

Neustadt in Holstein. Ihre Person ist in Neustadt eng mit Aktionen wie Stadtradeln, Coastal Cleanup Day oder Earth Hour verbunden, doch ihre Aufgaben reichen noch weiter. Die Rede ist von Nachhaltigkeitsmanagerin Lina Sophie Koop. Sie hat seit Juni 2020 dafür gesorgt, dass die Nachhaltigkeit in Neustadt ganzheitlich mitgedacht und strukturiert wurde. In der letzten Sitzung des Hauptausschusses wurde die Stelle jedoch ersatzlos gestrichen, was im Klartext bedeutet: Neustadt hat bald kein Nachhaltigkeitsmanagement mehr.
Laut Bürgermeister Mirko Spieckermann eine folgenschwere Entscheidung. Mit dem Wegfall der Stelle falle auch die koordinierte Fortführung von Nachhaltigkeitsthemen weg. Hier könne die Stadt bereits aus Erfahrung sprechen, denn erst im Mai 2024 hatte der Hauptausschuss die Stelle des Klimaschutzmanagements gestrichen. Es habe sich gezeigt, dass die Umsetzung des Klimaschutzkonzeptes nicht von der Stadtverwaltung mitbearbeitet werden könne. „Gleiches wird auf die Nachhaltigkeitsstrategie übertragbar sein“, prognostiziert er. Die Grünen bezeichneten die Streichung von Klima- und jetzt auch noch Nachhaltigkeitsmanagement ebenfalls als einen gefährlichen Rückschritt für die Stadt.
Zusätzlich entstehe ein weiteres Problem: Die Teilnahme an den Projektförderungen zur Erarbeitung einer Nachhaltigkeitsstrategie, die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts oder die Beantragung von Fördermitteln für die ukrainische Partnerschaft sei nur möglich gewesen, weil es eine Person gab, die sich darum gekümmert habe. „Der Wegfall einer Ansprechperson für das Thema Nachhaltigkeit wird dafür sorgen, dass Projektförderungen kaum noch in Anspruch genommen werden können“, erklärte Spieckermann.
Auch seien etliche Aktionen in Zukunft nicht mehr durchführbar: Earth Hour, Stadtradeln, Strandmüllsammelaktion, die Betreuung der Partnerschaft mit Nizhyn (Ukraine), die Abstimm-Aschenbecher, die neuen Müllsammelstationen am Strand sowie die jährlichen Blumenampeln und die Unterstützung des Seniorenbeirats mit fairem Kaffee könne dann nicht mehr erfolgen. Darüber hinaus habe es für 2026 bereits Gespräche mit diversen Akteuren für neue Projekte und Kooperationen gegeben, deren Umsetzung nun ungewiss sei.
Die Perspektive der Politik sieht da zum Teil ganz anders aus. Die Vertreter der BGN- und CDU-Fraktion stimmten im Hauptausschuss dafür die Stelle zu streichen. In ihren Augen sei die Stabstelle für ein Nachhaltigkeitsmanagement überflüssig, da ihrer Ansicht nach die Aufgabenfelder mittlerweile den einzelnen Ämtern zuzuordnen seien. Die Analyse der umgesetzten Maßnahmen zeige laut BGN- und CDU-Fraktion, dass viele Projekte und Initiativen bereits vor Einrichtung der Stabsstelle existiert hätten oder von anderen Akteuren initiiert worden seien. „Das Nachhaltigkeitsmanagement hat sich vielfach bestehende oder gesetzlich vorgeschriebene Maßnahmen zu eigen gemacht, ohne selbst maßgeblichen Einfluss auf deren Umsetzung zu haben“, erklärte Dirk Vowe (CDU) stellvertretend für seine sowie die BGN-Fraktion. Als Beispiele nannte er die energetische Sanierung von Schulen, die Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf LED und die Schaffung von Blühwiesen. Das seien alles Maßnahmen, die unabhängig vom Nachhaltigkeitsmanagement durch gesetzliche Vorgaben oder Initiativen der Selbstverwaltung umgesetzt wurden.
Laut Bürgermeister Mirko Spieckermann zählten zu den Aufgaben des Nachhaltigkeitsmanagements neben kleineren Aktionen und Projekten zusätzlich die Betreuung des Projekts „Global Nachhaltige Kommune“ sowie des Titels „Fairtrade Town“. „Wenn die Themen vor Ort nicht mehr durch eine Ansprechperson aktiv bearbeitet werden, sollte mit diesem dann leeren Versprechen nicht mehr geworben werden“, sagte er.
CDU und BGN setzen neben der Verwaltung und Selbstverwaltung zusätzlich auf eine starke Zivilgesellschaft, um das Thema Nachhaltigkeit weiterhin zu platzieren: „Wir erwarten keine negativen Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung der Stadt durch die Streichung der Stelle. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass viele nachhaltige Projekte aus der Selbstverwaltung, von Bürgerinitiativen oder durch gesetzliche Vorgaben angestoßen wurden und nicht originär aus dem Nachhaltigkeitsmanagement stammen“, so Vowe. Zwar werde nach Wegfall des Nachhaltigkeitsmanagements etablierte Strukturen mit Sicherheit fortbestehen und so etwa auch das Stadtmarketing weiterhin eine nachhaltige Ausrichtung verfolgen, dies gelte dann jedoch nicht mehr für eine ganzheitlich nachhaltige Stadtentwicklung, merkte Spieckermann an.
Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat als einzige Fraktion gegen die Streichung der Staelle des Nachhaltigkeitsmanagements gestimmt. Sie werten die Abschaffung der Stelle als Löschung aller Sachmittel für Nachhaltigkeit und sogar aller langfristigen Nachhaltigkeitsziele aus dem städtischen Haushalt. Damit werde ein gesamter Zukunftsbereich abgeschafft, erklärte Fraktionsvorsitzender Mirko Stein (Grüne). Die Entscheidung sei weder fachlich noch finanziell sinnvoll: „Die Stelle war zur Hälfte refinanziert. Die Stadt spart also viel weniger ein als behauptet, verliert aber die einzige Expertin, die sich professionell um Zukunftsthemen gekümmert hat“, so Stein. Die Grünen rechnen mit massiven Folgen wie den Wegfall von Fördermitteln, eine Mehrbelastung der Verwaltung und nicht zuletzt den Verlust einer engagierten, gut arbeitenden Mitarbeiterin.
„Wir wollten eine moderne, zukunftsfähige Stadt. Stattdessen wurde ein wichtiges Zukunftsfeld abgeschafft“, erklärte der Fraktionsvorsitzende. Andere Städte seien über Nachhaltigkeitsarbeit wettbewerbsfähiger. Neustadt verliere dagegen Chancen, Fördergelder und Planungssicherheit. „Auch Banken verlangen zunehmend Nachhaltigkeitsdaten. Ohne diese wird es für uns teurer, Kredite zu bekommen. Kurz gesagt: Kurzfristig spart man ein Gehalt, langfristig kostet es Millionen und schadet der Zukunft der Stadt“, so Stein.
Die SPD und Die Unabhängigen haben sich bei der Abstimmung über die Streichung der Stelle enthalten. „Unser bevorzugter Weg wäre die Bündelung von Nachhaltigkeit und Klimaschutz in einer Stelle gewesen. Dieser Ansatz wurde jedoch weder von der Verwaltung noch von der Ausschussmehrheit unterstützt. Unter diesen Umständen war eine Enthaltung der richtige Weg: Wir wollten die Streichung nicht blockieren, aber deutlich machen, dass strukturelle Veränderungen nur dann dauerhaft tragfähig sind, wenn auch für die betroffene Mitarbeiterin eine passende Perspektive geprüft wurde“, erklärte Fraktionsvorsitzende Margit Giszas (SPD) auch stellvertretend für die Fraktion der Unabhängigen. Sie gehen davon aus, dass die Aufgaben weiterhin gut wahrgenommen werden, da sie schon heute in mehreren Fachabteilungen liegen und dort inhaltlich angesiedelt seien. Entscheidend sei in ihren Augen, dass die Verwaltung klar regelt, wer künftig welche Aufgaben übernimmt. „Wenn diese Zuordnung sorgfältig erfolgt, erwarten wir keine negativen Auswirkungen auf Projekte oder strategische Schwerpunkte“, so Giszas. In der Hauptausschusssitzung wurde im Rahmen des Stellenplanes ebenfalls über andere Stellen entschieden. Die Verwaltung sei auf die Fraktionen zugekommen, neue Stellen zu schaffen und bestehende aufzuwerten, damit wichtige Aufgaben weiter verlässlich erledigt werden können. „Das haben wir mitgetragen, denn dort, wo die Verwaltung Unterstützung braucht, sollen die Stellen geschaffen werden. Gleichzeitig müssen wir in einer der am stärksten verschuldeten Kommunen Schleswig-Holsteins prüfen, wo Aufgaben anders oder effizienter organisiert werden können“, erklärten SPD und Unabhängige. In den vergangenen Jahren seien viele Nachhaltigkeitsthemen bereits in den Ämtern angekommen. Das sei auch ein Ergebnis der bisherigen Arbeit der Stelleninhaberin. Darauf könne die Verwaltung jetzt aufbauen.
Die nächste Stadtverordnetenversammlung wird sich abschließend mit dem Thema Stellenplan befassen. Sollte dort ebenfalls eine Mehrheit für die Streichung der Stelle im Nachhaltigkeitsmanagement stimmen, ist der Beschluss endgültig.
Lina Sophie Koop selbst wertet diese Entscheidung als Zeichen dafür, dass die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung auf kommunaler Ebene nicht verstanden wurde. Ihrer Ansicht nach solle die Stadt in Bezug auf die Nachhaltigkeit lieber auf ihre Erfolge blicken, schließlich gelte Neustadt inzwischen in Schleswig-Holstein als Vorreiterkommune. „Stattdessen wird hinterfragt, warum sich Neustadt das Thema Nachhaltigkeit leistet und überall vorne mit dabei sein muss“, so Koop. (ko)



