

Neustadt in Holstein. Auch in diesem Jahr haben sich zahlreiche Engagierte auf dem Marktplatz zusammengefunden und am Orange Day, dem 25. November „Nein“ zu Gewalt gegen Frauen gesagt. Gemeinsam verteilten sie 500 Brötchentüten mit dem Aufdruck „Gewalt kommt nicht in die Tüte“, die zuvor von Scheel mien Backstuuv und der Bäckerei Seßelberg mit knackigen Nordies und Küstenjungs befüllt worden waren. Die wichtigste Information auf der Tüte bildete dabei die Telefonnummer des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“, ein bundesweites Beratungsangebot für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben. Unter der Nummer 116016 und via Online-Beratung werden Betroffene rund um die Uhr beraten, anonym und kostenfrei.
Elke Ahlering vom Weißen Ring erzählte im Gespräch mit dem reporter, dass die Scham und die Angst häufig groß seien. Durch die Brötchentütenaktion komme man direkt mit den Menschen in Kontakt und könne so gut auf das Thema aufmerksam machen. Das deckt sich auch mit den Erfahrungen anderer, die die Tüten verteilt haben. Sie berichteten, dass sich viele Frauen ihnen gegenüber geöffnet hätten, insbesondere die ältere Generation, habe von eigenen Gewalterfahrungen berichtet und sich gewünscht, dass es dieses Angebot schon früher gegeben hätte. Das zeigt auch, dass das Thema Gewalt gegen Frauen zwar nicht neu ist, die Zahlen derer, die ein Beratungsangebot in Anspruch nehmen jedoch steigen. Die Frauenberatung und Notruf Ostholstein zum Beispiel verzeichneten seit 2020 eine Steigerung der gemeldeten Fälle von 500 Prozent. 2020 nutzen 53 Frauen das Angebot, 2024 waren es bereits 243. In diesem jahr rechnet man mit über 300 Frauen.
Zwar lasse sich dadurch eine Zunahme der Gewalt nicht ableiten, zumal die Dunkelziffern hier als hoch eingestuft werden, klar wird jedoch, dass die Nachfrage an Unterstützung steige. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Hilfsangebote immer bekannter werden. Auch die Brötchentütenaktion trägt dazu bei. Besonders wichtig sei auch, dass die Verteilung nicht nur in Frauenhand lag. „Wir brauchen die Männer mit im Boot“, erklärte die Gleichstellungsbeauftragte Natalia von Levetzow, schließlich sei es die gesamte Gesellschaft, die sich gegen Gewalt an Frauen stark machen müsse.
Aktuelle Zahlen aus dem Bundeslagebild 2024 verdeutlichen, wie häufig Gewalt in Partnerschaften vorkommt. Insgesamt wurden bundesweit 171.069 Betroffene registriert. Die meisten Opfer erlebten vorsätzliche einfache Körperverletzung (58,1 Prozent), gefolgt von Bedrohung, Stalking und Nötigung (25,6 Prozent). In 11,2 Prozent der Fälle handelte es sich um gefährliche Körperverletzung. 4.738 Menschen wurden Opfer von Vergewaltigung, sexueller Nötigung oder sexuellen Übergriffen. Insgesamt wurden 374 Menschen Opfer von Mord oder Totschlag in Partnerschaften. 148 davon überlebten die Tat nicht, darunter 125 Frauen und 23 Männer. Rechnet man Fälle von Körperverletzung mit Todesfolge hinzu, wurden 2024 bundesweit 132 Frauen und 24 Männer von ihrem aktuellen oder ehemaligen Partner getötet. (ko)




