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Timmendorfer Strand übergibt alte Reichsgesetzblätter an Gedenkstätte

Ahrensbök/Timmendorfer Strand. Wie aus Recht Unrecht werden konnte, lässt sich an alten Gesetzestexten eindrücklich nachvollziehen. Die Geschichte von Kaiserreich, Weimarer Republik und NS-Diktatur liefert dafür zahlreiche Beispiele – etwa beim Umgang mit Homosexualität, rassistischer Diskriminierung oder politischer Verfolgung. Ein besonders anschauliches Zeugnis dafür sind die Reichsgesetzblätter des Deutschen Reiches, von denen nun 43 Bände aus den Jahren 1872 bis 1935 vom Gemeindearchiv Timmendorfer Strand an die KZ-Gedenkstätte Ahrensbök übergeben wurden. Damit kann die Gedenkstätte eine Lücke in ihrem Archivbestand schließen.

Besonders eindrucksvoll: In einem der Bände befindet sich die berüchtigte „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“, besser bekannt als Reichstagsbrandverordnung von 1933. Sie setzte die Grundrechte außer Kraft und bildete die rechtliche Grundlage für zahlreiche Verhaftungen politisch Andersdenkender. Einer von ihnen war der Eutiner Kommunist und Steinschläger August Salhof, der am 28. Februar 1933 festgenommen und bis Mitte Mai im Eutiner Amtsgericht inhaftiert wurde.
Die Originalausfertigung dieser Verordnung liegt nun – zusammen mit vielen weiteren Gesetzen jener Zeit – in der Gedenkstätte Ahrensbök. „Ich werde mir vor allem die Bände von 1934 und 1935 genauer ansehen, um zu prüfen, was wir in unsere Workshops aufnehmen können“, sagt Gedenkstättenleiterin Manja Krausche. Gerade in diesen Jahren wurden Gesetze erlassen, die das NS-Regime festigten – darunter auch die berüchtigten Nürnberger Gesetze von 1935, die den Beginn der systematischen Diskriminierung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung markierten.

Das Gemeindearchiv Timmendorfer Strand gab die Bände aus Platzgründen ab. Archivarin Carmen Knickmeier betonte bei der Übergabe, dass die Gesetzblätter in der Gedenkstätte nun einen würdigen Platz gefunden hätten. Bürgermeister Sven Partheil-Böhnke (FDP) ergänzte: „Im Archiv wären sie womöglich irgendwann entsorgt worden. Hier aber können sie einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur leisten.“

Für Partheil-Böhnke haben die alten Gesetzestexte eine besondere Bedeutung: „An ihnen sieht man, wie aus Recht Unrecht werden kann. Das dürfen wir niemals vergessen“, mahnte er. Der Bürgermeister, der offen homosexuell lebt, erinnerte zudem daran, dass Homosexuelle und andere Minderheiten auch damals Ziel von Ausgrenzung und Verfolgung waren – und dass man auch heute wachsam bleiben müsse.
Ein Blick in die ältesten Bände zeigt, wie weit die Sammlung zurückreicht: Der früheste Eintrag stammt vom 27. Dezember 1871 und betrifft den „Rang der Telegraphen-Direktoren“ – ein Erlass, der sogar zweisprachig, auf Deutsch und Französisch, verfasst wurde.

In der Gedenkstätte werden künftig ausgewählte Gesetzestexte in Workshops besprochen – unter anderem mit Studierenden und Schülern. So bleibt die Erinnerung an Menschen wie August Salhof, den ersten bekannten Schutzhäftling Eutins, lebendig. Er überlebte das Dritte Reich und starb 1970 im Alter von 80 Jahren. (rk)

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