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Weckruf für mehr Sportbegeisterung nach Schulschluss

Hutzfeld/ Bosau (los). Der Boden bebt in der Hutzfelder Halle. Anfeuernde Rufe, die Tritte vieler Füße, quietschende Schuhsohlen und der Aufprall von Bällen sind zu hören. Kinder rennen auf große Ringe zu, zielen, werfen, sprinten zurück, schlagen an der wartenden Riege ab. Schon gibt der nächste Gas - und jeder alles, was er an Geschick und Tempo aufbringen kann.

Die Kinder der Heinrich Harms Grundschule am Roggenkamp 1 in Hutzfeld, Gemeinde Bosau, zeigen gerne, was sie sportlich so alles drauf haben. Hendrik Voß, ihr Lehrer und zugleich Übungsleiter des Bosauer Sportvereins, führt die Regie für das vielseitige Training. Es ist bereits Schulschluss, den Sport gibt es „on Top“ direkt im Anschluss. Und er wird freiwillig gemacht. „Schule und Verein“ heißt das gesundheitsorientierte Projekt des Landessportverbandes Schleswig-Holstein (LSV). Am Beispiel der Grundschule und des durchführenden Bosauer SV rührten die Unterstützer für ihr Konzept die Werbetrommel. Sie möchten mehr Schulen und Vereine mit ins Boot holen. Ihr Ziel: viel mehr Kinder für den Sport zu erreichen.  

Bosau ist durchaus eine Sport affine Gemeinde. Gleichwohl ist auch in ihrer Grundschule ein bemerkenswerter Trend sichtbar geworden, der den Heranwachsenden im späteren Leben womöglich noch zu schaffen machen könnte: motorische Defizite. Sie gilt es in den Blick zu nehmen. Denn hinter dem trockenen Schlagwort verbirgt sich ein komplexes Problem mit einer Tragweite, die über reinen Bewegungsmangel weit hinausgeht: Sport sei ein bedeutendes Lernfeld für soziales Verhalten, bringt es Dr. Andrea Kleipoedszus, LSV-Projektleiterin auf den Punkt. Regeln, Respekt und Rücksichtnahme, der Umgang mit Erfolgen sowie auch Misserfolgen, das Verständnis von Fairness und guter Kommunikation rangieren an erster Stelle, macht sie deutlich.

Daneben geht es um nichts weniger als den Spaß daran, seine körperlichen Fähigkeiten zu entwickeln, mit denen sich Erlebnishorizonte aus dem eigenem Vermögen heraus verschieben lassen. Es gleicht dem Griff nach den Sternen. Doch diese sind kinderleicht erreichbar: Der Ball fliegt weiter, der Sprung gelingt höher, die Geschwindigkeit wird schneller, die Strecken länger. Und andere werden es anerkennend wahrnehmen, vielleicht sogar den Hut ziehen...

Hendrik Voß' Extrasportstunde, die nach Unterrichtsschluss stattfindet, weil die Kinder dann sowieso alle noch da sind, hat begeisterte Anhänger. Voß fördert ihre Fitness im weitesten Sinne: Koordination, Kondition und Kraft. Dies wirkt sich ausgleichend und motivierend aus, so dass fröhliche Kinder mit verbesserter Konzentration auch ihr geistiges Potenzial tiefer ausschöpfen können, ob bei den Hausaufgaben oder im Unterricht ganz allgemein.

Das Zusammenspiel der trainingsbedingten Fähigkeiten mit innerer Aufnahmebereitschaft ist der Schlüssel für gutes Lernen und gute Laune gleichermaßen – und wer wüßte um die Vorteile nicht besser Bescheid als Edelgard Suikat, ehemalige Lehrerin an „ihrer“ Grundschule am Roggenkamp. Sie ist erste Vorsitzende des Bosauer SV, in dem sie als Urgestein des Vereins schon seit Jahrzehnten aktiv ist. Zur Schule pflegt sie den direkten Draht. So fiel das Projekt gleich auf fruchtbaren Boden.

Zunächst wurden die Gegebenheiten geprüft, berichtet Schulleiterin Heike Krüger. Personalnot: ein aktuelles Thema. Die Schullandschaft habe sich verändert, sagt sie. Studenten unterstützen das Kollegium. Aber nach einem halben Jahr als Vertretungslehrkraft seien sie auch wieder weg, gibt sie zu bedenken. Demgegenüber herrsche immerhin kein Platzmangel in Hutzfeld, wo die Außenstelle der Eutiner Wisser-Schule erst im Juli 2023 geschlossen wurde. „Die zwei Hallen sind von der Schule kaum belegt“, so Krüger. Diese günstige Situation öffnete den Weg. Sport AGs können nun durch den Bosauer SV angeboten werden. Nutznießer seien die Dritt- und Viertklässler.

Zwar erhielten die Schüler regulär zwei Unterrichtsstunden Sport pro Woche. Doch das ist zu wenig: Immer häufiger werde ärztlicherseits „Sportförderbedarf“ attestiert, so Krüger.

„Schule und Verein“ soll Abhilfe schaffen. Aktuell gebe es die Inliner Roll AG, in der „alles was Rollen hat“ genutzt werde, eine Sportfördergruppe mit Aktivitäten wie Klettern, Hüpfen, Balancieren und „allem, was mit Koordination zu tun hat“, sowie eine Leichtathletikgruppe. Von rund einhundert Schülern nähme derzeit etwa die Hälfte diese Angebote des Bosauer SV nach Schulschluss wahr, so Krüger, und bleibe dafür in der fünften oder sechsten Stunde vor Ort.

Reinhard Wunsch von der AOK Nordwest sieht in Präventionsangeboten dieser Art eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Krankenkassen seien dazu verpflichtet, Angebote zu schaffen, betont er. Im Kindesalter werde der Grundstein für ein gesundes Leben gelegt, „daher sind wir froh, diese Kooperation unterstützen zu können“. Ziel sei das Einschleifen gesunder Gewohnheiten: Säßen die Kinder erst bevorzugt zuhause mit dem Handy auf dem Sofa, werde es schwierig, sie überhaupt noch zu sportlicher Betätigung zu aktivieren. Vor diesem Hintergrund brauche es professionelle Trainer, sagt er, „und die finden wir eben in den Vereinen“.

Aktuell gebe es landesweit 485 solcher Angebote, die von qualifizierten Vereinsübungsleitern durchgeführt würden, sagt Stefan Arlt vom Landessportverband. Finanzielle Förderung leiste nicht nur die AOK, sondern auch die Sparkassen als zweitem Projektpartner. Der LSV wird vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur unterstützt.


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