Frauen aus Ostholstein schreiben Reformationsgeschichte:Wanderausstellung der Nordkirche zu Gast in Neustadt
Neustadt. Von außergewöhnlichen Frauen handelt die
Ausstellung, die am Mittwoch, dem 14. September in Neustadt eröffnet wird: Ihr
reformatorisches Wirken war bedeutsam für Kirche und Gesellschaft - sie traten
für den Humanismus in Kriegszeiten ein, stritten für die Frauenordination,
ermöglichten Mädchen und Frauen eine schulische Ausbildung oder wurden als erste
Missionarinnen nach Indien entsendet. Diesen oftmals fast vergessenen Frauen ist
anlässlich des Reformationsjubiläums 2017 eine Ausstellung gewidmet.
„... von gar nicht abschätzbarer Bedeutung. Frauen schreiben
Reformationsgeschichte“ lautet der Titel der Wanderausstellung, die das
Frauenwerk der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche)
in Kooperation mit der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek und der
Frauenarbeit in den 13 Kirchenkreisen der Nordkirche konzipiert hat. Im zeiTTor
Museum in Neustadt können die Gäste sich vom 15. September bis 13. November über
„reformatorisch tätige“ Frauen aus fünf Jahrhunderten informieren.
Eröffnet wurde die Ausstellung im Februar in Kiel, die letzte Station wird im
Ende 2017 Greifswald sein. In Neustadt werden in der Wanderausstellung 22
Biografien gezeigt, darunter vier Frauen aus Ostholstein: Johanna Eleonora
Petersen (1644-1724), prominente Schriftstellerin theologischer Werke im
Pietismus, Johanna Maria Friederike Hollensteiner (1840-1896), eigenständige
Pfarrfrau, die sich innerhalb der festgesteckten gesellschaftlichen Grenzen
ihrer Zeit an der Seite ihres Mannes für sozial Schwache einsetzte, Elisabeth
Meltz (1835-1902), deren Lebensinhalt es war, Mädchen und Frauen eine schulische
Ausbildung zu ermöglichen, und Emmi Bonhoeffer (1905-1991), die nach dem Krieg
einen Hilfsverein in Stawedder organisierte.
„Es ist in vielerlei Hinsicht ein besonderes Projekt“, sagt Ruth
Gänßler-Rehse vom Evangelischen Frauenwerk des Kirchenkreises Ostholstein.
„Grundlegend ist dabei der reformatorische Charakter, dass möglichst viele
Menschen an der Gestaltung beteiligt sind.“ Auf diese Weise haben Projektgruppen
in allen Kirchenkreisen der Nordkirche mehr als 60 Biografien zusammengetragen.
Ehrenamtliche aus dem Kirchenkreis haben seit Sommer 2014 ihr Wissen um
engagierte Frauen in das Projekt eingespeist und sich in Archiven, Chroniken,
Kirchenbüchern, Bibliotheken und persönlichen Erinnerungen auf Spurensuche
begeben.
Eine von ihnen ist Ursula Palm-Simonsen: Sie hat in einer Kirchenchronik der
Kirchengemeinde St. Johannis und im Familienarchiv Nachforschungen über Johanna
Hollensteiner angestellt. „Propst Hollensteiner war in Oldenburg sehr bekannt.
Auf ihn gehen alle wesentlichen Einrichtungen zurück. Da habe ich mich gefragt:
Was ist mit seiner Frau?“, erläutert sie ihr Interesse für die Gattin des
Propstes, die im harten Winter 1885/86 eine Volksküche für bedürftige Kinder
in der Waschküche des Hauptpastorats in der Wallstraße in Oldenburg
einrichtete.
Es gelang der damals 45-Jährigen, Spenden einzuwerben und elf junge
Helferinnen aus der Stadt zu engagieren. „Johanna Hollensteiner hat organisiert,
dass für mehr als 60 Kinder pro Tag gekocht wird“, sagt Palm-Simonsen. Die
Ergebnisse ihrer Nachforschungen möchte sie nun mit den Gästen der Ausstellung
teilen. Am 23. September hält sie im Gemeindehaus in Grömitz einen Vortrag mit
dem Titel „Johanna Hollensteiner und ihre Suppenküche“ und am 22. Oktober lädt
sie zum gemeinsamen Kochen einer Herbstsuppe nach altem Rezept ein. Der
Kochabend wird thematisch mit der sozialen Suppenküche von Johanna Hollensteiner
verknüpft. Das gesamte Begleitprogramm zur Ausstellung in Neustadt finden
Interessierte auf der Internetseite des Kirchenkreises: https://www.kirchenkreis-ostholstein.de/angebote/frauenwerk.html.
Mit ihrem Programm passe die Ausstellung sehr gut in das Konzept des zeiTTor
Museums, betonte Frank Wilschewski, Leiter des zeiTTor Museums. „Schließlich
sind wir ein Mitmachmuseum.“ Gelegenheit zum Mitmachen bietet nicht nur das
Begleitprogramm, das Andrea Rathjen und Ruth-Gänßler-Rehse vom Frauenwerk des
Kirchenkreises in Zusammenarbeit mit der Projekt- und Vorbereitungsgruppe
zusammengestellt haben. Auch die Ausstellung regt zur aktiven Auseinandersetzung
mit dem Thema an. Neben großen Stelen mit Porträts der Frauen und kurzen
Infotexten umfasst sie Exponate zum Anfassen und Ausprobieren, Vitrinen, eine
Hörstation, einen Film und ein Kartenspiel. Regelmäßig finden Führungen statt
(Anmeldung bei Andrea Rathjen, Tel. 04561/16721). Zudem stellt die Neustädter
Stadtbücherei zeitgenössische Romane und andere Bücher zur Reformation aus. „Wir
freuen uns, dass wir die Exponate im zeiTTor zeigen können“, sagt Andrea Rathjen
„Wir haben bewusst diesen schönen säkulären Raum gewählt und hoffen, dass wir
auf diese Weise ein breites Publikum erreichen.“
Die Ausstellung soll im Jahr vor dem Reformationsjubiläum darauf hinweisen,
dass Reformation nicht abgeschlossen, sondern ein fortlaufender Prozess ist, an
dem viele Frauen mitwirken. Der Reformatoren-Begriff ist eng mit Martin Luther,
seinen Altersgenossen und den nachfolgenden Generationen verknüpft. Die
Wanderausstellung beruft sich jedoch auf eine weitere Definition. Sie fasst
Reformation als „Erneuerung, geistige Umgestaltung, Verbesserung“ (Duden) auf
und weist darauf hin, dass Frauen als Trägerinnen eines kirchlichen und
gesellschaftlichen Veränderungsprozesses verstanden werden können.
Die Eröffnung der Wanderausstellung in Neustadt ist am Mittwoch, dem
14. September um 18 Uhr im zeiTTor Museum. Eingeladen sind Interessierte sowie
Gäste aus Kirche und Politik. Vom 15. September bis 13. November sind Besucher
dienstags bis samstags zwischen 10.30 und 17 Uhr willkommen, sonntags hat die
Ausstellung von 14 bis 17 Uhr geöffnet. (red)

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