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Reporter Eutin

Eine Gruppe junger Frauen erlebt das Elternsein auf Probe

Eutin (aj). Ein Donnerstagvormittag im Familienzentrum des Kinderschutzbundes „Alma 28“. Eine Gruppe junger Mütter sitzt beisammen, ins Gespräch vertieft. Durchwachte Nächte sind ein Thema genau wie der Zusammenhalt in der Familie. Praktische Tipps machen die Runde und – mindestens genauso wichtig – es gibt jede Menge Verständnis. Eine typische Elternzusammenkunft, möchte man meinen. Das Besondere: Die Babys, die das so friedlich im Tragesack schlummern, sind nicht echt, sondern gehören zum Projekt „Eltern auf Probe“. Regelmäßig ermöglicht es die Wilhelm-Wisser-Gemeinschaftsschule den Schüler*innen des achten Jahrgangs, für drei Nächte und vier Tage zu erleben, was es bedeuten kann, für ein Baby verantwortlich zu sein. Wer interessiert ist, meldet sich an und schlüpft dann in eine ungewohnte Rolle.
„Ich wollte mal gucken, wie es ist, ein Baby zu haben“, sagt Mia. Und für genau diese Erfahrung sind die Babysimulatoren programmiert. Sie sehen nämlich nicht nur täuschend echt aus, auch ihr Verhalten gleicht dem eines echten Babys: Sie müssen gefüttert und gewickelt werden, verlangen nach Aufmerksamkeit und Zuwendung – und das natürlich unabhängig von der Uhrzeit. Emilia sieht so müde aus wie die meisten Baby-Mamas: „Anderthalb Stunden Schlaf gab es für jede von uns in der Nacht“, erzählt sie. Sie gehört zu denjenigen, die die Betreuung im Zweier-Team meistern. Die acht Babys sind auf zwölf Mütter verteilt. Dass keine Väter dabei sind, ist ein Zufall, in der Regel nehmen auch Jungen gern am Projekt teil, das vom Kreis Ostholstein angeboten wird.
Dass es gut ist, wenn man sich die Fürsorge teilen kann, ist nur ein Erlebnis, dass sie aus dem Projekt mitnehmen. Die vier Tage zeigen, wieviel Energie und Sensibilität in den jungen Menschen steckt. Manchmal sind sie selbst überrascht von den eigenen Fähigkeiten: „Ich hatte am Anfang große Angst, dass ich das Baby nicht höre. Aber es braucht nur ein Geräusch zu machen und ich bin wach“, sagt Michelle mit Blick auf Alessio, den sie sich vor den Bauch geschnallt hat. Einen Namen haben sie alle für ihre Kinder ausgesucht, nicht zufällig, sondern wohlüberlegt. Myra-Yui, Lio, Lina, Mila und Yussif haben sogar eine Geburtsurkunde erhalten. In einer WhatsApp-Gruppe gibt es regen Austausch, auch das hilft durchzuhalten, denn abbrechen kann man nicht, wie die Betreuerinnen Daniela Le Grand und Tanja Meyer erklären. Für alle Fragen sind sie rund um die Uhr erreichbar. Die vier Elterntage sind durch verschiedene Programmpunkte strukturiert: Ein Besuch im Kreishaus gehört dazu, der Treff im Familienzentrum und Interviews in der Innenstadt. Viele reagieren neugierig auf die sehr jungen Mütter, die meisten wohlwollend. Unterricht findet für die Projekt-Teilnehmerinnen nicht statt, aber sie berichten in der Schule von ihren Erfahrungen. Und beschäftigt sind sie ganztags.
Wie verlässlich sich die Eltern auf Probe kümmern, wird digital aufgezeichnet: Wenn sich das Baby meldet, wird registriert, wann es aufgenommen wird. Die unterschiedlichen Bedürfnisse müssen gestillt werden und manchmal weint das Baby auch einfach so, trotz trockener Windel und vollem Bauch. Wie im echten Leben eben. Dann sind Geduld und Langmut gefragt. Ganz wichtig: „Immer das Köpfchen stützen“, wissen die 13- bis 15-jährigen. Natürlich dürfen sie sich helfen lassen und auch wenn sie eigentlich am liebsten alles allein erledigen möchten, ist ein bisschen Unterstützung manchmal ganz hilfreich: „Als ich unter Dusche stand und das Baby geschrien hat, ist mein Freund eingesprungen und hat es herumgetragen“, verrät Michelle. Bewährungsprobe bestanden. Bei Goldasteh würden Cousinen und Geschwister aus „Eltern auf Probe“ am liebsten ein gemeinsames Projekt machen: „Alle freuen sich, wollen das Baby halten, aussuchen, was es anziehen soll“, berichtet sie lächelnd. Sie selbst möchte auf jeden Fall einmal Mutter werden: „Mit einem Partner, dem ich vertrauen kann“, betont sie.
Vorher, da sind sich alle einig, wollen sie einen Beruf lernen, arbeiten, damit sie ihr Kind versorgen können. Das Zeug dazu haben sie alle.

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