Präsent vor Ort und in Europa: die Küstenwache – Ein Interview mit Marco Antler
Marco Antler ist Erster Polizeihauptkommissar und Inspektionsleiter der Bundespolizeiinspektion See in Neustadt. Der reporter sprach mit ihm über die Küstenwache als fiktive Organisation in der ZDF-Serie und die Arbeit des Koordinierungsverbundes Küstenwache im richtigen Leben, über Nachwuchsgewinnung und über die Einsätze im Mittelmeer.
Wie sind Sie zur Bundespolizei See gekommen?
Marco Antler: Ich trat 1975 in Lüneburg in den Polizeidienst ein. Mein Vater und ich waren Hobbysegler und restaurierten damals ein altes Holzboot in der ancora-Werft. Auf der gegenüberliegenden Hafenseite lagen die damaligen BGS- Boote, deren Existenz mir bis zu diesem Zeitpunkt noch völlig unbekannt war, sodass ich gegenüber meinem Vater sagte: „Ich will Beruf und Hobby verbinden.“ Also habe ich mich beworben und bin 1978 nach Neustadt gekommen, wo ich maritim ausgebildet wurde. Meine Seebeine habe ich bei meinem ersten Bordeinsatz auf der Rettin bekommen. Im Verlaufe der Dienstjahre war ich mehrere Jahre als Ausbilder im Bereich der Nautik und Seemannschaft tätig. Daran schloss sich eine Verwendung auf den Einsatzschiffen an. Dann hat mir mein Fachhochschulstudium den Weg für Führungspositionen ermöglicht. Parallel dazu besuchte ich die Seefahrtsschule, um sowohl polizeilich als auch maritim die erforderliche Verwendungsbreite aufweisen zu können. Circa 12 Jahre als Schiffsführer in der Nordsee rundeten die aktive Dienstzeit an Bord eines großen Einsatzschiffes ab - hier in Neustadt haben wir mit der „Bayreuth“ nun ein derartiges Einsatzmittel stationiert. Der Weg zurück nach Neustadt führte für mich über eine Verwendung im Bundespolizeipräsidium in Potsdam als Sachbearbeiter für Maritime Angelegenheiten. Mit diesem „Karrierebaustein“ in der Tasche startete ich 2007 als stellvertretender Inspektionsleiter in Neustadt; sieben Jahre später konnte ich die Dienstgeschäfte von meinem Vorgänger übernehmen und versehe hier meinen Dienst als Inspektionsleiter.
Wie ist Ihr persönlicher Bezug zum Tag der Küstenwache?
Marco Antler: Meine Leidenschaft ist es, diese Veranstaltungen zu organisieren und den Besuchern sowohl das Thema Küstenwache als auch die Bundespolizei See näher zu bringen. Außerdem sind die Stadt Neustadt und die Bundespolizei See eng miteinander verbunden - schon seit über 50 Jahren. 2011 habe ich den maritimen Part der Feier zum 60. Geburtstag der Bundespolizei Berlin mitgestaltet. Höhepunkt war dann die zentrale Jubiläumsveranstaltung „50 Jahre Bundespolizei See“, deren Organisation und Gestaltung mir übertragen wurde. Der Tag der Küstenwache ist mittlerweile zu einem Steckenpferd von mir geworden.
Wie hat sich der Tag der Küstenwache im Lauf der Jahre entwickelt?
Marco Antler: Anfänglich orientierte sich die Veranstaltung an der ZDF- Fernsehserie Küstenwache, um die Schauspieler, die Opal Filmproduktionsgesellschaft und um den Küstenwache-Fanclub. Jetzt sind wir einer der Hauptakteure und das versuche ich jedes Jahr ein bisschen voranzutreiben. In diesem Jahr haben wir zum Beispiel das erste Mal auch das Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung mit einem großen Einsatzschiff im Hafen. Der Zoll ist schon über mehrere Jahre dabei und, mal sehen, vielleicht schaffen wir es im nächsten Jahr, die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung mit ins Boot zu bekommen - dann ist der „Koordinierungsverbund Küstenwache“ komplett.
