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Reporter Eutin

Chancen, Hoffnung und Intrigen

Plön (los). Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ist aktueller Anlass, sich damit auseinanderzusetzen, was Krieg und Vertreibung für Kinder zu bedeuten hat. Der Plöner Historiker Dr. Karsten Dölger widmet sich dem Kapitel Kindheit und Schule in der Nachkriegszeit und erforscht für Flüchtlingskinder eingerichtete Lagerschulen in Holstein. Derzeit untersucht er die Geschichte der Barackenschule in Plön-Stadtheide. In dieser Serie mit Fortsetzung erhalten Sie Einblicke in das Forschungsprojekt sowie über das bereits erschienene Buch „Kurenwimpel und Schulbaracke“ über den memelländischen „Flüchtlingslehrer“ Hans Seigies. (ISBN 978-3-00-072664-4).


Das aktuelle Forschungsgebiet Karsten Dölgers ist der Plöner Ortsteil Stadtheide als einstigem Militär- und Bundeswehrstandort am Suhrer See, wo nach Kriegsende das Flüchtlingslager „Waldfrieden“ eingerichtet wurde. Als Militärlager war es noch als Ausweichquartier der Kaserne Ruhleben unter dem Namen „Forelle“ bekannt.


Über das Barackenlager Waldfrieden, ehemals Forelle hat der Historiker bereits zahlreiche Quellen auswerten können. Sie zeichnen das komplexe Bild eines schwierigen, aber nicht hoffnungslosen Schul-Neustarts.


Plön war seit der Kapitulation am 8. Mai 1945 von den Briten besetzt. Die hatten das Zieldatum 1. Oktober für den Wiederbeginn des Schulunterrichts in dem Jahr gesetzt. „Es gab jedoch einen Lehrerengpass“, berichtet Dölger. Der sei nicht allein darauf zurückzuführen, dass viele Lehrer während des Kriegs eingezogen und gefallen waren, und dass sich die Bevölkerungszahl in Schleswig-Holstein durch Flüchtlinge plötzlich verdoppelt hatte. Er gründete auch auf den Mangel an politisch unbelasteten Personen, die für dieses Amt überhaupt in Frage kamen, so Dölger.


Eine Lagerschule existierte in Plön zunächst noch nicht. Stattdessen wurden alle Kinder in den Schulen der Innenstadt unterrichtet. Dort nahm die Rodomstorschule als reine Mädchen-Volksschule den Betrieb wieder auf. In der Volksschule in der Hamburger Straße (neben der Polizeidienststelle) wurden nur die Jungen unterrichtet. Die Mittelschule, Prinzenstraße 4, befand sich damals in der Nähe des Gymnasiums, Prinzenstraße 8.

Für die Flüchtlingskinder bedeutete die Lage der Schulen vor allem eines: Einen strapaziösen Fußmarsch von rund fünf, sechs Kilometern bei Wind und Wetter, unzureichender Kleidung, wenig Essen und durchgelaufenen Schuhen – teils barfuß – an der gefährlichen Hauptverkehrsstraße (B76). „Sie kamen aus Stadtheide, Sandkaten und ganz aus Ruhleben“, zählt Dölger auf. Auch Ausgebombte und Evakuierte vom Kieler Kamp haben diesen langen Schulweg genommen.

 

Das scheint die Ausgangssituation gewesen zu sein, als der Plöner Volksschullehrer Hans Jahn, der demnach zu den „Unbelasteten“ gezählt habe, in der Stadtverwaltung im Dezember 1945 vorstellig wurde und auf die dringende Notwendigkeit eines Unterrichtsraums vor Ort in Stadtheide verwies. „Die Armut, Unterernährung, Kriegstraumatisierung und der desolate Zustand der Kinder ist anhand von Jahns immer wieder mit Blick auf Schuhwerk und Kleidung erwähnten Mängeln ablesbar“, erläutert Dölger. „Der Winter 1945/46 war hart für die Kinder.“


Jahn hatte damit Erfolg: „Die Briten und die Stadtverwaltung gingen auf ihn ein und genehmigen eine Barackenneuaufstellung“, erläutert Dölger das erklärte Ziel, Platz für neuen Schulraum in der Siedlung am Suhrer See zu schaffen. In den dort bereits bestehenden Notunterkünften wie unter anderem der „Dönitzbaracke“ wohnten viele Flüchtlinge.


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