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Reporter Eutin

2500 Menschen demonstrierten für Demokratie und gegen rechts

Eutin (aj). Gefühlt waren sie alle dabei: Omas und Kitakinder, Linke und Konservative, Bildungsbürger*innen und Fußball-Ultras, Demo-Erfahrene und absolute Beginner versammelten sich auf dem Marktplatz, sogar ein Ork war darunter. „Ostholstein steht auf“ – dieses Motto wurde eingelöst. Aufgerufen hatten alle Parteien des Kreistages (außer der AfD) und das Forum Eutin und es war die Bewahrung der Verschiedenheit, die den gemeinsamen Protest nährte. Elli und Ella gehörten zu den vielen, die auf Pappschildern formuliert hatten, was ihnen wichtig ist: „Rassismus ist echt Kacke“ und „Für mich ist jeder Mensch willkommen“ stand in bunten Buchstaben geschrieben: „Die beiden haben natürlich selbst gesagt, was auf ihren Plakaten stehen soll“, erzählte Mama Felina Barop. Wie man Fünfjährigen erklärt, was gerade los ist in Deutschland, wofür so viele Menschen auf die Straße gehen, erläuterte sie gern: „Im Kindergarten sind sie mit Kindern unterschiedlicher Herkunft zusammen und es gefällt ihnen, dass Deutschland so vielfältig ist.“ Zu erleben, dass es Menschen gibt, die diese Vielfalt nicht schätzen, ihr ablehnend gegenüberstehen und andere nach ihrer Herkunft beurteilen, hatte auch Marina und Olaf Frieborg auf ihre erste Demonstration geführt. Mindestens genauso wichtig: „Wir machen den Mund auf, wenn uns im Gespräch Vorurteile und menschenfeindliche Gesinnung begegnen“, meinten beide bestimmt. „Ein klares Zeichen für die freiheitlichen Werte setzen“, so beschrieb Landrat Timo Gaarz seine Motivation für die Teilnahme an der Kundgebung. Dafür, so unterstrich er, lohne es sich jeden Tag auf die Straße zu gehen. An seiner Seite: Kreispräsidentin Petra Kirner. Ihr oblag die vornehme Aufgabe, die vielen Menschen, die da entspannt und dennoch fest entschlossen auf dem Markt beieinander standen, zu begrüßen: „Wir werden nicht zulassen, dass die AfD Menschen aus Deutschland vertreiben will“, so Kirner und sie versprach: „Dieser Verantwortung stellen wir uns hier und heute und an jedem Tag.“ Tatsächlich bezeugte die Demonstration auch, dass die Parteien, die so trefflich streiten können, sich einig sind, wenn es darum geht, das Fundament dieser Streitkultur zu schützen: „Es gibt Gesprächskanäle, die gut funktionieren, da war nur große Einigkeit, kein Dissenz in der Frage, dass wir zeigen wollten, dass in Ostholstein kein Platz ist für Rechtsradikalismus“, berichtete Tobias Maack. Der Kreisvorsitzende der FDP konnte sicher sein, damit für Freie Wähler, SPD, CDU und Grüne zu sprechen. Reimo Schaaf (Grüne) hatte die Demo offiziell angemeldet. Sein Parteieintritt 2016 war im Erstarken der AfD begründet. Jetzt mache es ihm „Mut, die Mahnwachen, Demos, Kundgebungen im Land zu sehen“, sagte er. Von 14 Uhr an beobachtete er, wie sich der Platz langsam füllte. Die Polizei hatte die Situation jederzeit im Auge. Auch für die Beamten war es ein besonderer Einsatz: „Es ist eine gute Veranstaltung, die wir gern unterstützen“, stellte der Eutiner Revierleiter Ulf Schnoor heraus. Einige seiner Leute waren bereits auf der Demonstration in Lübeck dabei: „Auch dort lief es ohne Probleme“, erzählte ein Beamter.
2500 Menschen hörten um 14.50 Uhr die Glocken von St. Michaelis läuten, normalerweise zeigt das Gefahr wie Hochwasser an: „Jetzt soll es bedeuten, dass unsere Demokratie in Gefahr ist“, erklärte Marie-Theres Bernegger vom Forum Eutin. Als der Verein, der kulturelle Vielfalt in vielen Projekten lebt und befördert und Menschen mit Fluchterfahrungen auf Augenhöhe zur Seite steht, zur Vorbereitung der Demo eingeladen hatte, wollten viele mittun. Es hätten noch viel mehr reden mögen, als diejenigen, die sich nun das Mikro griffen, so Bernegger: Anfragen seien von den Omas gegen rechts, amnesty international, den Parents und den Fridays for future, der Kirchengemeinde und aus dem Elisabethkrankenhaus gekommen. Die Sechs, die schließlich sprachen, repräsentierten die Breite der Gesellschaft, die demokratiefeindlichen Tendenzen entgegenwirken will. Johanna Möwes vom Kinder- und Jugendparlament folgte auf die Kreispräsidentin: „Wir streben ein Land an, das für alle Menschen offen ist, unabhängig von Herkunft, Identität, Religion und Sexualität“, rief sie mit klarer Stimme. Worauf es ankommt, brachte Laila Breis vom Kinderschutzbund auf den Punkt: „Die Wahrheit ist, dass es nur eine Menschheit gibt“, meinte die Koordinatorin für Integrationsarbeit in ihrem Plädoyer für Mitmenschlichkeit und Wertschätzung. Bennet Severin von der Schüler*innenvertretung des Kreises gewann die Menge mit der Aussagekraft seiner Rede und der Verve, mit der er sie vortrug: „Wir erleben, wie gezielt versucht wird, Undenkbares zu Denkbarem, Unwahrheiten zu Wahrheit zu machen. Wenn man versucht, sich dagegen zu stemmen und aufsteht, mag man sich vielleicht manchmal alleine fühlen. (…) Ich hoffe für alle, die sich so couragiert, selbstlos und mutig einsetzen, wird heute hier auf dem Eutiner Marktplatz eins klar: Wir alle sind mehr, wir alle sind lauter, wir sind stärker.“ Der Applaus gab ihm recht. Beispiele für ein gelungenes Miteinander lieferte Frank Lunau. Er vertrat die BSG Eutin, die sich seit Jahrzehnten für Integration und Inklusion einsetzt. Lunau erinnerte daran, dass es „in dieser Stadt seit den 1960er Jahren fortwährend Engagement gegen rechte Umtriebe gab“. Sein Ausruf „Kein Fußbreit den Faschisten“ wurde mit lautstarker Zustimmung kommentiert. Daniel Hettwich, der Flüchtlingsbeauftragte des Kirchenkreises, lenkte den Blick auf die aktuelle Asylpolitik: „Unser Asylrecht ist eine moralische Errungenschaft. Wir sollten nicht preisgeben, wofür lange gekämpft wurde“, so Hettwich. Mit Marie-Theres Bernegger hatte die Mitorganisatorin vom Forum Eutin das letzte Wort. Sie ermunterte die Menge, aktiv zu werden, sich einzubringen und sich einzumischen: „Es lohnt sich!“ Dass die friedliche Kundgebung in beschwingter Nachdenklichkeit mit einem Song von Ludger Iske ausklang, passte zu diesem Nachmittag, an dem Ostholstein aufstand.

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