Gemeinde Scharbeutz stellt sich den Klimaherausforderungen und probiert neue Baumarten aus
Haffkrug. Es ist mittlerweile deutlich sichtbar, der Baumbewuchs auf der Strandpromenade hat ein Problem. Insbesondere die im Zuge der Promenadenneugestaltung vor etwa 15 Jahren gepflanzten Rot-Dorne kommen mit dem immer trockneren und wärmeren Klima nicht mehr gut zurecht. Es gelang nicht, einen gesunden und stabilen Bestand aufzubauen. So waren in den letzten Jahren permanente Wassergaben notwendig. Trotzdem trockneten immer mehr Kronen zurück, fast jährlich mussten trockene Kronenteile abgesägt werden.
„Dies ist kein Weg, welchen wir weitergehen wollen,“ so Bettina Schäfer, Bürgermeisterin der Gemeinde Scharbeutz. „Wir verwalten hier den Mangel, halten hier durch hohen personellen und finanziellen Aufwand kranke Bäume künstlich am Leben.“
Es galt eine zu den Standortbedingungen passende, aber nicht zu groß wachsende Baumart zu finden. Die Haffkruger Promenade ist eher durch eine Offenheit und Weite mit nur kleinen Bäumen geprägt. Eichen, Pappeln und Kiefern, wie in Scharbeutz an der Promenade, scheiden deswegen aus.
„Zu klimaangepassten Bäumen wird seit Jahrzehnten geforscht, erste Ergebnisse aus Probepflanzungen liegen vor. Dies betrifft jedoch überwiegend Stadt-Bäume, bei denen der Standort optimal vorbereitet werden kann. Trotz immer trockener und wärmer werdender Sommermonate ist hier an der Ostseeküste immer mit starken Frösten zu rechnen.
Vielen Baumarten, welche in Hamburg, Bremen, Hannover und im Ballungsgebiet Rhein-Main gedeihen, wird es hier bei uns im Frühjahr zu spät warm und im Herbst zu schnell kühl. Das Holz der Bäume kann nicht ausreifen und wird so frostempfindlich,“ so Dietmar Krieger, Sachbearbeiter für Umweltangelegenheiten bei der Gemeinde Scharbeutz.
Nach Recherche und Rücksprache mit Kollegen aus anderen Städten fiel die Entscheidung auf zwei bisher an der Lübecker Bucht noch nicht als Baum gepflanzte Gehölze. So werden hier die Steinweichsel (Prunus mahaleb) und die Schmalblättrige Ölweide (Elaeagnus angustifolia) gepflanzt, berichtet Krieger.
„Die Steinweichsel ist mir hier im Norden bisher nur aus Rostock bekannt, dort steht sie in einigen Grünanlagen als Großstrauch, aber ihre in der Literatur beschriebene Härte gegenüber Trockenheit und mageren Böden lässt sie für mich verwendbar erscheinen,“ so Dietmar Krieger. „Ich bin mir des Risikos bewusst, zwei eher im Weinbau- und mediterranen Klima wachsende Gehölze hier an die raue Ostsee zu holen, aber wie sagt man so schön: Probieren geht über Studieren.“
Von der Ölweide wurden vor drei Jahren zwei Sträucher bei der Jugendherberge in Scharbeutz gepflanzt. Diese Sträucher haben sich trotz minimaler Pflege gut entwickelt.
Bei den Neupflanzungen wurden auch neue, moderne Sensoren in die Erde gesetzt, ein System zur professionellen Feuchtigkeitsüberwachung. Die „Plantobelly N Smartcity Sensoren“ zeigen im Internet den Feuchtigkeitsstatus an, so dass die Bauhof-Mitarbeiter Bewässerungstouren optimal planen können.
Hintergrund zu den gepflanzten Bäumen
Die Steinweichsel ist ein normalerweise in Südeuropa vorkommendes Gehölz warmer und trockener Standorte. In Deutschland nur im Donautal und der Rheinpfalz natürlich vorkommend. Sie liebt kalkhaltige, steinige, trockene und magere Böden. Für eine gute Blüte ist ein freier Stand in voller Sonne erforderlich. Sie bildet ein weitreichendes und tiefreichendes Wurzelwerk aus. Die Steinweichsel ist eine beliebte Veredelungsunterlage für Kirschen und Sauerkirschen.
Das Besondere an ihr ist der Duft. Ein zarter Marzipanduft entströmt den Blüten, auch das Holz duftet. Spazierstöcke aus Weichseln waren vor etwa 200 Jahren der Renner, eine ganze Region bei Wien lebte vom Weichselanbau. Gute, gerade Ruten für die Spazierstöcke, dickere Stücke zu Pfeifenköpfen verarbeitet, Holzabfälle wurden kleingemahlen dem Tabak als Duftstoff beigegeben. Heute wird aus den Früchten ein Gewürz hergestellt.
Die Ölweide ist weder mit den Weiden noch dem Ölbaum verwandt. Einzig die Früchte erinnern an den Ölbaum. Die Blätter sind dicht behaart, ein Hinweis auf eine gewisse Trockenheitsverträglichkeit. Sie stammt aus Zentralasien, hat sich aber mittlerweile in Mitteleuropa verbreitet und gilt als eingebürgert. Die Früchte sind essbar. Sie sind fester Bestandteil des kurdischen Neujahrfestes.
„Beide Baumarten bieten unseren heimischen Insekten eine intensives Pollen- und Nektarangebot,“ so Dietmar Krieger abschließend. Die vier Ölweiden und vier Steinweichseln, die in der vergangenen Woche eingepflanzt wurden, haben zusammen rund 2.400 Euro gekostet. (rk)