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Anekdötchen eines stillen Örtchens mit einer Prise Büttenwarder

Kleiner Pavillon, große Geschichte: Noch vor Jahrzehnten wurden hier in einem älteren Gebäude Saatgut und Kohlen verkauft, erzählt Nils Loenicker alias „Bauer Hader“, der hier Weinseminare und einiges mehr anbietet.

Kleiner Pavillon, große Geschichte: Noch vor Jahrzehnten wurden hier in einem älteren Gebäude Saatgut und Kohlen verkauft, erzählt Nils Loenicker alias „Bauer Hader“, der hier Weinseminare und einiges mehr anbietet.

Bild: L. Schneider

Belau (los). Manche Dorfereignisse sind für sich genommen so gut, dass sie einfach erzählt werden müssen. Die Wandlung eines kleinen Pavillons in Belau gehört dazu. Gelegen in einem alten Wendehammer, der wohl vor allem einmal für landwirtschaftliche Fahrzeuge angelegt worden ist, fristete das stille Örtchen lange Zeit das Dasein eines ungenutzten „lost place“ aus der Belauer „Raiffeisenzeit“, die einige Jahrzehnte zurückliegt.

Heute befindet sich die Weinbar „Moin Belau“ darin. Dieses neue Projekt hatten Nils Loenicker und Heiko Thielsen in der Coronazeit ausgetüftelt und umgesetzt. Schon lange sind die zwei Belauer Freunde im ansässigen Wassersportverein aktiv. Und auf dem Weg runter zum See passierte man eben jenen Pavillon. Nils Loenicker strich vor fünf Jahren mit seiner Frau in Hamburg die Segel, um in seinem Lieblingsort sesshaft zu werden. Bis zur Corona-Krise war Loenicker noch als Kabarettist auf der Bühne gewesen (Kabarett Alma Hoppe). Auf den Leib geschneidert hat er sich die Rolle von „Bauer Hader“, als der er vor allem bekannt ist. Seit rund 35 Jahren verbrachten die Hamburger ihren Urlaub immer im benachbarten Schmalensee und kennen die Region um Belau seit vier Jahrzehnten aus dem „Effeff“. Schon damals gab es den Wendehammer im Dorf, nicht aber den Pavillon. Der kam erst später. Loenicker und Thielsen haben ihn wieder aufgemöbelt. Ein Ort mit Dorfgeschichte.

„Ganz früher gehörte der Bereich der Raiffeisen Genossenschaft“, erinnert sich Loenicker. Belaus Dorfmitte prägte ein eckiges Funktionsgebäude mit großer Rampe. „Die Bauern haben hier ihr Saatgut geholt, Düngemittel und Landbedarf.“ Auch Kohlen zum Heizen konnten die Dorfbewohner hier damals noch erwerben. Eine andere Welt. „Die sind dann aber umgezogen, nach Wankendorf“, weiß Loenicker, „so Mitte der 1990-er Jahre.“ Auch dort gab es einen Landhandel. Nur noch wenige der großen Speichertürme, die damals noch überall aus Schleswig-Holsteins Landschaft ragten, sind heute überhaupt übrig.

In Belau plante die Raiffeisen nun, anstelle des Landhandels eine Niederlassung ihrer Bank einzurichten. „Dafür haben sie das alte Gebäude abgerissen und diesen Pavillon gebaut“, erzählt Nils Loenicker. Hier verrichtete fortan ein Bankangestellter seinen Dienst. Mit allem, was dazu gehörte: „Der ist sogar mal überfallen worden...“ Eine richtig große Sache war das zum Glück aber nicht: „Einer aus dem Dorf... stark angetrunken.“ Er kam wohl auch nicht weit, dieser Täter. „Den haben sie gleich gehabt“, erzählt Loenicker.

Es dauerte nicht lange, „da stellte die Raiffeisen fest, dass das Blödsinn ist“, was sie getan hatte, und die Bank wurde wieder geschlossen. Der Pavillon: Er stand leer, sogar lange. Aber dann weckte er das Interesse eines örtlichen Skulpturenkünstlers. An ihn habe Raiffeisen, wohl froh über einen Abnehmer, das kleine Gebäude verkauft. „Für ein Ei und ein Butterbrot“, sagt Nils Loenicker.

