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Wenn Worte nicht (mehr) genug sind

Einrichtungsleiterin Jennifer Niemietz und Pflegedienstleiterin Alina Korthals freuen sich über den Sinneswagen, den Holger Stenkamp und Renate Busch von der Plöner Hospizinitiative übergaben.

Einrichtungsleiterin Jennifer Niemietz und Pflegedienstleiterin Alina Korthals freuen sich über den Sinneswagen, den Holger Stenkamp und Renate Busch von der Plöner Hospizinitiative übergaben.

Bild: A. Jabs

Bad Malente-Gremsmühlen (aj). Nicht selten kommt das Leben an einen Punkt, an dem eine sanfte Berührung, ein vertrauter Klang, Licht und Farben, ein Duft die Sprache sind, in der man einander nahekommen kann. Die Sterbebegleiterinnen und -begleiter der Plöner Hospizinitiative kennen diese Phase gut. Und sie erleben in ihrer Arbeit immer wieder, dass das menschliche Miteinander für viele Sterbende und Schwerstkranke unverzichtbar ist für ein behütetes Leben und einen Abschied in Würde: „Die Menschen werden ruhiger, wenn sie eine bestimmte Melodie hören oder einen weichen Teddy im Arm halten“, erzählt Renate Busch. In den gut zehn Jahren ihrer Arbeit hat die stellvertretende Vorsitzende der Plöner Hospizler immer wieder erfahren, dass ein kuscheliges Tuch oder das Lieblingsmärchen Trost spenden und Leben und Sterben zumindest für Momente in Einklang bringen können. Erlebnisse, die sie mit ihren Mitstreiter*innen teilt. Deshalb war man in der Plöner Hospizinitiative sofort begeistert von dem transportablen Materialwagen, den die Hospizbewegung Heikendorf während eines Regionaltreffens 2018 vorstellte. Die Zusammenkünfte mit den Hospizvereinen des Kreises Plön finden regelmäßig statt und bieten Gelegenheit zu Austausch und besserer Vernetzung. Das Ziel ist klar: Voneinander und miteinander lernen, wie die Sterbebegleitung erweitert und verbessert werden kann, so dass jedem und jeder Sterbenden eine individuelle Ansprache zuteil wird. Die Plöner entschieden: Dieser mobile „Schrank“ ist eindeutig zur Nachahmung gedacht! Und so startete die Plöner Hospizinitiative das Projekt, Alten- und Pflegeeinrichtungen einen solchen Sinneswagen, bestückt mit Lichtquelle, Musik und Musikinstrumenten, Aromaölen und Liederbüchern, als Dauerleihgabe zur Verfügung zu stellen. Nach dem Pflegeheim Fünf-Seen-Allee in Plön und der SeniorenWohngemeinschaft Koppelsberg, wo der Sinneswagen seine positive Wirkung auch auf Menschen mit dementiellen Erkrankungen offenbart, wurde jüngst in der Malenter Seniorenresidenz Auetalblick ein Sinneswagen übergeben: „Wir sind dabei, den Bereich der Palliativcare, also der Fürsorge und Pflege Sterbender und Schwerstkranker, zu erweitern und neu aufzustellen. Dafür leistet diese großzügige Unterstützung einen wertvollen Beitrag“, erklärte Einrichtungsleiterin Jennifer Niemietz.
Die Sinneswagen werden im Detail in Absprache mit der jeweiligen Institution bestückt: „Jedes Pflegeheim ist anders und jeder Sinneswagen ist eine Weiterentwicklung“, erklärt Renate Busch. Die Plöner Ehrenamtlichen werden künftig also auch im Auetalblick mit dem Sinneswagen arbeiten können. Es gehört zum Konzept der Sterbebegleitung, dass die Aktiven sowohl im eigenen Zuhause als auch in den Pflegeeinrichtungen für die Menschen da sind: „Wir wollen unsere Mitarbeitenden durch Ausbildung und Schulungen unterstützen, ihnen aber auch Material in die Hand geben“, erläutert Holger Stenkamp. Der Bestatter aus Wittmoldt ist Kassenwart der Plöner Hospizinitiative. Worauf es ankommt beim Einsatz von Wasserspiel und Handpuppen, beschreibt er so: „Wir stellen die Ausstattung zur Verfügung, in der Sterbebegleitung kommt es dann aber wesentlich darauf an, sensibel zu sein, zu beobachten und zu spüren: Was kommt an? Aber auch: Was kann ich leisten?“, so der erfahrene Sterbebegleiter. Eine Herausforderung auch für diejenigen, die diese Aufgabe zu ihrem Beruf gemacht haben. Im Auetalblick ist Alina Korthals als Pflegedienstleitung für die Palliativcare verantwortlich. Sie freut sich, künftig ebenfalls auf den Sinneswagen zurückgreifen zu können. Über entsprechende Erfahrungen verfügt sie bereits und sie weiß, dass der Sinneswagen einerseits eine besondere persönliche Nähe ermöglicht, andererseits aber auch eine praktische Hilfe sein kann: „Patientinnen und Patienten auf Palliativstationen müssen zum Beispiel umgebettet werden, da kann ein Lichtspiel an der Wand eine schöne Ablenkung sein. Viele achten dann auch weniger auf ihre Schmerzen“, berichtet die junge Fachkraft. Ein weiterer Pluspunkt: „Man kann manches wie Licht, Musik oder das Wasserspiel auch bei mehreren Patienten gleichzeitig einsetzen“, so Korthals. Als Pflegende stehe sie in einer besonders engen Verbindung mit den Menschen: „Das ist bei aller Professionalität ein sehr emotionaler Kontakt“, sagt sie.
Die Grundidee der Sinneswagen wird auf der Internetseite der Hospizinitiative so erhellt: Sie geht auf ein multifunktionales Konzept namens „Snoezelen“ aus den 70er Jahren, das von zwei niederländischen Therapeuten entwickelt wurde. Der Begriff Snoezelen setzt sich zusammen aus den niederländischen Worten: Snuffelen = Schnuppern und Doezelen = Schlummern. Ziel des Konzeptes ist es die Sinneswahrnehmungen anzusprechen und durch Entstehung einer Wohlfühlatmosphäre (Reize in Form von Licht, Klänge, Duft und Berührung), Ruhe und Entspannung zu erlangen und dadurch Ängste zu nehmen.
Dies mit Leben zu füllen, ist ein zutiefst humaner Dienst, den Ehrenamtliche und Pflegende Tag für Tag übernehmen. Oder wie es Holger Stenkamp formuliert: „Wir geben hier nicht einfach etwas ab, der Sinneswagen ist auch als Startpunkt für Zusammenarbeit zu verstehen - im Sinne der Bewohnerinnen und Bewohner!“


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