Am liebsten ein Dorfladen mit Café und einem Ort für Veranstaltungen
Gnissau. „Wir hatten mal einen Schlachter, einen Bäcker, einen Kaufmann, alles, was ein Dorf braucht“, erinnert sich Bettina Kramer, „jetzt haben wir gar nichts mehr. Und das muss sich ändern – wir haben kein richtiges Zentrum mehr, keinen Treffpunkt. Früher hatten wir noch einen Krug, in dem man sich treffen konnte.“ Der ist mittlerweile ein Geschäft für Antiquitäten – „da gibts tolle Möbel zum Kaufen, aber keine zum drauf Sitzen und Feiern“, bedauern die Gnissauer. Und auch der Dorfladen hat im vergangenen Jahr seine Türen geschlossen, die Inhaber wollte in ihren verdienten Ruhestand, ein Nachfolger fand sich nicht. Deshalb haben einige engagierte Dorfbewohner die Initiative Dorfzentrum gegründet und arbeiten nun daran, dass Gnissau wieder einen Dorfladen bekommt – denn im benachbarten Schlamersdorf und Garbek gibt es wohl kleine Dorfläden, aber auch dahin sind es fünf bis sechs Kilometer, und die sind für viele, vor allem ältere Dorfbewohner nicht mal eben zu schaffen. Zudem trägt ein Dorfladen zur Belebung des Dorfes bei. Denn es soll auch mehr sein als ein Dorfladen – „am liebsten einen kombinierten Laden und Treffpunkt“, wünschen sie sich. Denn auch das Feuerwehrgerätehaus, in dem die letzten Versammlungen stattfanden, ist mit 100 Leuten an seine Grenzen gestoßen – und der alljährliche Irische Abend zieht von Scheune zu Scheune. Im Rahmen von „Ahrensbök 2030“, dem bürgerbeteiligten Entwicklungskonzept für die Großgemeinde, wurde auch in Gnissau eine Bürgerbefragung durchgeführt, was den Gnissauern fehlt – Nahversorgung, ein TreffPunkt, bessere Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, altersgerechtes Wohnen. „Mehr Lebensqualität im weitesten Sinne“, fasst Karina Lund aus dem Dorfvorstand zusammen, „und dafür ist uns das MarktTreff-Konzept empfohlen worden.“ Eine Marke des Landes Schleswig-Holstein, um den ländlichen Raum mit Infrastruktur zu beleben. 35 MarktTreffs gibt es landesweit und alle sind verschieden – die meisten aber haben als tragende Säule einen Lebensmittelladen, dazu ein Bistro, je nach Bedürfnissen und Wünschen der Dorfbewohner. Also wurde eine Standortanalyse durchgeführt, denn Voraussetzung ist, dass durch einen MarktTreff im Umkreis von fünf Kilometern keine Kaufkraft entzogen werden darf. Und es muss ein gewisser Umsatz im Jahr zu erwarten sein – die Standortanalyse ergab, dass beide Voraussetzungen gegeben wären. Einen Umsatz von 900.000 Euro könnte ein Laden in Gnissau erwirtschaften, wurde ermittelt – denn Bedarf ist da, betonen die Gnissauer. Und auf die Beine gestellt haben die Gnissauer von der Initiative Dorfzentrum schon etwas – „wenn wir kein Dorfzentrum haben, dann machen wir eines“, sagten die Mitglieder des Kulturvereines Gnissau sich und kauften aus den Einnahmen aus ihren Veranstaltungen einen Bauwagen, renovierten und bemalten ihn. Jetzt finden von Frühling bis Herbst überall im Dorf Klönschnacks, Kneipenabende, Plattdeutsch für Kinder und alle anderen Veranstaltungen des Kulturvereins statt. Wer auch immer sich berufen fühlt, kann ihn ausleihen und seine eigene Veranstaltung drumherum gestalten. „Er ist ein Symbol für unser nicht vorhandenes Dorfzentrum“, sagt Michael Kramer von der Initiative Dorfzentrum. „Und Rainer Kuhlmann zieht ihn mit seinem Trecker durchs Dorf, da hin, wo die nächste Veranstaltung stattfindet.“ Weil der Bauwagen zwar sehr charmant, aber doch eher klein und nur saisonal einsetzbar ist, von einem Laden ganz zu schweigen, muss noch ein echtes Dorfzentrum her. Als Standort haben die Gnissauer bereits zwei Objekte ins Auge gefasst. Einen Bauernhof an der B 432 und einen in der Dorfstraße, beide optimal gelegen und von der Größe her geeignet für Dorfladen, ein kleines Café und Veranstaltungsräume. Sogar Platz für sogenannte CoWorkingSpaces, Büroräume zum Miete, quasi als ausgelagertes HomeOffice, die sich Karina Lund wünscht, gäbe es. Das Herz allerdings wäre der Dorfladen. Wer ohnehin in die Stadt muss, in Eutin, Lübeck, auch Ahrensbök oder Segeberg arbeitet, braucht einen Dorfladen nicht zwingend – aber es ist auch einfach schön, am Sonntagmorgen mal eben um die Ecke zu gehen und frische Brötchen zu kaufen oder abends noch schnell den Liter Milch. Oder sich zum Feierabend im dorfeigenen Café auf einen Feierabend-Rotwein zu treffen, ein bisschen zu schnacken oder auch die nächste Veranstaltung zu planen. Als nächster Schritt steht eine Machbarkeitsstudie an – dafür stehen der Gemeinde Ahrensbök nun einige Planungsbüros zur Verfügung. Die Finanzierung ist im Haushalt eingeplant, muss jetzt beraten werden und wird dann hoffentlich Mitte Februar auch beschlossen. Denn zumindest eine Anschubfinanzierung seitens der Gemeinde müsste bewilligt werden: Ein MarktTreff wird vom Land mit bis zu 750.000 Euro gefördert, wenn die Gemeinde ein Viertel der Gesamtsumme übernimmt. Ob die Gemeinde das Gnissauer Dorfzentrum unterstützt, hänge stark von dem zu erarbeitenden Konzept ab, sagt der Bürgermeister Andreas Zimmermann, „ein autarkes wirtschaftliches Handeln wäre zwingend erforderlich. Mehr als eine Anschubfinanzierung können wir nicht leisten. Und ob sie finanziert wird, das entscheidet jetzt die Selbstverwaltung.“ Zudem machen die Gnissauer sich derzeit auf die Suche nach einem Kaufmann für ihren Dorfladen – jemand, der in der Gegend vielleicht einen Markt hat und in Gnissau eine Filiale eröffnen würde. Umsatz wäre zu erwarten, der Durchfahrtsverkehr ebenso wie der Ostseereiseverkehr ergäben zusätzlich potenzielle Kunden. Vor allem aber für die Gnissauer wäre ein festes Dorfzentrum eine echte Bereicherung – ein kleiner Laden für den täglichen Bedarf, ein Raum zum Feiern, Treffen, für Veranstaltungen, vielleicht für den Kindergarten. Und als nette Dreingabe ein kleines Café? „Wir sind das größte Dorf der Gemeinde“, lacht Michael Löttgen von der Initiative Dorfzentrum, „da muss doch was auf die Beine zu stellen sein.“ Die Initiative Dorfzentrum in Gnissau trifft sich an jedem dritten Dienstag im Monat um 19.30 Uhr im Pastorat – weitere Mitstreiter sind herzlich willkommen.