Was hatte die Serie „Küstenwache“ denn mit der Arbeit der Küstenwache im wirklichen Leben zu tun?
Marco Antler: Im Grunde wurde den Zuschauern eine Organisation suggeriert, die es in dieser Art nicht gibt. Aber wir nutzen die Chance, das bei Veranstaltungen wie dem Tag der Küstenwache gerade zu rücken. Wir sind als Bundespolizei See ein Teil des Koordinierungsverbundes Küstenwache. Die Akteure im richtigen Leben sind die zur See fahrenden Bundesbehörden, also die Bundespolizei See, die Bundeszollverwaltung, die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung sowie die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes.
Hat die Bundespolizei See nicht auch von der Serie profitiert?
Marco Antler: Die Serie war für uns ein Sechser im Lotto und letztlich ein unheimlich guter Werbeträger. Wir haben heute über das Jahr viele Anfragen von Besuchergruppen. In Kooperation mit der Tourismus Agentur Lübecker Bucht bieten wir Führungen und Vorträge unter dem Motto „Küstenwache hautnah“ an. Was auch wenige in Bezug auf die Produktion der Serie wissen: Wenn unsere Einsatzschiffe, Kraftfahrzeuge, Uniformen in die Dreharbeiten eingebunden waren, erfolgte die Bereitstellung diese Leistungen nicht kostenlos - der Filmproduktionsgesellschaft wurde dieses in Rechnung gestellt und die Einnahmen sind dann wieder in den Bundeshaushalt zurückgeflossen. Außerdem lief alles parallel zum Einsatzgeschäft.
Gewinnen Sie auch Nachwuchs durch den Tag der Küstenwache?
Marco Antler: Es geht in erster Linie darum, Präsenz zu zeigen. Junge Leute nehmen diesen Tag durchaus zum Anlass, bei uns anzufragen und dafür stehen unsere Besatzungen als Ansprechpartner bereit. Wer sich für den Dienst bei der Bundespolizei See interessiert, muss aber zunächst die allgemeinpolizeichliche Ausbildung von 2,5 Jahren durchlaufen. Daher rekrutieren wir bei Bundespolizei See unser Personal intern in unseren Aus- und Fortbildungszentren. Zukünftig wird es zweimal im Jahr eine interne Ausschreibung geben, an die sich für die Ausgewählten einjährige intensive Fachausbildung anschließt.
Wie steht es denn um den Nachwuchs bei der Bundespolizei See?
Marco Antler: Gerade jetzt müssen wir verstärkt für Nachwuchs sorgen, denn in den nächsten Jahren werden viele Beamte das Pensionsalter erreichen. Auch die Ausbildungsinhalte werden derzeit an die Erfordernisse, denen sich die Bundespolizei See zukünftig stellen muss, angeglichen. Im Hinblick auf die besonderen Fähigkeiten unserer drei neuen Einsatzschiffe, die in den nächsten Jahren in Dienst gestellt werden, müssen wir uns den neuen Herausforderungen stellen. Damit betreten wir teilweise Neuland, aber wir wollen der Zeit voraus sein, um für diverse polizeiliche Lagen vorbereitet zu sein oder wie man es im polizeilichen Jargon zu sagen pflegt: wir wollen vor der Lage sein.
Welche speziellen Aufgaben hat die Küstenwache?
