Marco Gruemmer

„Das Recht und den Frieden wahren“

Neustadt in Holstein. Sie hofften nach qualvoller Zeit auf Befreiung und ein Ende des Krieges und wurden Opfer einer schrecklichen Katastrophe. Am 3. Mai 1945 starben bei Bombenangriffen der britischen Royal Air Force auf die Schiffe „Cap Arcona“ und „Thielbeck“ über 7.000 Menschen. Die meisten aus dem Konzentrationslager Neuengamme. Sie verbrannten, ertranken oder wurden am Strand erschossen. Nur fünf Tage später endete der Zweite Weltkrieg mit der vollständigen Kapitulation Deutschlands.

Seit vielen Jahren organisiert der Amicale International KZ Neuengamme (AIN) zusammen mit der Stadt Neustadt als Erinnerung am 3. Mai eine Gedenkfeier am Cap-Arcona-Ehrenfriedhof. Neben Verbänden aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Spanien und Polen waren Angehörige von Opfern dieser Katastrophe und weitere Angehörige ehemaliger Häftlinge des KZ Neuengamme nach Neustadt gereist.

3. Mai 1945 - Ein Rückblick: Damals befanden sich etwa 10.000 Gefangene auf mehreren Schiffen im Lübecker Hafen. Sie waren zuvor aus dem KZ Neuengamme und aus vielen seiner Außenlager deportiert worden, als die Nazis die Lager räumten, um die Spuren ihrer Verbrechen zu verwischen. „Die Bedingungen an Bord der Schiffe waren schrecklich, wenn nicht sogar schlimmer als in den Konzentrationslagern selbst“, erzählt Martine Letterie, Präsidentin der AIN. Zwei der Schiffe stachen am Morgen in See und gingen in der Lübecker Bucht vor Anker. „Es waren die „Cap Arcona“ und die „Thielbeck“. Um 15 Uhr griffen englische Flieger die beiden Schiffe an, weil sie glaubten, es seien flüchtende deutsche Truppen an Bord. Die Cap Arcona brannte ab, die Thielbeck sank. Die Gefangen versuchten ihr Leben zu retten, was aber nur wenigen gelang. Deutsche SS-Männer, Jungen der Hitlerjugend und deutsche Marine schossen auf diejenigen, die das Ufer erreichten. Über 7.000 Menschen starben den grausamen Tod.

„Die Ereignisse dieses Tages erinnern uns daran, wie perfide und entmenschlichend die Nationalsozialisten auch außerhalb der Konzentrationslager mit ihren Häftlingen umgegangen sind. Zu einem Zeitpunkt, als der Krieg schon verloren war, verluden sie auf die beiden Schiffe und nahmen ihren Tod in Kauf. Es ist unsere Aufgabe, das Recht und den Frieden zu wahren“, sagte Karin Prien, Bildungsministerin des Landes Schleswig-Holstein. Die Gedenkveranstaltung an einem der frühesten Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein sei daher wichtiger denn je. „Das ermahnt uns alle, uns im Dienste der Demokratie mit ganzer Kraft gegen Entmenschlichung und für die Würde des Einzelnen und den Frieden einzusetzen. Wir gedenken der Ermordeten, wir ehren die Opfer, ihre Familien, ihre erlebten und auch vererbten Traumata. Wir dokumentieren und brechen das Schweigen, die Verdrängung und Verharmlosung. Und wir ziehen mit einem entschiedenen ‚Nie wieder‘ die Lehren für die Gegenwart“, so Karin Prien.

1948 wurde der Ehrenfriedhof in Neustadt eingeweiht und seit den 1980er-Jahren unterstützt die Stadt eine kritische, wahrheitsgemäße Aufarbeitung der Fakten. Seit 1990 gibt es das Museum Cap Arcona. „Im Namen der Stadt Neustadt bekenne ich unsere Verantwortung, alles dafür zu tun, dass solche Verbrechen nie wieder geschehen können. Die Tragödie und die Verbrechen des Nationalsozialismus lehren uns, dass wir uns nicht von Hass und Gewalt leiten lassen dürfen, sondern nach Frieden und Menschlichkeit streben müssen“, sagte Bürgermeister Mirko Spieckermann, der darum warb, sich gerade auch in diesen Zeiten aktiv für Demokratie, für Rechsstaatlichkeit, für Frieden, für Vielfalt, gegen Antisemitismus, Rassismus, Oueerfeindlichkeit und Populismus einzusetzen.

Eine weitere Rede hielt Nieves Cajal Santos. Die Nichte zweier Brüder, deren Leben nach drei Jahren spanischem Bürgerkrieg, fünf Jahren Exil und einem Jahr im Konzentrationslager der Nazis in Deutschland endete, sprach sehr bewegend über ihre Onkel und über die Auswirkungen in der Familie.

Begleitet wurde die Gedenkveranstaltung zudem von Schülerinnen und Schülern des Küstengymnasiums mit Gesang und einer Rezitation sowie dem Chor der Jacob-Lienau-Schule. (mg)


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