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Reporter Eutin

Sehnsüchtige Bilder von Hoffnung und Trauer

Selent (kud). Die beiden Bilder hängen im Halbdunkel an einem kleinen Stück Wand, das sie von den anderen, den fröhlichen, farbenfrohen Bildern trennt. Die beiden Bilder haben nichts mit den anderen gemein und treiben Tränen in die Augen. Karima Rahman, die junge Künstlerin, steht vor den beiden Bildern. „Ich musste sie malen. Danach war ich so traurig und wütend, dass ich selber weinen musste.“ Also entschied sie, künftig fröhliche, bunte Bilder zu malen als Zeichen ihrer Freude und Dankbarkeit, sich endlich so ausdrücken zu dürfen, wie sie möchte.
Karima ist 25, eine Frau aus Afghanistan. Sie ist verheiratet, hat drei Kinder mit ihrem Ehemann Khoia, lebt seit dreieinhalb Jahren in Selent und spricht sehr gut deutsch. Die beiden Bilder, die sie so traurig und wütend machen: eine Frau, bis zum Hals in Erde eingegraben, ihr Kopf blutet, Steine liegen daneben. Sie wurde gesteinigt. „Bis heute ist das Alltag in Afghanistan“, sagt Karima. Daneben eine Frau mit traurigen, mutlosen Augen. Sie hat sich eine Schlinge um den Hals gelegt. Karima: „ So geht es vielen Frauen in meiner Heimat. Eigentlich können sie ihr Schicksal nicht mehr ertragen, aber dann sind da ihre Kinder, die sie beschützen möchte.“
Ihre eigenen Kinder, zwei davon sind Mädchen, wachsen in Selent mit anderen Werten auf. Die Jüngste wurde hier geboren, spricht nur deutsch. Und das tut inzwischen die ganze Familie, auch zu Hause. Karima: „ Ich wurde mit 15 Jahren mit einem Mann verheiratet, den ich nicht kannte. Ganz normal in unserer Kultur. Aber ich hatte großes Glück. Als wir nach Deutschland kamen, sagte Khoia: Wir leben jetzt hier. Das ist unsere Zukunft. Nimm das Kopftuch ab.“
Schule, Kindergarten – Karima bekommt ein wenig Zeit und Luft für sich. Ein Malkurs wird angeboten. Sie besucht ihn so oft wie möglich. „Leider konnte ich nicht immer hingehen. Wenn ein Kind krank wird, ist das eben so.“ Aber sie findet Gefallen am Malen und arbeitet weiter an sich und ihren Techniken. „Das Malen befreit mich“, sagt sie. Die düsteren Bilder will sie nicht mehr, die machen zu traurig. Lieber ist es ihr, nach vorn zu schauen, gemeinsam mit ihrem Mann, mit dem sie „soviel Glück“ gehabt hat, der sie unterstützt in allem, was sie tut. Karima wendet sich zur Seite. Da sitzt Marlen Grapatin, die gemeinsam mit Ehemann Bernhard vor mehr als drei Jahren die „Patenschaft“ für die junge Familie übernommen hat. Karima umarmt Marlen liebevoll. Für die Familie Rahmann sind Marlen und Bernhard „Oma und Opa“. Die deutsche Familie der Grapatins zieht mit. Inzwischen feiern alle gemeinsam Feste wie Weihnachten und Ostern.
Im Amt Selent durfte Karima ihre Bilder nun erstmals ausstellen. Vier Wochen lang hingen die sehnsüchtigen Werke der jungen Frau, die ein sicheres Gespür für Farben hat, dort und fanden bereits erste Käufer.
Aus einer Bürotür schaut Jens Iversen hervor. Er leitet das Sozialamt und gesellt sich dazu. „Eine beeindruckende junge Familie. Ehemann Khoia hat inzwischen nach einem Praktikum sogar schon einen Ausbildungsplatz als Einzelhandelskaufmann. Karima hat dank der Familie Grapatin nicht nur sehr gut deutsch sprechen gelernt. Obwohl sie in Afghanistan nur zwei Jahre lang die Schule besuchen durfte, hat sie inzwischen gelernt, deutsch zu schreiben und zu lesen“. Die Bilder an den dem Licht zugewandten Seiten zeigen Szenen der Freude, der Helligkeit, der Zuversicht. Blumen erstrahlen in sonnigem Glanz. Damit malt sich Karima alte Ängste und Nöte von der Seele. So will sie ihr künftiges Leben und das ihrer Kinder. Aber: Außer einer Anhörung vor zwei Jahren gab es bisher noch keine Bewegung in Sachen Status. Die erste Anhörung endete mit einer Ablehnung. Marlen Grapatin: „ Der Dolmetscher verstand nicht einmal richtig die deutsche Sprache.“ Die Paten kümmerten sich um einen Anwalt, der nun vor dem Verwaltungsgericht in Schleswig die Chancen der jungen Familie zunächst auf eine Duldung, später auch auf einen dauerhaften Anerkennungsstatus durchfechten soll. Marlen Grapatin: „Wir bewundern, dass die Eheleute trotz der Unsicherheit so hart daran arbeiten, sich Anerkennung zu verschaffen.“
Ein Bild , die Sonne fällt durch das Fenster darauf, springt ins Auge. Ein Wasserfall sprudelt frisch und unbekümmert einen Abhang hinunter. Das Bild erzählt fast eine Geschichte. Karima: „Das ist so schön sauber.“


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