Marco Gruemmer

1.141 Kilometer Freiheit - Mit dem Damenrad nach Kassel

Ostseebad Grömitz. Ein Mann, ein Rad, ein Abenteuer: Seit zwölf Jahren lebt Manuel Stemmer im Camping-Ferienpark Camaro am Lensterstrand, doch sein Herz schlägt nicht nur für die Ostsee, sondern auch für die große Freiheit auf zwei Rädern und zu Fuß.

Der gebürtige Kasseler hat schon so manche Extremtour hinter sich gebracht. In diesem Sommer machte er sich erneut auf den Weg – mit einem 50 Jahre alten Kreidler-Damenrad, das für ihn mehr ist als nur ein Fortbewegungsmittel. „Es ist simpel, aber unverwüstlich – und vor allem zuverlässig“, sagt der 58-Jährige mit einem Lächeln.

Anfang August stieg er in Grömitz auf den Sattel, drei Wochen später kehrte er mit stolzen 1.141 Kilometern in den Beinen zurück. Seine Route führte ihn über Neustadt, Mölln, Lüneburg, Uelzen, Wolfsburg, Goslar, Osterode und Duderstadt bis in seine Heimat Kassel. Mal auf Land- und Kreisstraßen, mal über Schotter- und Waldwege, meisterte er täglich im Schnitt 70 Kilometer, an Spitzentagen sogar bis zu 127. Übernachtet wurde im Zelt – „das hat was von Überlebenstraining“, sagt Stemmer schmunzelnd.

Doch das Abenteuer hatte seine Schattenseiten: eine Nacht mit einem schnaufenden Wildschwein direkt neben dem Zelt, das Verlieren und stundenlange Suchen seines Navigationsgeräts im Wald, sengende Hitze und Schwärme von Insekten. „Aber mein Körper läuft in solchen Momenten auf Hochtouren. Ich bin dann hellwach, voller Energie“, beschreibt der passionierte Radfahrer und Geher, der unterwegs vor allem von Fisch, Früchten, Gemüse, Wasser und Babynahrung lebte.

Extremtouren sind für Stemmer längst kein Ausnahmefall. 2012 wanderte er sechs Wochen lang 1.300 Kilometer quer durch Deutschland. 2017 legte er sogar 3.500 Kilometer von Grömitz bis nach Spanien zu Fuß zurück. Eine Leistung, auf die er noch heute besonders stolz ist. „Im Gehen bin ich ein Naturtalent“, sagt er selbstbewusst.

Sein Lebensweg ist genauso ungewöhnlich wie seine Reisen. Einst besaß er viel, strebte nach Wohlstand – bis er erkannte, dass ihn genau das belastete. „Weniger ist mehr“, lautet seither sein Lebensmotto. Am 27. Dezember 2013 zog er nach Grömitz, um sich seinen Traum vom Leben am Meer zu erfüllen. Der gelernte Raumausstatter arbeitete hier unter anderem als Maler im Zoo, gönnt sich aktuell aber eine Auszeit. Finanzielle Sorgen kennt er nicht, seine Touren finanziert er komplett selbst.

Und die nächste Idee lässt nicht lange auf sich warten: „Spanien reizt mich noch einmal, diesmal allerdings mit dem Fahrrad“, verrät er. Ein Ziel, das zu ihm passt: ein Mann, der nicht stillstehen kann, weder im Leben noch auf seinen Reisen. (mg)


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