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Reporter Eutin

Leinen – der „rote Faden“ in der Geschichte

Plön (los). Die Menschheit ist der Widerspruch in sich: Vintage-Style ist „in“. Aber „antik“ möchte auch niemand daherkommen und sich schon gar nicht entblößen. Wie er herumläuft, ist niemandem ganz egal. Und das war es auch nie. Tätowierungen, Schminke, Hüte und Haarmode oder das Design von Textilien zeigen es: Unsere Altvorderen legten auf ihre gepflegte Garderobe viel Wert. Und die Benutzung von Glättsteinen - oder Gniedelsteinen – wirft ein Licht auf die Behandlung und Herrichtung von Kleidung und Co, wie vergangene Woche bereits berichtet. „Und das lange bevor das Bügeleisen aufkam“, zeigt die Leiterin des Kreismuseums Julia Meyer auf. Grund genug, der Stoffherstellung diesmal einen besonderen Platz einzuräumen. Denn der rote (Leinen-)Faden der Textilherstellung zieht sich auch durch die Gniedelstein-Geschichte. In dieser Verknüpfung kam Flachsfasern eine besondere Bedeutung zu.
Leinen ist ja bekanntlich ein Stoff, der zu Knitterfalten neigt, was Ordnungsliebenden gegen den Strich geht. Und ging. Doch dem Problem konnte begegnet werden: Zugunsten eines ansehnlichen Auftritts kamen Glättsteine zum Einsatz. So heißt es in einem Beitrag in „Ein Buch von alten Fasern“, zusammengestellt von Indra Ottich: „Die übliche Bindungsart ist Leinwandbindung. Leinenfaden ist relativ steif und hat eine glänzende, glatte Oberfläche, was sich durch Behandlung mit Glättsteinen oder Bügeleisen im feuchten Zustand noch verstärken lässt. Das Präparieren von Leinen in Falten lässt sich bereits durch die Grabfunde aus Birka nachweisen.“ Diese datieren aus der Zeit 8. bis 10. Jahrhundert.
Auch im Plöner Kreismuseum tummeln sich allerlei Kleidungs- und Stoffexponate. Flachszöpfe und ein Beidwandrock in der Dauerausstellung bezeugen die historische Flachsverwendung im Kreis Plön. Sie werfen ein Schlaglicht auf gebräuchliche Textilien, die in Zeiten vor dem Bügeleisen mit Gniedelsteinen aufbereitet wurden.
Der alte Beidwandrock hat sich gut gehalten: „Tiefdunkelbraun, senkrecht mit weißen, blau eingefassten Fäden gemustert, an den Hüften in Falten gelegt. Oberhalb des Fußes ein 15 cm breiter, aufgenähter Streifen Samt. Länge 97 cm.“
Das Ausstellungsstück veranschaulicht, was Frauengenerationen im 19. Jahrhundert traditionell angezogen haben. Bereits seit dem 19. Mai 1958 gehört der Rock aus Matzwitz (Gemeinde Panker) zum Inventar, „geschenkt von Frau Hirschberg in Friedburg“. Einer gesicherten Überlieferung nach soll er „älter als 1850“ sein.
„Beiderwandstoffe wurden in Schleswig-Holstein aus Wolle und Leinen gefertigt“, erklärt Museumsleiterin Julia Meyer. Die Probstei habe sogar ein eigenes Webmuster entwickelt.
Für das Drunter und Drüber war Flachs die Nummer Eins: „Über die Leinenstoffe aus Flachsfaser ist bekannt, dass sie hautfreundlich waren“, erläutert Julia Meyer. Leinenwäsche war unverwechselbar: Denn sie war meist mit gestickten Monogrammen versehen. „Wer Wäsche – auch Tischwäsche - erbte, nähte sein Monogramm zu dem oder den vorhandenen dazu.“ Das war natürlich Frauensache. Für die Probstei sei belegt, dass die Haushalte für sämtliche Tischgrößen auch Tischwäsche besaßen. Die reiche Leinenaussteuer war üppig, weshalb gut Erhaltenes wohl reichlich vererbt und mit eigenem Monogramm bestickt werden konnte. Unbenutzte Leinenwäsche aus dem 19. Jahrhundert gibt es daher heute noch.
Kurz nach 1800 scheint der Flachsanbau in der Probstei eine ganz übliche Feldfrucht gewesen zu sein, die in der Kulturfolge nach Weizen oder Roggen angebaut wurde. Einen Überblick zur damals dort praktizierten Fruchtfolge bietet 1813 ein gewisser Joh. Geo Schmidt in „ein Beitrag zur Vaterlandskunde“.
