Internationales Glassam lertreffenam Museum des Kreises Plön
Plön (los). Es sind historische Erzeugnisse, häufig ungewöhnlich und manchmal erst auf den zweiten Blick ganz besonders: Glaserzeugnisse der Vergangenheit. Beim Internationalen Glassammlertreffen am Sonntag, 1. Juni, gilt diesen Produkten – und keineswegs nur Flaschen - am Museum des Kreises Plön, Johannisstraße 1, alle Aufmerksamkeit. Von 10 bis 13 Uhr werden die zerbrechlichen Objekte verschiedener Größen und Couleur unter dem Veranstaltungsmotto „Tausch – Kauf – Verkauf“ in neue Hände übergehen. Dabei bietet sich auch für Nichtsammler die spannende Gelegenheit eines Blicks über den Tellerrand, um über die gläsernen Gegenstände und Flaschen, den Anreiz, sie zu sammeln, sowie auch die Geschichte der Glaskunst etwas zu erfahren.
Über 20 Jahre hatte das Ehepaar Böhrens aus Plön das Glassammlertreffen rein ehrenamtlich organisiert. Inzwischen hat das Kreismuseum die Organisation übernommen. Es empfiehlt sich ein Museumsbesuch, denn sein Namenszusatz „mit norddeutscher Glassammlung“ ist Programm. Insbesondere das Glassammlertreffen biete einen guten Anlass und die Gelegenheit, hier dem Ursprung des alten Handwerks auf die Spur zu kommen, hebt Museumsleiterin Julia Meyer hervor. Es handelt sich um einen Beruf, der in Plön und Umgebung vor 450 Jahren ziemlich gefragt war. Dank holzreicher Buchenwälder (die es folglich in absehbarer Zeit nicht mehr gab, weshalb die Hütten ihren Standort dann auch verlagern mussten), den Quartzsandvorkommen sowie der aus Hessen und Südniedersachsen ab 1575 anreisenden Fachkräfte, steuerte die Region Plön peu à peu auf eine kommerziell einträgliche Blütezeit der Glasproduktion zu. Diese konnte freilich erst so richtig an Fahrt aufnehmen, als der Dreißigjährige Krieg (1618 - 1648) in der Region abflaute. Und so ist das erste Glassiegel mit der Jahreszahl 1640 datiert, erzählt Julia Meyer. Dabei handele es sich um ein Trinkglassiegel der Glashütte Rixdorf bei Lebrade, denn „dort wurden Trinkgläser für den Gottorfer Hof produziert“.
Verwunderlich ist diese Adresse als Abnehmer der kostbaren Ware nicht, schließlich war des Plöner Herzogs Joachim Ernst‘ Ehefrau, Dorothea Augusta, ein Sproß des Gottorfer Herzogs Johann Adolf. Und der war seinerseits ein Cousin des dänischen Königs Christian IV (1577 – 1648). Letztgenannter war der Landesherr auch in Schleswig und Holstein.
Optisch veränderte Plön noch während des Dreißigjährigen Krieges sein Gesicht: Seine Vermählung mit Dorothea Augusta nahm der Plöner Herzog Joachim Ernst zum Anlass, die alte Höhenburg abzureißen und statt ihrer von 1633 bis 1636 ein Schloss zu errichten. Auch das Gebäude des heutigen Museums wurde 1639 so um- und ausgebaut, dass es die wesentlichen Züge seines heutigen Aussehens erhielt.
Auf dem Standort der Johanniskirche, die erst 1685 gebaut wurde, befanden sich laut der Stadtchronik von Johannes Kinder beim Schlossbau noch Reste eines alten Adelssitzes aus wendischer Zeit, errichtet auf einer Anhöhe; der Hügel sei vom Schlossberg und vom Wentorfer Tor, das zur Altstadt in die Lange Straße führte, durch einen tiefen Stadtgraben getrennt gewesen. Doch als Herzog Johann Adolf die Plöner „Neustadt“ samt der Johanniskirche plante, sei diese Erhebung abgetragen worden. Zum einen sei dies geschehen, um mit der Erde auf dem teils sumpfigen Wiesengelände am kleinen Plöner See einen festen Baugrund für neue Häuser zu schaffen; die Querstraße „Am Moore“ als Verbinder von Johannis- und Hans-Adolph-Straße legt davon noch Zeugnis ab.
Zum anderen habe das Projekt dazu gedient, den Stadtgraben aufzufüllen und der Zuwegung Richtung Dörnick und Ascheberg mehr Platz zu verschaffen. Der Kirchhof mit dem Fachwerkgotteshaus scheint der spärliche Rest des Wendenbergs zu sein.
Einer der berühmtesten unter den Glasmacher-Spezis wurde 1638 im Kirchspiel Plön geboren: Johann Kunckel, seines Zeichens Glasmacher, Alchimist sowie Autor des ersten deutschsprachigen Fachbuchs, Titel: „Ars vitraria experimentalis“, die vollkommene Glasmacher-Kunst.
Kunckel wurde im Zusammenhang mit der Herstellung von Goldrubinglas bekannt, einem Verkaufs- und Exportschlager im Barock. Das Museum des Kreises Plön hat eine bedeutende Anzahl geschliffener Gläser aus Kunckels Potsdamer Glashütte sowie Gläser aus jenem sagenhaften Goldrubinglas ausgestellt. Damals in Brandenburg und Potsdam beruflich tätig, war dem Plöner Original Kunckel, Sohn eines Glashüttenmeisters, die Entwicklung eben dieses Glases geglückt.
