Maurergeselle Vincent Meister geht „auf die Walz“

Gesche Muchow 127

Dahme. Der frisch gebackene Maurergeselle Vincent Meister hat sich für die nächsten, mindestens drei Jahre und einen Tag für ein Leben „auf der Walz“ entschieden.

Nach einer zünftigen Abschiedsparty machte er sich am vergangenen Sonntag auf den Weg. Verabschiedet wurde er am Ortsausgang von vielen Freunden, Einheimischen und Familienmitgliedern, wo er traditionell das Ortsschild überklettern musste.

Ausgestattet in seiner Maurerkluft, Hut, Stenz (gedrehter Wanderstab) und Charlottenburger (gewickeltes Tuch mit Reisegepäck und Werkzeug) über der Schulter sowie 5 Euro Startgeld ging es ohne zurückzublicken auf eine Reise ohne bestimmtes Ziel.

In Begleitung seines Exportgesellen Lennert, der ihn in die Gebräuche der Tippelei einweihen wird und 13 anderen Wandergesellen, vor allem aus dem Schacht der Fremden Freiheitsbrüder, machte er sich auf den Weg.

Strenge Regeln gelten auf der Walz

Binnen einer Woche muss Vincent seinen Bannkreis von 50 Kilometern um seinen Heimatort verlassen haben und darf diesen für die gesamte Zeit, die er unterwegs ist, nicht durchfahren oder betreten. Nach einer dreimonatigen Kontaktsperre dürfen die Eltern und Freunde dann das erste Mal angeschrieben werden. Außerdem muss ein Wandergeselle unverheiratet, kinderlos und schuldenfrei sein, um sich auf die Walz begeben zu können.

Weshalb gehen Gesellen auf die Walz?

Mit dem Gesellenbrief eines Handwerks in der Tasche gilt es Erfahrungen zu sammeln, bisher erlernte Techniken anzuwenden und zu vertiefen sowie sich Neues anzueignen. Dabei gilt es, nicht länger als drei Monate an einem Ort zu bleiben und dann weiterzureisen, um sich eine andere Arbeitsstelle zu suchen.

Ein Brauch mit langer Tradition

Seit dem 14. Jahrhundert besteht diese uralte Tradition, die früher Voraussetzung dafür war, überhaupt Meister werden zu dürfen.

Rund sieben „Schächte“ wurden seit 1891 gegründet, denen sich Gesellen und Gesellinnen verschiedener Handwerksberufe anschließen können. Zu erkennen sind die verschiedenen Schächte an der Farbe der Ehrbarkeit (Schlips), am Ohrring oder an der Anstecknadel.

Heutzutage ist das wohl Faszinierendste und mittlerweile für die meisten Menschen Unvorstellbarste dieser Reise, dass sie ohne Smartphone und Computer stattfindet. Denn auch ohne diese Geräte im Gepäck, schaffen es die Wandergesellen stets informiert zu sein und problemlos miteinander zu kommunizieren.

Man schreibt sich, hinterlässt eine Nachricht oder gibt sie anderen mit; man lässt sich etwas ausrichten oder gibt Infos mündlich weiter. Manchmal gibt es auch die Möglichkeit, von Festnetz-Telefonen anzurufen oder zu mailen, aber das ist die Ausnahme. (red)