reporter Neustadt

Arbeit mit Menschen ist Musik in ihren Ohren: Antje Wissemann übernimmt das Kreiskantorat

Eutin. „Ja, ich freue mich sehr darauf“, sagt Antje Wissemann, Kantorin der Kirchengemeinde Eutin, die ab 1. Januar mit einem 25-Prozent-Anteil ihrer Arbeitszeit das Kreiskantorat in der Propstei Eutin übernimmt. Gemeinsam mit der Neustädter Kantorin Lena Sonntag, die seit September als Kreiskantorin für die Propstei Oldenburg zuständig ist, wird die 61-Jährige im Auftrag des Kirchenkreises künftig als Schnittstelle zwischen den Kirchenmusikerinnen und -musikern der Gemeinden in Ostholstein und dem Landeskirchenmusikdirektor fungieren. Zuletzt hatte die Malenter Kantorin Susanne Schwerk die Funktion interimsweise von Johannes Schlage übernommen, der 2021 in den Ruhestand verabschiedet worden war.

 

Beim Gespräch an ihrem Arbeitsplatz, der Orgel in St. Michaelis, erzählt Wissemann, was konkret ihre neuen Aufgaben sind: Beratung bei Stellenbesetzungen und Instrumenten gehören ebenso dazu wie die gemeinsame Organisation von Fortbildungen für die haupt-, neben- und ehrenamtlichen Musikerinnen und Musiker zwischen Fehmarn und Stockelsdorf. Das reicht vom Thema Prävention über musikalische Themen bis hin zur Präsentation von neuem Notenmaterial für die Arbeit mit Gemeinde und musikalischen Gruppen. Auch die thematische Gestaltung der Konvente - regelmäßige Zusammenkünfte der Musiker - liegt in der Hand von Wissemann und Sonntag, die das kirchenmusikalische A-Examen abgelegt haben. Die Kreiskantorinnen vermitteln überdies bei Konflikten und organisieren kleinere und größere Kirchenmusikfeste, vom Kinderchornachmittag bis zur Aufführung großer Chorwerke.

Antje Wissemann bringt da einige Erfahrung mit, wie zuletzt bei der h-moll-Messe von Johann Sebastian Bach in St. Michaelis zu hören war. „Das ist sozusagen der Gipfel der klassischen Chorarbeit. Aber es gibt viele Möglichkeiten des gemeinsamen Musizierens in Gemeinden, in Chören, Bands, Bläsergruppen und anderen Formationen, dauerhaft und als Projekt. Diese Vielfalt wollen wir erhalten im Kirchenkreis.“ Gemeinsam mit ihrer Kollegin will sie Mitte nächsten Jahres ein Mozart-Requiem zum Mitsingen auf die Beine stellen.

Übrigens singen auch die Musikerinnen und Musiker von Zeit zu Zeit als Chor miteinander. Weil sie alle „immer dankbar für neue Impulse“ seien, so Wissemann, gibt es auch beim Dirigat oder Improvisieren an der Orgel gemeinsames kreatives Arbeiten, teilweise unter Hinzuziehung von Gastdozenten. „Es ist nicht so, dass wir, weil wir alle mal studiert haben, jetzt alles können. Es ist auch gut, mal mit neuem ‘Futter‘ versorgt zu werden.“

Die Kirchenmusik „zukunftsfähig weiterzudenken und in der Vielfalt zu erhalten“, das liege ihr am Herzen. Das betreffe nicht nur Alte Musik, sondern zum Beispiel auch Popmusik. „Beides muss gestärkt werden“, sagt Wissemann, die mit ihrer Kollegin auch den Bläsern wieder mehr Aufmerksamkeit widmen will. Kirchenmusik sei für viele Menschen ein wichtiger Zugang zur Kirche; schon jetzt seien Konzerte oft besser besucht als Gottesdienste und viele Menschen engagierten sich jede Woche in den Chor- und Instrumentalgruppen im Kirchenkreis. Wie der Wegfall ihrer Viertelstelle bei der Kirchengemeinde Eutin aufgefangen werden könne, das sei noch zu klären, sagt Wissemann. „Aber da sind wir auf dem Weg zu guten Lösungen“.

 

Antje Wissemann wurde in Wuppertal geboren. „Ich bin schon als Kind im Kinderchor der Kirche groß geworden. Das war eine gute Alternative zu den kostenpflichtigen Angeboten der Musikschule. Es war eine sehr beglückende Kinder- und Jugendarbeit damals in der Gemeinde und ich bin da reingewachsen. Wir durften einfach ganz viel ausprobieren“, erzählt sie. Neben der Flöte lernte sie bald schon Klavier - später kamen noch das Cembalo und Cello dazu - und fing im Alter von 15 Jahren an, Orgel in der Gemeinde zu spielen, „weil der Pastor sagte, du kannst doch Klavier spielen und bei uns hat der Organist aufgehört.“

Nach dem Abitur schrieb sie sich zunächst für ein gymnasiales Lehramtsstudium für Schulmusik und Evangelische Religion ein. Parallel zum Studium legte sie die Prüfung zur C-Kirchenmusikerin ab. Nach dem ersten Staatsexamen wechselte sie dann zum Studienfach Kirchenmusik, das sie in Köln studierte und 1995 mit dem A-Examen abschloss. Das Cello war inzwischen als Instrument noch dazu gekommen. Während ihres Lehramtsstudiums war sie nebenberuflich als C-Musikerin tätig, nach ihrem A-Examen dann zunächst hauptberuflich auf einer B-Stelle in ihrer Heimatstadt Wuppertal. Von 2002-2010 wechselte sie auf eine A-Stelle in Northeim als Kreiskantorin.

Bevor es sie in den hohen Norden zog, arbeitete sie jedoch zunächst noch als Lektorin für Chormusik bei einem Verlag in Kassel, verlor aber nie den Kontakt zur praktischen musikalischen Arbeit. „Ich habe gemerkt, dass die Arbeit im Verlag nicht das ist, was ich immer machen will“, so Wissemann, die sich dann Anfang 2017 in den Kirchenkreis Ostholstein bewarb. „Ich wollte eigentlich immer nach Norddeutschland. Wir sind früher im Urlaub als Familie immer nach St. Peter-Ording gefahren“, erzählt sie. „Ich liebe das hier sehr; ich mag die Menschen hier total.“ Die Nähe zu Städten wie Lübeck und Hamburg, wo exzellente Musik geboten wird, tat ein Übriges.

 

Neben ihrer hauptberuflichen Arbeit ist Wissemann noch im Vorstand der Neuen Bachgesellschaft tätig und außerdem Mitglied der Gesangbuchkommission der EKD, die zum 1. Advent 2028 ein neues Gesangbuch vorzulegen plant. Über die rund 500 gedruckten Lieder soll dann auch eine digitale Datenbank mit 2000 Liedern vorbereitet werden. Viel Arbeit, die die neue Kreiskantorin im Auftrag der Nordkirche erledigt. Und dann sind da ja noch, wenn auch nicht ehrenamtlich, die Eutiner Festspiele. Dort hatte sie in diesem Jahr die Leitung des Chors der Mozart-Oper „Die Zauberflöte“. „Wenn sich das mit meiner Arbeit vereinbaren lässt, dann möchte ich das gerne fortführen“, sagt sie. Arbeit mit Menschen und Musik, so scheint es, klingt stets wie Musik in ihren Ohren. (red)


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