Einen späteren Hinweis auf den Flachsanbau im heutigen Kreis Plön liefert die Überlieferung einer Verlegung der „Probsteier Ackerbauschule in Schönburg/Holstein“ 1907 nach Preetz. Hier wirkte der Agrarwissenschaftler Robert Kuhnert, der als ausgewiesener Spezialist für Flachsanbau gegolten hat, 1908 Mitbegründer des Schleswig-Holsteinischen Saatbauvereins und Schriftführer des Sonderausschusses der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) für Flachsbau gewesen ist.
Und das Ostseebad Eckernförde ist stolz auf seine alte „Flachsdarre in Kirchhorst“. Die Darranlage diente zum Trocknen des Flachses. Sie gilt als einmaliges Überbleibsel aus dem 19. Jahrhundert. Bis dahin sollen die Bauern der Region zusätzlich Schafzucht und Flachsgewinnung betrieben haben, um Wollzeug und Leinen herstellen zu können, heißt es in einer Erklärung zu dieser Sehenswürdigkeit.
Wie vielfältig der Flachs nutzbar war, wussten schon die Zeitgenossen des Mittelalters zu schätzen. Neben Faserlein hatte Öllein große Bedeutung. Entsprechend wichtig war die Mühlentechnik. Der Bereich des heutigen Deutschlands gilt für die Zeit des 12. und 13. Jahrhunderts als Spitzenreiter unter den damaligen Flachsanbaugebieten. Erst im 19. Jahrhundert begann Baumwolle dem Flachs den Rang abzulaufen. „Vor allem, da sie im Zuge der technischen Entwicklung für industrielle Produktionsabläufe praktischer war“, verdeutlicht Julia Meyer. Trotzdem: Leinentextilien waren lange Zeit hoch geschätzt. Die Aussteuerwäsche des frühen 20. Jahrhunderts im Museum bezeugen es. Nachthemden, Unterkleider und Bettwäschegarnituren dieser Zeit liegen gut verpackt im Archiv.
Aber schon 700 Jahre zuvor ist Leinenstoff in dieser Region getragen worden. Die Sachsen könnten bereits „den Flachsbau von den Wenden gelernt haben, da diese ihn sehr gut verstanden“, heißt es in dem Aufsatz „b. Kulturboten und Kulturstätten. Die Kolonisten. Aus Petersen Lesebuch“. Helmold, Priester zu Bosau und Schüler Vicelins, wird darin zitiert. Er gibt sogar einen Hinweis auf die Nutzung der Wasserkraft durch die verdrängte Slawische Bevölkerung: »... fast undurchdringlich der Wald, man findet doch hin und wieder noch Gräben, durch die das Ackerland abgeteilt war; da sind noch Trümmer alten Gemäuers und Erdwälle, die erraten lassen, daß hier ein menschlicher Wohnplatz gewesen, und an den Bächen erkennt man noch die Dämme, durch die das Wasser für die Mühlen einst gestauet war.« Der Chronist Helmold schrieb die Chronica Slavorum (Slawenchronik). Er starb 1177 in Bosau, am Großen Plöner See, wo er als Pfarrer tätig gewesen ist.
Drehmühlen, und zwar aus rheinischem Basalt, sind in solchen slawischen Burgwällen in Holstein von Archäologen ausgegraben worden. Sie deuten auf weitreichende Handelsbeziehungen aus dem karolingisch-deutschen Reich. Und bei Nettelsee haben sich Hinweise auf das Bestehen einer Wassermühle aus dem 13. Jahrhundert erhärtet. An sie erinnern Flurbezeichnungen Olendorp und Mölenwisch. Die Hofstelle Nettelau soll auf die Anlage einer Turmhügelburg (Motte) zurückgehen. Ob die Mühle slawischer Bauart war und von den Kolonisten in der Zeit übernommen wurde, ist unklar.
Wo Menschen lebten, bauten sie Pflanzen an, auch Flachs. Allerdings gelten weder die Slawen noch die alten Sumerer als Väter der Klamotten. Auch nicht die alten Ägypter, die ihre toten Pharaonen nach allen Künsten der Haltbarmachung in Leinen einwickelten. Denn die bisher ältesten Flachsfasern, die getragene Kleidung belegen, sind in einer Bodenschicht der Dzudzuana-Höhle in Georgien 2007 und 2008 gefunden worden. Sogar gefärbte Fasern hat man dort nachweisen können. Ein Gruß aus den Tiefen prähistorischer Zeiten: Ihr Alter soll rund 31.000 bis 36.000 Jahre betragen.
Bleiben Sie gespannt auf die nächsten Museumsschätze.

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