„Eine historische Ausnahmesituation“ - Großer Andrang beim Infoabend zur Flüchtlingssituation
Neustadt. Am Mittwochabend herrschte in der Mensa der
Jacob-Lienau-Schule ein großer Andrang an interessierten Neustädter Bürgern bei
einer Informationsveranstaltung zum Thema Flüchtlingshilfe, zu der die Stadt
Neustadt eingeladen hatte. Viele Fragen und Ängste beschäftigen derzeit die
Bevölkerung, weshalb der Infoabend Aufschluss darüber geben sollte, wie sich die
Situation in Neustadt konkret gestaltet und was alles getan wird, um die
Flüchtlinge zu versorgen.
In ihrer Begrüßung erklärte Bürgermeisterin Dr. Tordis Batscheider: „Wir
haben wirklich eine historische Ausnahmesituation im Moment hier in Europa. Nach
Schleswig-Holstein sind in diesem Jahr schon weit über 20.000 Personen gekommen.
Und das ist noch längst nicht das Ende.“ Die Kommunen stehen dabei vor enormen
Herausforderungen - vor allem bei der Unterbringung der zahlreichen
Neuankömmlinge, doch man müsse pragmatisch und flexibel sein. Offiziell müsse
Neustadt 150 Flüchtlinge in diesem Jahr aufnehmen, 43 davon sind bereits
untergebracht. Die Bürgermeisterin rechne jedoch noch mit viel höheren
Zahlen.
Das Gerücht, das in den Bundesliegenschaften auf dem Wieksberg weitere
Flüchtlinge untergebracht werden sollen, konnte die Bürgermeisterin nicht
bestätigen, hierzu lägen keine Nachrichten vom Land vor. Sie zeigte sich froh
darüber, dass bislang alle Flüchtlinge dezentral untergebracht werden konnten,
eine Unterbringung in Zelten oder Containern wolle sie auf jeden Fall vermeiden.
Die Situation auf dem ohnehin schon angespannten Wohnungsmarkt werde durch die
aktuelle Entwicklung aber noch mehr verschärft. Hohe Priorität habe deshalb die
Schaffung von bezahlbarem Wohnraum – nicht nur für Flüchtlinge, sondern auch für
Einheimische. Zudem sei ein Krisenstab eingerichtet worden und die
Koordinierungsstelle beim Deutschen Kinderschutzbund (DKSB) Kreisverband
Ostholstein sei aufgestockt worden. Dr. Tordis Batscheider lobte auch das
ehrenamtliche Engagement in der Stadt: „In Neustadt behandeln wir nicht nur zur
Trachtenwoche Fremde wie Freunde. Ich bin stolz darauf, was hier tagtäglich
geleistet wird.“ Es sei jedoch in Anbetracht der Situation völlig legitim, auch
Ängste zu haben.
Um diese Ängste zu besprechen, Fragen zu stellen und sich auszutauschen,
waren am Infoabend zahlreiche Gesprächspartner aller am Netzwerk beteiligten
Einrichtungen an eigenen Ständen vertreten, wo die Bürger Gelegenheit hatten, im
direkten Gespräch ihre Sorgen und Anregungen mitzuteilen. So konnten die
Neustädter mit Vertretern der Stadt und Kommunalpolitikern aller Parteien reden,
die Geschäftsführer des DKSB standen Rede und Antwort, ebenso wie Vertreter der
Polizei und der Bundeswehr, der Neustädter Tafel, der Evangelischen Kirche, des
Deutschen Roten Kreuzes (DRK) sowie der Migrationssozialberatung des Kreises
Ostholstein. Zusätzlich konnten auf Flipcharts Fragen und Anregungen angebracht
werden, welche später wieder in der großen Runde besprochen wurden, da das
Format der Einzelgespräche an den Tischen für Unmut sorgte.
Zahlreiche Fragen wurden dabei geäußert, unter anderem: Wie gestaltet sich
der Ablauf für die Flüchtlinge nach der Ankunft in der Stadt? Wie kann man
beispielsweise das DRK unterstützen? Werden mehr Lehrer eingestellt, da durch
Flüchtlingskinder auch die Schulklassen wachsen? Wie schaffen wir dauerhaft eine
gute Integration der Flüchtlinge, ohne unsere Gesellschaft zu spalten in
Befürworter und Gegner? Zu letzterer Frage erklärte die Bürgermeisterin: „Es
muss von beiden Seiten aufeinander zugegangen werden“, denn nicht nur die
Einheimischen seien hierbei in der Bringschuld. Man müsse den Neulingen unsere
Kultur und unsere humanistischen Werte näherbringen, auch wenn sie diese
eventuell nicht teilen. „Das ist ein langer und schwieriger Prozess, bei dem wir
alle gefordert sind. Das müssen wir alle gemeinsam miteinander erleben,
ausprobieren und erfahren“, so die Bürgermeisterin.
Auskunft zum konkreten Ablauf nach der Ankunft in der Stadt gab Larisa
Sharapova von der Koordinierungsstelle des DKSB. So begrüße man die
Neuankömmlinge üblicherweise beim Rathaus, wo gleich erste Behördengänge und
Formalitäten erledigt werden. Anschließend gehe es in die Wohnung, wo es eine
Einführung in alltägliche Dinge gibt, beispielsweise wie man sparsam heizt und
korrekt lüftet oder den Müll trennt. Die Flüchtlinge werden über die
Sprechzeiten des Familienzentrums informiert, das für sie fortan eine
Anlaufstelle bei Problemen ist. Abschließend gehe es meist noch zum gemeinsamen
Einkaufen, wobei ihnen auch die Infrastruktur der Stadt nähergebracht werde. In
den folgenden Tagen werden Kinder im Kindergarten oder der Schule angemeldet und
notwendige Arztbesuche erledigt. Zudem werden die Flüchtlinge nach einigen Tagen
auch von ehrenamtlichen Paten betreut, von denen sie Orientierungshilfen und
Unterstützung im alltäglichen Leben erhalten.
Dr. Tordis Batscheider verwies zudem auf die Webseite der Stadt
(www.stadt-neustadt.de/Aktuelles/Flüchtlingshilfe), auf der viele Informationen
und Anlaufstellen zum Thema Flüchtlingshilfe gesammelt und ständig aktualisiert
werden. Auch nahm sie als Anregung mit, einen Flyer mit wichtigen Informationen
und Fakten zu erstellen, der an unterschiedlichen Stellen in der Stadt ausgelegt
werden und künftig für mehr Klarheit in der Angelegenheit sorgen könnte.
(kp)

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