Ja, damals…
Reporter Eutin
37
Christianstal (ks). Als ich das „Kornblumencafé“ auf Gut Christianstal besuchte, entdeckte ich in einer Scheune ein Schild: „Gärtnerei Christiansthal“. Eine Gärtnerei? Davon hatte ich noch nie etwas gehört. Aber wo ist die? Im „Kornblumencafé“ erfuhr ich von Jasper Käßmann, dass es sie seit 1978 nicht mehr gibt. Sein Großvater, Horst Käßmann, erstellte eine Chronik über das Gut Christiansthal. In der wird sicherlich auch die Gärtnerei ihren Platz gefunden haben. Und so entdeckte ich die Geschichte der Gärtnerei, die nicht in Vergessenheit geraten soll. Christianstal war ein Meierhof vom adligen Gut Gaarz. Damals schrieb man das „…-tal“ noch mit „th“, so wie es auf dem alten Gärtnereischild noch zu sehen ist. Erwähnt wird der erste Bau eines Treibhauses mit einem sechs Meter tiefen Schachtbrunnen im Jahre 1920. Zu dieser Zeit besaßen die Witwe Nehrlich aus Gotha und der Landwirt Walter Kock aus Bürau Christianstal. Sie waren beide sehr vermögend und investierten viel in den Gutshofbetrieb. 1922/23 wurde nicht nur das alte einstöckige Gutshaus in ein zweistöckiges umgebaut, sondern auch eine Parkanlage mit Rosengarten und ein Gemüsegarten angelegt. Treibhaus und Gemüsegarten dienten der Selbstversorgung, sind jedoch schon Grundsteine für die später gewerblich betriebene Gärtnerei. 1932 erwarb der Restaurateur Heinrich Käßmann aus Lübeck Gut Christiansthal. Er nutzte Treibhaus und Gemüsegarten. Gemüse und andere landwirtschaftliche Produkte wurden in den eigenen Gaststätten in Lübeck verarbeitet, auch in den Kriegsjahren. Im Juli 1933 erlitt er einen herben Verlust. Ein schweres Hagelunwetter mit Taubeneier großen Hagelkörnern zerstörte alle gärtnerischen Glasflächen, sogar Glasziegel zersprangen. Die Versicherung ersetzte die Glasschäden nicht. 1947 wurde Feldgemüse mit etwa fünf Hektar Möhren, Kohl, Spinat, Roter Beete, Kürbis und Pflückerbsen betrieben. Nach der Währungsreform brachte der Verkauf von Pflückerbsen 5.000,- DM ein. Der Absatz des übrigen Gemüses wurde schwierig, sodass ab 1949 für eine zeitlang nur noch Pflückerbsen angebaut wurden. Horst Käßmann übernahm 1951 zusammen mit seiner Frau Ilse das Gut Christianstal von seinem Vater. Neben Bodenbearbeitung, Viehhaltung, Drainagearbeiten und Hofwirtschaft behielt er auch die Gartenanlagen im Auge. Als zusätzliches Standbein plante er eine reine Erwerbsgärtnerei mit vier Treibhäusern und zahlreichen Mistbeeten. 1953 stellte er den Gärtner Helmut Junkuhn ein. 1957 mussten durch stark angestiegene Lohnkosten aus Rentabilitätsgründen Überlegungen zum Gartenbetrieb angestellt werden. Entweder musste der Gartenbetrieb eingestellt oder mit Hilfe von Investitionen zu einem rationalen Erwerbsgartenbau weiter ausgebaut werden. Horst Käßmann entschied sich für den Ausbau. Ein 12 x 6 m großes Kalthaus wurde in Eigenarbeit erstellt. So wurden die Kosten in Höhe von 2.000,- DM gering gehalten. Hinzu kamen noch die Wasserversorgung und diverse Vorwärmbecken. In Travenhorst bei Segeberg kaufte Horst Käßmann auf Abbruch ein 30 x 6 m großes Treibhaus, 2 Erdhäuser mit Heizung sowie 100 laufende Meter Betonmistbeete mit Fenstern für 5.000,- DM. Alles wurde in Eigenarbeit zerlegt und nach Christianstal transportiert. Dort wurden Fundamente errichtet, das Treibhaus aufgestellt und mit Wasser- und Stromanschluss versorgt. Es entstanden Kosten in Höhe von 5.000,- DM. Nun mussten nur noch die Betonmistbeete eingegraben werden. Gärtner Junkuhn bekam viel zu tun. Gemüsepflanzen (Kohlrabi, Kohl, Tomaten, Gurken, Rote Beete, Porree, etc.) sowie Blumen für Beete, wie Stiefmütterchen, Azaleen, Alpenveilchen, etc. wurden in großen Mengen für den Verkauf herangezogen. Schnittblumen ergänzten das Angebot. Von denen waren die großblütigen Chrysanthemen und Herbstastern sehr gefragt. Verkauft wurde an Ort und Stelle oder auf dem Oldenburger Wochenmarkt, zahlreiche Leute aus den benachbarten Ortschaften kamen nach Christiantal, um sich im Frühjahr mit Jungpflanzen für ihren Garten zu versorgen. Am grünen Eingangstor zur Gärtnerei, das heute noch links der Hofeinfahrt zu sehen ist, befand sich eine große, alte Glocke, die von Kunden geläutet wurde, wenn sie Pflanzen kaufen wollten, der Gärtner aber in einem der Gewächshäuser verschwunden war. Die Glocke hängt noch heute in einer Scheune auf dem Hof. 1962 schreibt Horst Käßmann in sein Tagebuch: „ Die Gutsgärtnerei ist ein klar rentabler Betriebszweig.