließenden 6-jährigen Zeit als Wirtschafterin in Gut Ehlerstorf ab. In dieser Zeit lernte ich meinen Mann, den ich ja schon zu meiner Berufsschul- und Landjugendzeit kennen gelernt hatte, so richtig schätzen und lieben. Wir heirateten und zogen nach meiner Zeit in Ehlerstorf zusammen, gründeten eine Familie und betrieben in Lübbersdorf eine Bauernstelle.
Th. Wroblewski: Jede einzelne Station dieses komprimierten Lebenslaufes bedürfte eines zusätzlichen Interviews. War dieser Weg einfache Fügung oder was hat Sie auf diesem Weg motiviert?
Beate Krebs: Wie sie richtig feststellen, war die Auflistung meiner einzelnen Lebensschritte eher nüchtern und biographisch geschildert. Anders würde es ja auch den Rahmen dieses Interviews sprengen. Es gäbe zu jedem einzelnen Punkt sehr viel mehr zu sagen und da wären dann auch durchaus emotionalere Komponenten enthalten. In Punkto Motivation ist mir an dieser Stelle wichtig, dass ich bei meinem Lebensweg bis heute immer das Gefühl hatte, geführt zu werden.
Th. Wroblewski: Das ist mit Sicherheit ein wertvoller und kraftgebender Motor. Wie ist es mit Ihrer politischen Karriere hier in Oldenburg weitergegangen?
Beate Krebs: Mein Ziel war es immer, gesellschaftliche Freiräume auszufüllen. Mir ging es nie um ein Amt. So fing ich an, als die Kinder klein waren, im Elternbeirat mitzumachen. Es dauerte nicht lange, da war ich Schulelternbeirat. Ähnlich lief es in der politischen Entwicklung. Mein Mann und ich hatten damals einen ganz guten Draht zu Herrn Johann Höper, seiner Zeit Bürgermeister in Göhl. Er empfahl mir, mich bei den ansässigen Parteien an Stammtischen oder öffentlichen Sitzungen zu informieren, um mir ein Meinungsbild zu verschaffen. Damals schien mir die CDU am nächsten zu sein. Nach einigen Fraktionssitzungen wurde ich gefragt, ob ich mich für ein politisches Amt zur Verfügung stellen würde. 1982 kam ich dann auf die Liste der Bewerber für ein Stadtverordnetenmandat und wurde wahrhaftig gewählt. Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung mit sogenannten Sonntagskindern, das sind Heimkinder, die in Lensahn ohne Eltern aufwuchsen und bei uns in Lübbersdorf eine Art Wochenendurlaub verlebten, schlug man mich für den Sozialausschuss vor. Der Kommunalpolitik blieb ich bis 2003 treu. Innerhalb dieser Zeit war ich stellvertretende Bürgervorsteherin und von 1994 bis 1998 sogar 1. weibliche Bürgervorsteherin in Oldenburg in Holstein.
Th. Wroblewski: Mich interessiert ihre grundsätzliche Verbindung zu einer politischen Partei, in Ihrem Fall der CDU.
Beate Krebs: Ich fühlte mich damals wie heute nie als Parteisoldat, sondern wollte, wie anfangs erwähnt, ein vorhandenes gesellschaftliches Vakuum ausfüllen. Dabei half mir mein christliches Fundament. Die wertebezogene Erdung hat den Vorteil, schneller erkannt und eingeordnet zu werden. Ich hatte den Eindruck, dass diese Grundlage bei einem politischen Diskurs sehr wichtig war. Eine gewisse Empathie half mir Brücken zu bauen. Die Toleranz und der Respekt vor einer anderen Meinung sind übrigens auch das Fundament der liberalen Demokratie, das vergisst man heute leider allzu oft. Um auf Ihre Frage zurückzukommen, habe ich eine politische Partei eher als Wohlfühlort politisch Gleichgesinnter verstanden.
Th. Wroblewski: Welche politischen Ämter haben Ihnen am meisten Spaß gemacht?
Beate Krebs: Hier muss ich eindeutig das Amt der Bürgervorsteherin und der stellvertretenden Bürgervorsteherin nennen. Es ist ein sehr erhabenes Gefühl, erste Ansprechpartnerin für eine Stadt gewesen zu sein und das erfüllt mich auch im Nachhinein mit großem Stolz. Als Kommunalpolitikerin und CDU-lerin erinnere ich mich sehr gerne an die gute Zusammenarbeit mit Herrn Jürgen Schröder. Aber auch die Arbeit als VHS-Vorsitzende oder später als Vorsitzende des Kulturbundes Wagrien e.V. haben mir sehr viel Spaß gemacht. An dieser Stelle möchte ich Herrn Michael Kümmel erwähnen, der mir in beiden Funktionen kompetent und beratend sehr oft zur Seite stand. Beide Herren haben bekanntlich eher sozialdemokratische Wurzeln.
Th. Wroblewski: Welche Empfehlungen würden Sie den heute tätigen Stadtvertreterinnen, Stadtvertretern und Bürgern in Sachen Politik mit auf den Weg geben?
Beate Krebs: Ich glaube nicht, dass ich irgendeinem Menschen irgendetwas empfehlen sollte. Jede Zeit hat ihre zeitspezifischen Probleme und Gesellschaftsstrukturen ändern sich. Da muss ein Jeder seinen eigenen Weg finden. Dennoch komme ich nicht umhin, mir in der gegenwärtigen Zeit etwas zu wünschen. Hier möchte ich an die Gesprächskultur appellieren. Auch, wenn wir uns in der einen oder anderen Partei sehr wohl fühlen und wir uns für sie bekennen, steckt doch auch ein gewisser Anteil der Sichtweise unseres Mitbewerbers in uns. Lasst uns doch auch bei einem noch so großen politischen Diskurs erst einmal auf die Gemeinsamkeiten konzentrieren. Die inhaltlichen Distanzen werden durch diese Sichtweise kürzer und Probleme können i.d.R. viel schneller gelöst werden. Der Wunsch nach gepflegter und inhaltlicher Streitkultur ist mir nach wie vor ein großes Anliegen.
Große Sorgen bereitet mir das zunehmend mangelnde Geschichtsverständnis. Ich gehöre mit 92 Jahren als eine der wenigen noch lebenden Menschen zu einer Generation, die die Entstehung und die Konsequenzen des dritten Reiches miterleben musste. Leider lerne ich in der Gegenwart immer häufiger Menschen kennen, die diese Zeit verharmlosen und die vielen Menschen vergessen, die in dieser Zeit umgekommen sind oder nachhaltig traumatisiert wurden. Der fatale Irrsinn des dritten Reiches führte uns doch zu den jetzigen Tugenden unserer liberalen Demokratie, die alle Bevölkerungsanteile mitnimmt und die uns Wissen, Wohlstand und vor allem 80 Jahre lang Frieden gebracht hat. Das darf man doch nicht vergessen oder gar falsch darstellen. Um es in einem Wunsch zu formulieren, wünsche ich mir mehr Geschichtsbewusstsein und korrekte Auseinandersetzung mit demokratischen Prozessen. Demokratie ist nicht einfach nur da, sondern muss erarbeitet werden. Es lohnt sich!
Th. Wroblewski: Vielen Dank für die interessante Schilderung Ihres Lebensweges und Ihrer beeindruckenden politischen Karriere. Ihre Wunschliste bekommt durch Ihre Person ein besonderes Gewicht und ist gerade in unserer heutigen Situation wichtiger denn je.