Fundstücke holsteinischer Glashütten beschreiben ein faszinierendes Feld der Regionalgeschichte, anschaulich dargestellt im Kreismuseum. So findet sich hier unter anderem das Glassiegel des letzten Plöner Herzogs Friedrich Carl von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Plön (1706 – 1761), der ohne legitimen männlichen Erben starb. Und so fiel das Herzogtum zurück an den dänischen König.
Die wahrnehmbare optische Beziehung von Schloss und Kreismuseum zerreißen heute Straßenverkehr, Ampelanlagen und Neubauten. Dafür hat das Schloss, die Fielmann Akademie, Ausbildungsstätte der Fachbereiche Augen und Optik, Brillengläser und Linsen, zumindest mittelbar den roten Faden der Plöner Glasmachertradition aufgenommen. Hier geht’s um den geschärften Blick, dem heute zumindest technisch auf die Sprünge zu helfen ist.
Dazu muss man wissen, dass die Brillenentwicklung bereits vor über tausend Jahren auf Kurs gebracht wurde. Ein Gelehrter, Abu Ali al-Hasan ibn al-Haitham, schrieb damals über den „Schatz der Optik“. Der Mathematiker und Astronom hatte sich mit dem Aufbau des Auges befasst, mit Ptolemäus Ansichten zur Lichtbrechung und -reflexion sowie dem vergrößernden Effekt durchsichtiger, wie Augenlinsen gewölbter Objekte. Er stellte gläserne Lesesteine her und setzte sie als Vergrößerungsglas (Lupe) ein. Und mindestens seit dem 13. Jahrhundert dienten auf der Nase getragene Brillen als Sehhilfe. Das Wort ist Oberbegriff für klare Kristalle Beryll, lateinisch berillus, abgeleitet worden. Im Spätmittelhochdeutschen entstand das hübsche Pluralwort berille.
Es gilt als erwiesen, dass die Brillenherstellung in Murano, gelegen in der Lagune von Venedig, bereits um 1300 richtig etabliert war. Und es gibt alte Darstellungen von Brillenträgern, etwa den 1403 von Conrad von Soest gemalten „Brillenapostel“, die das untermauern. Der um 1370 in Dortmund geborene Maler Conrad von Soest war ein Hauptmeister der westfälischen Tafelmalerei.
Aus eben seiner Zeit stammen im Übrigen die zwei ältesten noch erhaltenen Fundstücke, zwei Nietbrillen – auch als Nagelbrillen bezeichnet. Sie wurden 1953 im Kloster Wienhausen bei Celle an der Aller gefunden und stammen aus dem 14. Jahrhundert.
So könnten die Brillen auf den Celler Markt gelangt sein: Als Wasserweg war die Aller einschließlich ihrer zahlreichen Nebenflüsse für den Handel einmal ebenso bedeutsam wie die Elbe und die Weser, in die sie bei Verden mündet. Vom 11. bis zum 13. Jahrhundert waren die Städte Braunschweig an der Oker, Hannover an der Leine und Celle an der Aller bedeutendste regionale Hauptumschlagsplätze, gute Zolleinnahmen eingeschlossen.
Manches Luxusprodukt aus Venedig könnte auf diesen Wasserwegen in den Norden verhandelt worden sein. Deutsche Kaufleute und Handwerker haben in der Lagunenstadt ihre Spuren hinterlassen, die auf ein verzweigtes Netzwerk deuten. Im Archiv der Stadt weist eine alte Schrift etwa auf den Goldschmied Bernardus Teotonicus. Datum: Dezember anno 1213. Und das Deutsche Lagerhaus „Fondaco dei Tedeschi“, so erstmals 1268 bezeichnet, soll bereits um 1225 existiert haben. Unter anderem waren Nürnberger, Kölner und Lübecker hier im Handel tätig. Einige hinterließen künstlerische Spuren: Die deutschen Kaufleute beauftragten zum Beispiel Albrecht Dürer (1471 – 1528) mit einem großen Altarbild (Rosenkranzfest) für die venezianische Kirche San Bartolomeo des Pfarrbezirks der Insel.
Das Verfahren zur Herstellung von durchsichtigem Kristallglas haben die Venezianer wohl wie ihren Augapfel zu hüten versucht. Schließlich verstand sich die europäische Konkurrenz „nur“ auf grünlich gefärbtes Holzascheglas, sogenanntes Waldglas. Irgendwie und -wann muss das Betriebsgeheimnis von Murano – Reiseziel unter anderem auch Johann Kunckels - nach außen gedrungen sein.
Wer mit den weit angereisten Glassammlern am ersten Junimorgen am Museum ein informatives Schwätzchen halten mag, wird dazu sicher mehr erfahren und mit geschärftem Blick seine Runde machen: Hyazinthengläser, gesiegelte Flaschen, Weckgläser, schicke Pokale, Fliegenfänger und Gluckerflaschen mögen die Freunde von Kuriositäten erfreuen.
Tipp: Parallel zum Internationalen Glassammlertreffen bietet sich am 1. Juni ein Besuch der Sonderausstellung „Die Malerin Annemarie Ewertsen (1909-1993) – Ausflugsziel Westküste“ im Rokokosaal des Kreismuseums an – der Eintritt ist an dem Tag frei.