

Wisch (kud). Urlauber und Tagesausflügler nehmen das Ortsschild während der meisten Zeit des Jahres nur am Rande wahr. Nur während der Korntage halten fast alle an. Denn die Wischer verstehen es, immer wieder neue Korngeschichten zu installieren. Jetzt haben auch die Schönberger Landfrauen den kleinen versteckten Ort entdeckt und werden weiter auf Spurensuche durch die Probstei gehen. Zu verdanken haben sie das Heiner Lamp, dem ehemaligen Bürgermeister des 700-Seelen-Dorfes.
Uta Finck von den Landfrauen Schönberg reiste gleich mit 36 Gästen an. Heiner Lamp: „Da musste ich mir Verstärkung holen, denn eine so große Gruppe kann ich nicht allein bewältigen.“ Günter Kruse, stellvertretender Bürgermeister, übernahm eine Gruppe. So hatten alle etwas davon. Soviel sogar, so Uta Finck, „dass wir nach diesem Ausflug spontan beschlossen haben, uns künftig auch Führungen durch andere Orte der Probstei ins Programm zu schreiben. Wir möchten unsere Heimat noch näher kennenlernen.“
Heiner Lamp hat die dicke Chronik des kleinen Ortes vor sich liegen. Kaum zu glauben, was es über Wisch alles zu erzählen gibt. Dabei wirkt der Ort beim Durchfahren eher unscheinbar. Sauber und ordentlich, aber irgend wie neu. „Nein!“ widerspricht Lamp, ein echtes Wischer Urgestein. „Wisch wurde zum ersten Male im Jahr 1216 erwähnt.“ Dass es heute keine wirklich alten Häuser mehr gebe, so Lamp, habe einen sehr traurigen Grund. Und der liegt im Jahr 1943. Englische Bomber machen sich über der Förde zu einem Angriff auf Kiel bereit. Doch die Kieler hatten ihre Stadt in künstlichen Nebel gehüllt. Heiner Lamp: „Der Westwind trieb den Nebel ab. Die Engländer verfehlten ihr Ziel. Innerhalb kürzester Zeit wurde der komplette Dorfkern von Wisch zerstört. In Krokau brannten alle Höfe ab. „Menschen kamen in Wisch nach diesem Angriff erstaunlicherweise nicht zu Schaden. Alte Häuser gibt es seitdem allerdings nicht mehr.
Die Wischer nennen ihr Dorf „Wiesch“. Der Name lässt sich auf den alten Namen „Auf der Wisch“ zurückführen. Und Wisch bedeutet Wiese. Warum aus dem kurzen „i“ längst ein langes geworden ist, das weiß nicht einmal der Altbürgermeister. Aber er erzählt gern aus alten Zeiten, die er aus Überlieferungen kennt und sogar aus sehr frühen Kindheitserinnerungen. Da geht es um Einwohner, die Pferdeäpfel von der Straße holten, um ihre Gartenbeete zu düngen. Da geht es um einen Mann, der täglich mit seinem Mistwagen durch die Straßen fuhr, sich aber ständig mit anderen Wischern verplauderte, bis das Mittagessen rief und der Mistkarren verwaist am Wegesrand stehenblieb und erst am Nachmittag entsorgt wurde. Da geht es auch um Emma und Bruno Muhs, zwei Originale des Ortes, die im 20. Jahrhundert die ersten Urlaubsgäste nach Wisch holten.
Die Urlauber haben sich inzwischen nach Heidkate orientiert. „500 Ferienhäuser und 600 Stellplätze auf dem Campingplatz, alles in Wassernähe, das gefällt den Gästen besser“, meint Lamp.
Auch in seinem Dorf hat sich in den vergangenen Jahren vieles verändert. „Wir haben inzwischen viele Zweitwohnungsbesitzer, die sich hier Eigentum geschaffen haben.“ In jedem Jahr feiern die Wischer eigentlich ein Sommerfest. Alle Vereine und Organisationen haben sich an der Feier mit Beiträgen beteiligt. „Ob das dieses Jahr noch einmal stattfindet, steht noch nicht fest“, so Lamp. „Es gibt einfach nicht mehr genug Menschen, die bereit sind, ihre Zeit für solche Aktivitäten zu investieren. Schade.“
Stolz, so Lamp, seien die Wischer aber auf ihre plattdeutsche Theatergruppe. Lamp:“ Die leisten im Winter zehn bis 15 Aufführungen. Und stets sind ungefähr 100 Besucher da.“
Beim Bummel durch den Ort erzählen Lamp und Günter Kruse dann auch noch von dem verheerenden Hochwasser, das 1872 alles unter Wasser setzte. Drei Meter über dem Nullpunkt – alles Land dahinter versank in den Fluten. Lamp: „Danach wurde dann mit dem Deichbau begonnen“.
Den Wischern half das nur bedingt, denn ihr Ort wurde von einem Moor praktisch durchzogen. „Die Bauern hatten oft lange Anfahrtswege zu ihren Feldern, weil im Moor angelegte Straßen einfach wieder versanken. Für die Menschen war das alles eine sehr harte Zeit.“
Wisch heute: Ein schmuckes Örtchen, das es nicht verdient hat, auf der Bundesstraße nur am Ortsschild erkannt zu werden. Der Charme liegt jenseits der Straße.