“ Da die Treibhäuser wenig Geld kosteten, der Aufbau in arbeitsarmer Zeit erfolgte, war ab 1972 ein Überschuss von etwa 10.000,- DM erwirtschaftet. Ab 1975/76 änderte sich jedoch das Kaufinteresse der Kunden. Gemüse wurde nicht mehr in großem Umfang in eigenen Gärten angebaut, sondern vermehrt in Supermärkten gekauft. Das ließ sich auch an der Rentabilität des Gartenbaus auf Gut Christianstal ablesen. Der Überschuss betrug nicht mehr 10.000,- DM, sondern nur noch 5.000,- DM. Horst Käßmann sah sich gezwungen, neue Überlegungen anzustellen. 1977 stand er vor der Wahl, Renovierungskosten des großen Gewächshauses auf sich zu nehmen, oder die Gärtnerei aufzugeben. Dem Gärtner zuliebe, der seit mehr als 20 Jahren hier tätig war, wurde die Gärtnerei fortgeführt. 1978 wurde im Sommer in der Gärtnerei ein Rundhaus aus verstärktem Wellplastik in Eigenarbeit aufgestellt. Die Kosten, inklusive Heizung, betrugen 15.000,- DM. Horst Käßmann war davon überzeugt, dass diese Investition sich gut lohnen würde. Leider kam es anders! Am 28.12.1978 zog ein Schneesturm aus nördlicher Richtung heran. Der Sturm tobte ununterbrochen, bis zum 2. Januar 1979. Am 1. Januar drehte der Sturm auf Ost und die Gewächshäuser wurden mit vier Meter hohen Schneemassen bedeckt. Das große Hauptgewächshaus wurde beschädigt, die Längsträger gaben nach, über 70 Scheiben zerbrachen. Als der Sturm nachließ, wurde das beschädigte Haus mit Bindelaken und Folien abgedeckt. Das neu errichtete Rundhaus wurde freigeschaufelt. Hatte man gerade diese Katastrophe bewältigt, tobte am 13.2.1979 erneut ein Schneesturm heran, der die Gewächshäuser stark belastete. Es wurde zwar versucht, die Stahlkonstruktion mit Balken abzustützen - umsonst! Das große Gewächshaus brach zusammen. Da die Heizung noch intakt war, konnten am 16.2. nach Wetterberuhigung Pflanzen gerettet werden, darunter 1000 Azaleen. Die Heizung fiel dann immer wieder aus und die Wasserleitung schien ein Leck zu haben. Leider war die Gärtnerei im Jahre 1978 nicht besonders ertragreich. Die Investitionen brachten nicht den gewünschten Erfolg. Bei einer Gesamteinnahme von 65.500,- DM mussten Personalkosten in Höhe von 46.000,- DM abgezogen werden, Heizölkosten und Betriebsmittelkosten kamen noch hinzu, sodass nur noch ein Überschuss von 5.000,- DM blieb. Horst Käßmann befasste sich mit dem Neubau des großen Gewächshauses. Die Kosten waren sehr hoch: allein der Neubau sollte 40.000,- DM kosten, hinzu kamen noch Heizungsumbau und andere Bauabnahmen, sodass mit 100.000,- DM zu rechnen war. Die Versicherung zahlte nur 20.000,- DM. Schweren Herzens trennte sich Horst Käßmann von dem liebgewonnenen Betriebszweig und sprach dem Gärtner Junkuhn die Kündigung zum 31.5.1979 aus. Der Gärtner nahm die Kündigung gefasst entgegen. Er erhielt eine Treueprämie in Höhe von 4.000,- DM, zwei mietfreie Jahre in seiner Wohnung und 25 Prozent Tantieme vom Restverkauf. In den „Lübecker Nachrichten“ erschien am 31.5.1979 folgende Anzeige: „Die Gutsgärtnerei Christianstal wurde im Winter zerstört, ein Wiederaufbau ist nicht möglich. Nach 26 Jahren müssen wir leider am 31.5. schließen. Wir danken allen Kunden und Freunden für ihre Treue. Jahrelange Zusammenarbeit bei der Erzeugung von Qualitätspflanzen mit der Gärtnerei Otto in Oldenburg lässt uns Ihnen empfehlen, Ihren Bedarf nunmehr dort zu kaufen. Helmut Junkuhn, Horst Käßmann, Christianstal. Helmut Junkuhn fand in der Gärtnerei Otto einen neuen Arbeitsplatz und war zum Schluss als Friedhofsgärtner tätig. Horst Käßmann schrieb in sein Tagebuch: „Die Gärtnerei war für uns eine Quelle der Freude und Erholung.“ Dort, wo jetzt ein Neubau entsteht, war einst die Gärtnerei beheimatet. Ein kleines Gewächshaus für den Eigenbedarf ist dort noch aufgestellt und lässt an damalige Zeiten erinnern. Ja, damals… . (Text: Karin Schäkermann)