Doch so richtig in Fahrt kam auch das Belauer Kunstprojekt nicht. „Als klar war, das wird nichts, hat der Künstler den Pavillon an die Brauerei in Kirschenholz verkauft“, weiß Nils Loenicker. Gedacht sei dies als Einkauf in die Brauerei gewesen. „Die Brauerei hatte die Idee, ihr Bier im Rahmen eines Hofladens anzubieten.“

Aber auch das Hofladenprojekt kam rasch zum Erliegen, denn der Künstler sei eines Tages verstorben. Es habe zwar noch den Versuch der Einrichtung einer Nähstube gegeben, den die Witwe angestrengt hatte. Doch auch diese Idee hatte in dem unbeheizten Häuschen offensichtlich nicht bewähren können... „Und still ruht der See“, konstatiert Nils Loenicker. „Danach stand es lange Zeit einfach leer.“

Indes frönt der Kabarettist seit ungefähr zehn Jahren seinem Hobby, dem Kajakfahren. Auf dem Weg zum Wassersportverein den Pavillon passierend, kreisten die Gedanken immer wieder um das ungenutzte Häuschen unweit des Anlegers. Visionen bezüglich der Möglichkeiten des Pavillons inmitten der zu einer „Hundekackwiese“ degradierten Grünfläche ploppten in seiner Fantasie auf, ungeachtet Altbundeskanzler Helmut Schmidts vielzitierter Empfehlung, dass, wer eine Vision habe, sich besser ins Krankenhaus einweisen lassen solle.

Nils Loenicker versteht so etwas eher als Lebenselixier der Kreativität. Denn „Kabarettisten leben ja natürlich von ihrer Fantasie“, sagt er. Und so habe er in dem abgewrackten Objekt „ein kleines Schmuckkästchen“, die künftige Weinbar gesehen, der ein äußerst reizvoller Seeblick eigen ist. Wegen des nahenden Rentenalters sei der Ausstieg aus dem Theater ohnehin schon forciert worden. Die „Muße“, die er in der Corona-Zeit hatte, tat ihr Übriges. Auch deshalb bot sich das gemeinsame Projekt mit der Renovierung in Eigenleistung an: „Es ist nicht zum Leben gedacht“, führt Loenicker aus, aber es solle sich finanziell eben decken. Vor drei Jahren - seine Sommelier-Ausbildung war unter Dach und Fach - wurde die Renovierung des erworbenen Kleinods in spe begonnen. Seitdem lädt der Reetdachpavillon nebst prächtiger Blutpflaume und umlaufender Holzterrasse ein, Platz zu nehmen – eine stilvolle Gartengestaltung der Gärtnerei Hennings im Nachbarort Vierhusen.

Heute treffen sich hier Gott und die Welt, was meist informativ, unterhaltsam, vor allem aber gemütlich und vielfach kommunikativ und witzig ist. Viele, die mit dem Drahtesel on Tour sind, planen in dem malerischen Dörfchen gezielt ihren gepflegten Stopover, erzählt Loenicker. Da stechen vor oder nach dem Besuch windzerzauste sonnenbebrillte Paddler in‘ See, da knattert ein verstaubter Treckerfahrer mit gesträubten Augenbrauen grüßend - „Moin“ - vorbei, da gurken ortsunkundige Pkw-Fahrer orientierungslos durch das Bermudadreieck Belau, Bundhorst und Bornhöved, unsicher, ob ihr getrübter Blick sie womöglich gerade im Nirgendwo hat stranden lassen; es kommen erhitzte Radfahrer ausgedörrt um die Ecke gesaust und kreuzen mit hängender Zunge japsende Wanderer nach einer sommerlichen Exkursion auf, alle hocherfreut, an diesem Plätzchen erfrischender Gastlichkeit Station machen und sich eine aussichtsreiche Pause gönnen zu können. Man kann das ehemals stille Örtchen ohne Übertreibung als smart bezeichnen. Aber es steckt mehr drin: Eine liebenswerte Prise Büttenwarder ist eben auch Belau eigen.


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