Marco Antler: Die Küstenwache ist ein Zusammenschluss der Bundesbehörden, die mit eigenen Seefahrzeugen in eigener originären Zuständigkeit auf See präsent sind. Damit sind die Bereiche polizeilicher Grenzschutz, Zollaufgaben, Fischereischutz und schifffahrtspolizeiliche Aufgaben abgedeckt. Seit 1994 arbeiten diese maritimen Bundesbehörden im Koordinierungsverbund Küstenwache eng zusammen und werden aus dem Maritimen Sicherheitszentrum in Cuxhaven geführt; das MSZ in Cuxhaven ist sozusagen die „deutsche Lösung“ des Themas Küstenwache. Durch eine abgestimmte Bestreifung der Seegebiete wird die Sicherheit auf See in Nord- und Ostsee erhöht; in bestimmten Einsatzsituationen ist darüber hinaus eine gegenseitige Unterstützung vereinbart worden. Zwischen Zoll und Bundespolizei See ist die Stufe der Zusammenarbeit mittlerweile soweit intensiviert worden, dass gemischte Besatzungen auf den Seefahrzeugen der jeweiligen Partnerbehörde ihren Dienst versehen; bedeutet: Zollbeamte an Bord der Einsatzschiffe der Bundespolizei, Bundespolizeibeamte an Bord der Zollkreuzer.
Und sie sind auch im Mittelmeer im Einsatz.
Marco Antler: Ja, kurz vor Weihnachten 2015 wurden per BMI- Erlass verfügt, ab 1. März 2015 mit zwei Kontroll- und Streifenbooten im Grenzbereich zwischen Griechenland und der Türkei Dienst zu versehen. In sehr kurzer Vorbereitungszeit wurde ein Konzept entwickelt und auch umgesetzt, sodass dann dort vor Ort zur Unterstützung der griechischen Küstenwache und zusammen mit anderen internationalen Kräften der Dienst an Europas Außengrenze aufgenommen werden konnte. Es galt, die Schleuserkriminalität zu bekämpfen und Menschen zu retten, die von der türkischen Seite aus in Richtung Griechenland zu flüchten versuchten, da dieses oftmals auf nicht seetüchtigen Fahrzeugen versucht wurde. Die Zahlen belegen, dass dieser Einsatz wertvoll ist. Es konnten mittlerweile 20 Schleuser festgenommen werden. Jede Woche gelingt es den Besatzungen unserer 21m Boote, Menschen aus hilfloser Lage zu retten; 2276 Menschen wurden mittlerweile aus Seenot gerettet. Für die Kollegen vor Ort sind das teilweise belastende Einsätze. Gleichwohl sind sie sich bewusst, welche Bedeutung der Einsatz hat und vielleicht ist das auch ein befriedigendes Gefühl, Menschen gerettet zu haben.
Welche Einsatzkräfte sind dort vor Ort?
Marco Antler: Auslandseinsätze wie diese sind bei uns auf dem Gebot der Freiwilligkeit begründet. Die Einsatzkräfte kommen überwiegend aus unseren drei Inspektionen Neustadt, Cuxhaven und Warnemünde; ergänzt und unterstützt werden sie durch eine Führungsgruppe, die die logistische Betreuung vor Ort übernimmt. Leider fehlt dieses Personal oftmals hier vor Ort, um den Seestreifendienst vor unserer eigenen Küste sicherzustellen.
Wie sieht die derzeitige Situation dort aus?
Marco Antler: Vathy auf der Insel Samos ist ein touristisch erschlossener Ort, der durch diesen Einsatz dort eine ganz andere Dynamik erfahren hat. Am Anfang blieben Urlauber aufgrund des Flüchtlingsthemas aus. Das hat sich aber wieder ein bisschen beruhigt. An unsere Präsenz hat man sich mittlerweile gewöhnt, so wurde mir berichtet. Anfangs war das für uns eine neue Erfahrung, denn unsere Seegrenze verlief bis dato vor der eigenen Haustür, jetzt sind wir an der EU-Außengrenze fernab der eigenen Küste im Einsatz. Es ist derzeit nicht absehbar, wann der Einsatz für uns endet.
Herr Antler, wir danken Ihnen sehr für dieses Gespräch. (he)